(Sozialgerichtliches Verfahren - Kostenerinnerung - Festsetzung einer Gebühr nach Nr 7503 GKVerz - Rücknahme einer von zwei Nichtzulassungsbeschwerden und Erfolg der zweiten Beschwerde)
Gesetze: § 56 SGG, § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG, § 1 Abs 2 Nr 3 GKG 2004, § 3 Abs 2 GKG 2004, § 6 Abs 1 S 2 GKG 2004, § 21 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 34 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 34 Abs 1 S 2 GKG 2004, § 39 Abs 1 GKG 2004, § 66 Abs 1 S 1 GKG 2004, § 66 Abs 6 S 1 GKG 2004, Nr 7503 GKVerz
Gründe
1I. Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen den Ansatz von Gerichtsgebühren.
2Sie begehrte im zugrunde liegenden Rechtsstreit zuletzt die Feststellung, dass das Arzneimittel Humalog© nicht der Abschlagspflicht nach § 130a Abs 3b SGB V unterliegt. Eine weitere Klägerin (im Folgenden: Klägerin zu 2) wollte festgestellt haben, dass sie nicht zur Zahlung eines solchen Abschlags für das Arzneimittels Liprolog© verpflichtet sei. Die gemeinsame Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos. Die Erinnerungsführerin und die Klägerin zu 2 legten beim BSG gesonderte Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Die Erinnerungsführerin nahm ihre Nichtzulassungsbeschwerde mit Schriftsatz vom zurück. Der 3. Senat des BSG ließ auf die Beschwerde der Klägerin zu 2 mit Beschluss vom die Revision zu. Mit Beschluss vom legte er der Erinnerungsführerin die Kosten ihres Beschwerdeverfahrens auf und setzte den Streitwert hierfür auf 2 500 000 Euro fest. Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des BSG stellte der Erinnerungsführerin mit Schlusskostenrechnung vom gemäß Nr 7503 der Anlage 1 zu § 3 Abs 2 GKG (Kostenverzeichnis - KV) eine einfache Gebühr aus einem Streitwert von 2 500 000 Euro in Höhe von 10 736 Euro in Rechnung.
3Die Erinnerungsführerin beruft sich mit ihrer Erinnerung, der die Kostenbeamtin nicht abgeholfen hat, auf die Anmerkung zu Nr 7503 KV. Bei zweckentsprechender Auslegung ergebe sich daraus, dass im Fall der Rücknahme einer von zwei Nichtzulassungsbeschwerden und Erfolg der zweiten Beschwerde keine Gebühr für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren anfalle. Andernfalls werde sie, die Erinnerungsführerin, trotz Vorliegens eines Zulassungsgrunds mit den Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens belastet.
4II. 1. Über die Erinnerung entscheidet der 5. Senat des BSG als Kostensenat (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 66 Abs 1 Satz 1 GKG und Teil A Abschnitt I RdNr 5 Ziffer 10 Satz 1 des Geschäftsverteilungsplans des BSG für das Jahr 2022) durch die senatsintern zuständige Berichterstatterin als Einzelrichterin (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 66 Abs 6 Satz 1 Halbsatz 1 GKG). Die Erinnerung ist zulässig (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 66 Abs 1 GKG), selbst wenn die Erinnerungsführerin die Kosten schon bezahlt hat (vgl hierzu zB Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl 2021, § 66 RdNr 13). Sie ist jedoch unbegründet. Der Kostenansatz in der Rechnung vom ist nicht zu beanstanden.
5Nach § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 1 Abs 2 Nr 3, § 3 Abs 2 GKG sind im zugrunde liegenden Verfahren Kosten nach dem KV zu erheben. Nr 7503 KV sieht für ein durch Rücknahme beendetes Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde eine 1,0-Gebühr vor, die sich bei einem Streitwert von 2 500 000 Euro nach Maßgabe von § 34 Abs 1 Satz 1 und 2 GKG auf 10 736 Euro beläuft. Der Gebührentatbestand ist hier erfüllt; die Erinnerungsführerin nahm ihre Nichtzulassungsbeschwerde vollständig zurück. Aus der Anmerkung zu Nr 7503 KV ergibt sich nichts Abweichendes.
