BGH Beschluss v. - 4 StR 434/21

Hauptverhandlung in Strafsachen: Hinweispflicht nach gescheitertem Verständigungsgespräch

Gesetze: § 257c StPO, § 265 Abs 2 Nr 2 StPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Instanzenzug: LG Essen Az: 51 KLs 12/20

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Rüge eines Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren bzw. einer Verletzung der Hinweispflicht des § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO ist jedenfalls unbegründet.
Entgegen der Auffassung der Revision bestand keine Verpflichtung des Gerichts, nach einem Scheitern des Verständigungsgesprächs förmlich auf die Möglichkeit hinzuweisen, von dem in Aussicht gestellten Verständigungsstrafrahmen trotz (überwiegenden) Geständnisses des Angeklagten abzuweichen.
Eine gescheiterte Verständigung kann von vornherein weder Bindungswirkung noch Vertrauensschutz begründen (vgl. ‒ 1 StR 606/17, NStZ 2018, 419, 420; Urteile vom ‒ 1 StR 424/18 Rn. 28 und vom ‒ 5 StR 176/17, NStZ 2018, 232 mit Anm. Schneider). Legt der Angeklagte im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ein Geständnis ab, kann das Gericht daher regelmäßig ohne förmlichen Hinweis nach § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO von dem vorgeschlagenen Verständigungsstrafrahmen abweichen. Denn ohne Hinzutreten besonderer Umstände fehlt es an einem schutzwürdigen Vertrauen des Angeklagten, das Tatgericht werde im Falle eines Geständnisses dennoch eine Strafe in dem in Aussicht gestellten Strafrahmen verhängen (vgl. , NStZ 2018, 419, 420; Urteil vom ‒ 5 StR 630/19, NStZ 2020, 749, 751; s. auch ‒ 5 StR 300/21; vgl. zudem KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, 8. Aufl., § 257c Rn. 77; Hamm/Pauly, Die Revision in Strafsachen, 8. Aufl., Rn. 1344; a.A. Schneider, NStZ 2018, 232, 233; LR StPO/Stuckenberg, 27. Aufl., § 257c Rn. 61; differenzierend Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, 64. Aufl., § 257c Rn. 25b).
Quentin     
      
Bartel     
      
Rommel
      
Scheuß     
      
Messing     
      

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:030222B4STR434.21.0

Fundstelle(n):
wistra 2022 S. 261 Nr. 6
wistra 2022 S. 3 Nr. 5
IAAAJ-16475