Online-Nachricht - Freitag, 20.05.2022

Sozialrecht | Behinderungsbedingte Mehrkosten für eine Begleitperson im Urlaub (BSG)

Menschen mit Behinderung können Eingliederungshilfeleistungen für solche Kosten erhalten, die entstehen, weil sie bei einer Urlaubsreise auf eine Begleitperson angewiesen sind ().

Sachverhalt: Der auf einen Rollstuhl angewiesene, behinderte Kläger beschäftigt zu seiner Pflege rund um die Uhr drei Assistenten. Er unternahm im Juli 2016 eine 7-tägige Schiffsreise auf der Nordsee mit zwei Landausflügen. Einen seiner Assistenten nahm er zur Sicherstellung seiner Pflege auf die Reise mit. Seine eigenen Reisekosten trug der Kläger selbst. Er machte gegenüber dem beklagten Sozialhilfeträger die Übernahme der Reisekosten für den Assistenten geltend, was dieser wie auch das Sozialgericht und das Landessozialgericht ablehnten.

Der 8. Senat des BSG hob das Urteil des Landessozialgerichts auf und wies die Sache an das Gericht zurück, weil Feststellungen zur abschließenden Entscheidung fehlten:

  • Urlaubsreisen stellen als Form der Freizeitgestaltung ein legitimes soziales Teilhabebedürfnis dar.

  • Einen Anspruch gegen den Sozialhilfeträger löst jedoch nicht schon das bei dem Menschen mit Behinderung selbst bestehende Urlaubsbedürfnis aus, weil dieses bei nicht behinderten wie behinderten Menschen in gleicher Weise entsteht. Kosten für den eigenen Urlaub sind deshalb grundsätzlich nicht als Leistung der Eingliederungshilfe zu übernehmen.

  • Anders kann es bei behinderungsbedingten Mehrkosten wie den Reisekosten einer notwendigen Begleitperson liegen. Denn mit diesen Kosten ist der Mensch mit Behinderung allein aufgrund seiner Behinderung konfrontiert.

  • Sie sind als Teilhabeleistung zu übernehmen, wenn sie vor dem Hintergrund der angemessenen Wünsche des Menschen mit Behinderung notwendig sind.

  • Der Wunsch eines Menschen mit Behinderung, sich jährlich einmal auf eine einwöchige Urlaubsreise zu begeben, ist im Grundsatz als angemessen anzusehen.

  • Dem Senat fehlten jedoch insbesondere Feststellungen dazu, ob dem Kläger die Buchung einer anderen, im Wesentlichen gleichartigen Reise möglich gewesen wäre, die geringere oder keine behinderungsbedingten Mehrkosten ausgelöst hätte.

Quelle: BSG, Pressemitteilung v. 20.5.2022 (il)

Fundstelle(n):
NWB TAAAI-62086