Arbeitszeitkonto - Klage auf Zeitgutschrift
Leitsatz
Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden "gutzuschreiben", ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen.
Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 1 Ca 3101/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 7 Sa 39/09 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob dem Arbeitszeitkonto des Klägers 500 Stunden gutzuschreiben sind.
2Der Kläger ist seit Mai 2000 bei der Beklagten als Monteur beschäftigt. Seit ist er Mitglied der Industriegewerkschaft Metall. Die Beklagte trat mit Wirkung zum aus dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. aus. Bis zu diesem Zeitpunkt wandte sie auf alle Arbeitsverhältnisse unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden an.
Am schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag, in dem es ua. heißt:
Ab arbeitete der Kläger 40 Wochenstunden, während der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom (im Folgenden: MTV) eine tarifliche wöchentliche Arbeitszeit (ohne Pausen) von 35 Stunden vorsah.
5Mit Anwaltsschreiben vom forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm bis zum zu bestätigen, dass er für jede ab dem über 35 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeitsstunde eine entsprechende Bezahlung erhalte oder jede über 35 Stunden pro Woche geleistete Arbeitsstunde seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werde. Mit seiner der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger ua. geltend gemacht, seinem Arbeitszeitkonto seien für die Zeit vom bis zum insgesamt 600 Arbeitsstunden gutzuschreiben.
Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,
7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich zuletzt noch auf Verfall berufen. Der Kläger habe die sechsmonatige Ausschlussfrist des MTV nicht eingehalten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für die Zeit vom bis zum 500 Arbeitsstunden gutzuschreiben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger hat beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers in der Spalte „FLX“ erfolgen solle.
Gründe
9Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben.
10I. Die Klage ist mit der in der Revisionsinstanz nachgeholten Konkretisierung des Leistungsantrags zulässig.
11Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können (vgl. - Rn. 9, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 42 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 16; - 5 AZR 417/01 - AP EntgeltFG § 2 Nr. 10 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 4). Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen. Seit der vor dem Senat erfolgten Konkretisierung des Leistungsbegehrens (Gutschrift in der Spalte „FLX“) ist der Klageantrag hinreichend bestimmt.
12II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch, dass die vom bis zum über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit als Mehrarbeit auf seinem Arbeitszeitkonto in der Spalte „FLX“ verbucht wird. Dafür fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
131. Der Kläger hat in der Revisionsinstanz eine „Betriebsvereinbarung“ vom vorgelegt, die nach ihrem Einleitungssatz von der Beklagten „mit ihren Mitarbeitern, vertreten durch den Betriebsrat“ geschlossen wurde. Sollte es sich dabei um eine Betriebsvereinbarung iSd. Betriebsverfassungsgesetzes, also eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 77 Abs. 1 BetrVG) handeln, ergibt sich aus ihr kein Anspruch darauf, dass die über 35 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit auf den Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer als Mehrarbeit verbucht wird. Die Betriebsvereinbarung hält als Dauer der Arbeitszeit eine solche von wöchentlich 40 Stunden fest und regelt deren Lage und Verteilung (Ziff. 2. der Betriebsvereinbarung). Nur die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und der Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden wird in ein Arbeitszeitkonto übertragen (Ziff. 4. der Betriebsvereinbarung).
142. Ebenso wenig ergibt sich der Klageanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag vom .
15a) Nach Ziff. 4.3 des Arbeitsvertrags führt nur die über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit zum Aufbau eines Zeitguthabens. Vereinbart haben die Parteien eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, Ziff. 4.1 des Arbeitsvertrags. Selbst wenn diese Vereinbarung wegen beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1 und Abs. 3 TVG) nach § 4 Abs. 3 TVG unwirksam wäre, lässt sich aus Ziff. 4.3 des Arbeitsvertrags nicht herleiten, dass die Differenz zwischen vertraglicher und tariflicher Wochenarbeitszeit als Mehrarbeit auf dem Arbeitszeitkonto verbucht werden soll.
16b) Aus § 611 Abs. 1 BGB kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos haben, wenn dieses nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt (vgl. - Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Denn ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit nur in anderer Form seinen Vergütungsanspruch aus ( - Rn. 13, NZA 2010, 1241; - 5 AZR 470/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 256). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt damit voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen.
17c) Der Kläger hat entsprechend Ziff. 3.1 und 4.1 des Arbeitsvertrags vom im streitgegenständlichen Zeitraum Vergütung für 40 Arbeitsstunden wöchentlich erhalten. Ausgehend von den erteilten Lohnabrechnungen steht dies zwischen den Parteien außer Streit. Damit sind aber die Stunden, die laut Klageantrag auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers in der Spalte „FLX“ als Mehrarbeit verbucht werden sollen, von der Beklagten laufend vergütet worden. Daran ändert die - zugunsten des Klägers unterstellte - Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nach § 4 Abs. 3 TVG nichts. Der Kläger hat allenfalls für die wöchentlich „zu viel“ geleisteten Arbeitsstunden eine zu geringe Vergütung erhalten, sofern auch die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung - wozu es allerdings an Sachvortrag des Klägers fehlt - nach § 4 Abs. 3 TVG unwirksam sein sollte. Eine zu geringe Vergütung von geleisteten Arbeitsstunden begründet aber keinen Anspruch, diese Stunden auf einem Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit zu verbuchen, sondern nur auf Zahlung der Vergütungsdifferenz.
III. Unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts nach § 91a ZPO hinsichtlich des in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits haben von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz der Kläger 13/20 und die Beklagte 7/20 zu tragen, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der Revision hat der Kläger gemäß § 91 ZPO zu tragen.
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Fundstelle(n):
BAAAI-18780