Urheberrechtswahrnehmung durch Verwertungsgesellschaft: Abschluss eines neuen Gesamtvertrags für Tanz- und Ballettschulen; Darlegungs-und Beweislast der Verwertungsgesellschaft für Unangemessenheit der Vergütung im bisherigen Gesamtvertrag; Verteilung der Vergütung zwischen Musikurhebern und Leistungsschutzberechtigten
Gesetze: § 12 UrhWahrnG, § 16 UrhWahrnG
Instanzenzug: Az: 6 Sch 14/10 WG
Tatbestand
1Die Klägerin, die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), nimmt urheberrechtliche Leistungsschutzrechte und Beteiligungsansprüche von ausübenden Künstlern, Tonträgerherstellern und Musikvideoproduzenten wahr.
2Der Beklagte, der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik, ist ein Zusammenschluss von etwa 750 Ballett- und Bühnentanzlehrern. Zu seinen Mitgliedern gehören etwa 250 Ballettschulen. Deren wesentliche Tätigkeit besteht in der tänzerischen Früherziehung im Vorfeld einer Tanzausbildung für Berufstänzer und Tanzpädagogen; daneben bieten sie auch vereinzelt Kurse in aktuellen Stilrichtungen des Gesellschaftstanzes an. Im Rahmen des Ballettunterrichts und der Tanzkurse geben sie auf Tonträgern aufgenommene Musikdarbietungen ausübender Künstler öffentlich wieder.
3Zwischen der GEMA und dem Beklagten bestand ein Gesamtvertrag vom 22. Mai/. Darin erklärte die GEMA sich bereit, dem Beklagten und seinen Mitgliedern für Musiknutzungen im Unterricht der Ballettschulen die Vorzugsvergütungssätze des jeweils gültigen Tarifs für die Tonträgerwiedergabe von Werken des GEMA-Repertoires im künstlerisch-pädagogischen Tanzunterricht (GEMA-Tarif WR-T-BAL) einzuräumen. Die Mitglieder des Beklagten zahlten der GEMA auf dieser Grundlage die geschuldete Vergütung. Deren Höhe ist von der Zahl der Schüler und der Höhe des Unterrichtshonorars abhängig. Für die entsprechende Musiknutzung in Tanzkursen zahlten die Mitglieder des Beklagten die Vergütung nach dem Tarif für die Wiedergabe von Werken des GEMA-Repertoires in Kursen (GEMA-Tarif WR-KS). Diese betrug zuletzt 3,75% der erzielten Kurshonorare des Veranstalters.
4Für die Nutzung der von der Klägerin wahrgenommenen Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller und Musikvideoproduzenten haben die dem Beklagten angehörenden Tanzschulen ebenfalls eine Vergütung auf der Grundlage des zwischen der GEMA und dem Beklagten geschlossenen Gesamtvertrags gezahlt. Nach dessen Ziffer 7 erhöhen sich die Vergütungssätze des jeweiligen GEMA-Tarifs insoweit um einen 20%-igen Zuschlag für Rechnung der Klägerin.
5Zwischen der Klägerin und der GEMA bestand seit dem ein Inkassovertrag. Danach übernahm die GEMA für die Klägerin das Inkasso der Vergütung für die Wiedergabe von Tonträgern durch Erhebung eines Zuschlags von 20% zu den jeweiligen GEMA-Tarifen (Ziffer 1 des Inkassovertrags). Ferner war vereinbart, dass die dem Inkassovertrag zugrunde liegenden Tarifverträge von der Klägerin nur mit Zustimmung der GEMA gekündigt werden dürfen (Ziffer 2 des Inkassovertrags).
6Die Klägerin hat die bestehenden Gesamtverträge mit Wirkung zum gekündigt, soweit diese sich auf die GEMA-Tarife WR-T-BAL (Ballettschulen) und WR-KS (Tanzschulen) beziehen.
