BGH Beschluss v. - VIII ZR 71/20

Prozesskostenhilfe: Notwendige Streitgenossenschaft bei Verteidigung mehrerer Beklagten gegen eine Räumungsklage; Beschränkung der Bewilligung auf die Mehrvertretungsgebühr

Gesetze: § 78 Abs 1 S 3 ZPO, § 119 Abs 1 S 2 ZPO, § 121 Abs 1 ZPO, § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 1008 RVG

Instanzenzug: Az: VIII ZR 71/20 Beschlussvorgehend Az: 67 S 369/18 Urteilvorgehend AG Berlin-Mitte Az: 123 C 108/15

Gründe

11. Hinsichtlich der Rechtsverteidigung der Beklagten zu 1 und zu 4 gegen die Revision der Klägerin liegt jeweils ein Fall notwendiger Prozesskostenhilfe (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO) vor. Nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beklagten zu 1 und zu 4 ist Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

2Da im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof eine Vertretung durch Rechtsanwälte vorgeschrieben ist (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO), ist den Beklagten zu 1 und zu 4 ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beizuordnen (§ 121 Abs. 1 ZPO), vorliegend Rechtsanwalt Prof. Dr. Siegmann.

3Denn bei den (familiär verbundenen) Beklagten handelt es sich um Streitgenossen, die hinsichtlich der Verteidigung gegen die die Räumung und Herausgabe der von ihnen gemieteten beziehungsweise bewohnten Räumlichkeiten betreffenden Revision der Klägerin gleichgerichtete Interessen verfolgen, so dass vorliegend nur die Beiordnung eines Anwalts zur gemeinsamen Vertretung in Betracht kommt (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 23. Aufl., § 114 Rn. 8; MünchKommZPO/Wache, 6. Aufl., § 114 Rn. 40; Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 121 Rn. 3).

4Somit war den Beklagten zu 1 und zu 4 der bereits für den Beklagten zu 2 tätige und zur Vertretung bereite Prozessbevollmächtigte beizuordnen. Dessen Beiordnung ist auf die Mehrvertretungsgebühr nebst Auslagen zu beschränken (vgl. BGH, Beschlüsse vom - II ZR 179/91, NJW 1993, 1715 unter II; vom - II ZA 17/19, juris Rn. 7 ff.).

52. Der Antrag der Beklagten zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine - noch zu erhebende - Anhörungsrüge (§ 321a ZPO) ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

6a) Soweit die Beklagte zu 1 eine vermeintliche Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip) beanstanden möchte, wäre die Anhörungsrüge insoweit bereits deshalb unzulässig, weil mit ihr allein geltend gemacht werden kann, das Gericht habe den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Andere Rechtsverletzungen können nach § 321a ZPO nicht gerügt werden (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3710 Rn. 17; , NJW 2016, 3035 Rn. 13; Beschlüsse vom - VIII ZR 79/15, juris Rn. 2; vom - XI ZR 137/20, juris Rn. 1; vom - X ZR 109/18, juris Rn. 6).

7b) Soweit die Beklagte zu 1 eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch den Senat rügen will, wäre eine Anhörungsrüge jedenfalls unbegründet, da der Senat bei seiner Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde die Ausführungen der Beklagten zu 1 in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, aber nicht für durchgreifend erachtet hat.

8aa) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Senat habe am über ihre Nichtzulassungsbeschwerde entschieden, ohne dass der von ihrem Rechtsanwalt in der Begründung dieses Rechtsmittels in Bezug genommene, von ihr persönlich verfasste Schriftsatz vom , der erst am bei dem Bundesgerichtshof eingegangen ist, vorgelegen habe. Hierin liegt kein Gehörsverstoß.

9(1) Zum einen wurde das vorgenannte Parteivorbringen der Beklagten zu 1 bereits nicht wirksam Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung. Denn ein Vorbringen der Partei kann nicht - wie hier - durch bloße pauschale Bezugnahme zum Inhalt eines bestimmenden Schriftsatzes im Anwaltsprozess - wozu auch Rechtsmittelbegründungsschriften zählen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - VII ZB 13/79, VersR 1980, 331 unter [II] 1; vom - VI ZB 46/03, juris Rn. 4) - gemacht werden (vgl. , BGHZ 22, 254, 255 f.; vom - III ZR 200/15, NJW 2016, 2747 Rn. 20 [jeweils für die Klageschrift]; vom - VIII ZR 181/81, BGHZ 84, 136, 138 [dort anders bezüglich der Anspruchsbegründung im Mahnverfahren]; Beschluss vom - IV ZB 69/52, BGHZ 7, 170, 174 [für die Berufungsbegründung]).

10(2) Ungeachtet dessen wären die Ausführungen der Beklagten zu 1 in dem von ihr verfassten Schreiben vom nicht geeignet gewesen, der Nichtzulassungsbeschwerde in der Sache zum Erfolg zu verhelfen, da hiermit entgegen dem Begründungserfordernis des § 544 Abs. 4 Satz 3 ZPO Revisionszulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht in der gebotenen Weise dargelegt wurden.

11bb) Soweit die Beklagte zu 1 beanstandet, dem - ihre Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden - Senatsbeschluss vom fehle eine nähere Begründung, liegt hierin keine Gehörsverletzung (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609 Rn. 6; vom - IV ZR 149/12, juris Rn. 6). Die Anhörungsrüge kann nicht zur Herbeiführung der Begründung einer Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde, bei der gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO von einer näheren Begründung abgesehen wurde, eingelegt werden (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZR 353/18, juris Rn. 6 mwN).

123. Der Beklagten zu 1 ist Prozesskostenhilfe zur Beantragung von Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bereits deshalb nicht zu gewähren, weil eine von ihrem vormaligen Prozessbevollmächtigten verfasste, fristgerecht eingereichte und umfassend begründete Nichtzulassungsbeschwerde vorliegt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:261021BVIIIZR71.20.0

Fundstelle(n):
DAAAI-62946