6Danach entsteht die Gebühr nicht, soweit die Revision zugelassen wird. Schon der Wortlaut erfasst die hier gegebene Fallkonstellation nicht; auf die Beschwerde der Erinnerungsführerin erfolgte keine Revisionszulassung. Ohne Belang ist insoweit der Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zu 2. Das Prozessrechtsverhältnis zwischen der Erinnerungsführerin und dem beklagten GKV-Spitzenverband sowie dasjenige zwischen der Klägerin zu 2 und dem beklagten GKV-Spitzenverband bildeten von Anfang an je eigene Streitgegenstände. Die Erinnerungsführerin und die Klägerin zu 2 machten die beiden Streitgegenstände lediglich innerhalb eines gemeinsam angestrengten Klageverfahrens (subjektive Klagehäufung) im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) geltend. Die Nichtzulassungsbeschwerden strengten sie nicht einmal mehr gemeinsam an. Jeder Streitgegenstand unterliegt aber grundsätzlich seiner eigenen kostenrechtlichen Bewertung (vgl dazu, dass es gerade bei objektiver Klagehäufung differenzierbare Gerichtskosten gibt, die den jeweiligen Streitgegenständen zugeordnet werden können, - SozR 4-1500 § 197a Nr 4 RdNr 12). Entsprechend ist eine Gebühr nach Nr 7503 KV anzusetzen, wenn ein Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen von mehreren Beklagten zurücknimmt, während die Revision gegen den anderen Beklagten zugelassen wird und erst ab der Beschwerderücknahme kein einheitlicher Streitgegenstand mehr besteht (vgl - juris RdNr 9 zur insoweit vergleichbaren Nr 1243 KV). Dass hier zwei Streitgegenstände bestanden, wurde im Übrigen bereits bei der Streitwertbestimmung berücksichtigt, indem der 3. Senat sich am Rechtsgedanken der Wertaddition (§ 39 Abs 1 GKG) orientierte. Mit der Anmerkung zu Nr 7503 KV wird demgegenüber lediglich klargestellt, dass bei Stattgabe einer Nichtzulassungsbeschwerde keine Gebühr für das Beschwerdeverfahren entsteht (vgl zB Diehm in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl 2020, § 544 ZPO RdNr 37; Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl 2022, § 119 ZPO RdNr 3.21 und Heßler aaO § 544 RdNr 34; jeweils zu den insoweit vergleichbaren Gebührentatbeständen nach den Nr 1242, 1243 KV). Die Zulassung löst vielmehr eine Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren aus (§ 6 Abs 1 Satz 2 GKG).
7Bei ihrem weiteren Vorbringen unterstellt die Erinnerungsführerin, ihre Nichtzulassungsbeschwerde wäre bei Fortführung ihres Beschwerdeverfahrens erfolgreich gewesen. Allein aus der Zulassung der Revision für die Klägerin zu 2 lässt sich dies jedoch nicht folgern; deren Nichtzulassungsbeschwerde hatte wie ausgeführt einen anderen Streitgegenstand. Im Übrigen fiele eine Gebühr nach Nr 7503 KV selbst bei Rücknahme einer zulässigen und begründeten Nichtzulassungsbeschwerde an. Der Gebührentatbestand differenziert nicht nach der Erfolgsaussicht des zurückgenommenen Rechtsmittels.
8Anhaltspunkte für die Anwendung von § 21 Abs 1 Satz 1 GKG bestehen nicht.
92. Die Kostenentscheidung dieses Beschlusses beruht auf § 66 Abs 8 GKG. Hannes
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:240222BB5SF122S0
Fundstelle(n):
MAAAI-58297