7Zugleich hat die Klägerin mit der GEMA mit Wirkung ab dem eine neue Inkassovereinbarung getroffen. Danach übernimmt die GEMA weiterhin das Inkasso hinsichtlich der von der Klägerin wahrgenommenen Rechte gemäß den Tarifen und Gesamtverträgen der Klägerin (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Inkassovereinbarung). Allerdings ist nunmehr vereinbart, dass die GEMA und die Klägerin in der Gestaltung ihrer Tarife ebenso frei sind wie bei Abschluss und Kündigung von Gesamtverträgen hinsichtlich ihrer eigenen Tarife, ohne dass wechselseitig ein Zustimmungs- oder Vetorecht besteht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 der Inkassovereinbarung).
8Die Klägerin erstrebt mit ihrer Klage die Festsetzung eines Gesamtvertrags mit dem Beklagten über die Vergütung für die Nutzung des Repertoires der Klägerin in Kursen (Geltungsbereich des GEMA-Tarifs WR-KS) und in Ballettschulen (Geltungsbereich des GEMA-Tarifs WR-T-BAL). Sie ist der Ansicht, der bisherige 20%-ige Zuschlag auf die GEMA-Tarife WR-KS und WR-T-BAL zur Abgeltung der von ihr wahrgenommenen Vergütungsansprüche der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller und Musikvideoproduzenten sei unangemessen und auf einen 100%-igen Zuschlag zu erhöhen, weil die Leistungen der Leistungsschutzberechtigten und der Urheber gleichwertig seien.
9Die Klägerin hat - nach Durchführung des in § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, § 16 Abs. 1 UrhWG vorgesehenen Verfahrens vor der Schiedsstelle (Einigungsvorschlag vom - Sch-Urh 27/09) - beantragt, zwischen der Klägerin und dem Beklagten einen Gesamtvertrag hinsichtlich der Vergütung für die Nutzung des Repertoires der Klägerin in Kursen (Geltungsbereich des GEMA-Tarifs WR-KS) und in Ballettschulen (Geltungsbereich des GEMA-Tarifs WR-T-BAL) festzusetzen, der zur - allein streitigen - Vergütung folgende Regelung enthält:
Die Vergütung für die der GVL zustehenden Rechte und Vergütungsansprüche für die öffentliche Wiedergabe von Bild-/Tonträgern beträgt 100% der GEMA-Tarife WR-KS und WR-T-BAL in der jeweils gültigen Fassung. Sollten die GEMA-Tarife WR-KS und WR-T-BAL seitens der GEMA geändert werden, gilt der jeweils geänderte Tarif als vereinbarte Grundlage, es sei denn, die Änderung führt zu Vergütungsminderungen. In diesem Fall gelten die genannten GEMA-Tarife in der für das Jahr 2008 gültigen Fassung als Grundlage. Der Vergütung ist die jeweils gültige Mehrwertsteuer hinzuzurechnen.
10Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er ist der Ansicht, der bisherige Zuschlag von 20% auf die GEMA-Tarife WR-T-BAL und WR-KS sei angemessen.
11Das Oberlandesgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage zwischen der Klägerin und dem Beklagten einen Gesamtvertrag hinsichtlich der Vergütung für die Nutzung des Repertoires der Klägerin in Kursen (Geltungsbereich des GEMA-Tarifs WR-KS) und in Ballettschulen (Geltungsbereich des GEMA-Tarifs WR-T-BAL) festgesetzt, der folgende Vergütungsregelung enthält:
Die Vergütung für die Nutzung der von der GVL wahrgenommenen Rechte in Form der öffentlichen Wiedergabe von Bild-/Tonträgern beträgt 30% der GEMA-Tarife WR-KS und WR-T-BAL in der jeweils gültigen Fassung. Sollten die GEMA-Tarife WR-KS und WR-T-BAL seitens der GEMA geändert werden, gilt der jeweils geänderte Tarif als vereinbarte Grundlage. Der Vergütung ist die jeweils gültige Mehrwertsteuer hinzuzurechnen. Im Gegenzug erhalten die Mitglieder des Vertragspartners die von der GVL wahrgenommenen Rechte im Anwendungsbereich der GEMA-Tarife WR-KS und WR-T-BAL.
12Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter. Der ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Klägerin beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Gründe
13I. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die von den Mitgliedern des Beklagten für die Nutzung des Repertoires der Klägerin zu entrichtende Vergütung sei (nur) auf einen Zuschlag von 30% auf die GEMA-Tarife WR-T-BAL und WR-KS in der jeweils geltenden Fassung zu erhöhen. Dazu hat es ausgeführt:
14Eine von den Beteiligten in der Vergangenheit unbeanstandet praktizierte Regelung biete einen Anhaltspunkt für ihre Angemessenheit. Daher begründe der Umstand, dass die Klägerin von dem Beklagten seit dem Jahr 1992 entsprechend dem seinerzeit mit der GEMA geschlossenen Vertrag eine Vergütung für die Nutzung ihres Repertoires in Höhe eines Zuschlags von 20% auf die GEMA-Tarife WR-T-BAL und WR-KS beansprucht und erhalten habe, ein gewichtiges Indiz für die Angemessenheit dieser Vergütung. Es könne nicht angenommen werden, dass diese Vereinbarung auf einer Zwangslage der Klägerin beruht habe. Die Klägerin habe zwar vorgetragen, sie sei im Jahr 1992 und noch bis zum Jahr 2008 gezwungen gewesen, auf die diskriminierenden Bedingungen der GEMA einzugehen, weil sie auf das Inkasso der Vergütung durch die GEMA angewiesen gewesen sei. Sie habe diese pauschale Behauptung jedoch nicht hinreichend konkretisiert.
15Wegen der namentlich in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich gewachsenen medialen Präsenz ausübender Künstler sei allerdings eine Anhebung der Vergütungssätze auf einen Zuschlag in Höhe von 30% der GEMA-Tarife WR-T-BAL und WR-KS gerechtfertigt. Eine weiterreichende Erhöhung der Vergütung könne die Klägerin indessen nicht beanspruchen. Eine solche Erhöhung sei auch nicht im Blick auf eine von der Klägerin behauptete Steigerung der Einnahmen ausübender Künstler aus der öffentlichen Wiedergabe von Musik in anderen Ländern gerechtfertigt. Ferner komme ein Vergleich mit den Vergütungsregelungen für die Kabelweitersendung, den Hörfunk und die mechanischen Rechte nicht in Betracht.
16II. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da der Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. , BGHZ 37, 79, 81; Urteil vom - I ZR 34/12, GRUR 2014, 298 Rn. 14 = WRP 2014, 164 - Runes of Magic).
17III. Die Revision hat Erfolg.
181. Nach § 12 UrhWG ist die Klägerin als Verwertungsgesellschaft verpflichtet, mit dem Beklagten einen Gesamtvertrag zu angemessenen Bedingungen über die von ihr wahrgenommenen Rechte und Ansprüche abzuschließen. Nachdem sich die Parteien über den Abschluss eines solchen Gesamtvertrags nicht geeinigt hatten, konnte jeder Beteiligte - also nicht nur der nach § 12 UrhWG anspruchsberechtigte Beklagte, sondern auch die Klägerin (vgl. , GRUR 2001,1139, 1142 = WRP 2001, 1345 - Gesamtvertrag privater Rundfunk, mwN) - nach vorausgegangener Anrufung der Schiedsstelle (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, § 16 Abs. 1 UrhWG) vor dem für den Sitz der Schiedsstelle zuständigen Oberlandesgericht, also vor dem Oberlandesgericht München, Klage auf Festsetzung des Gesamtvertrags erheben (§ 16 Abs. 1 und 4 UrhWG).
192. Die Festsetzung eines Gesamtvertrags durch das Oberlandesgericht erfolgt nach billigem Ermessen (§ 16 Abs. 4 Satz 3 UrhWG). Sie ist eine rechtsgestaltende Entscheidung, für die dem Oberlandesgericht ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt ist. Sie kann vom Revisionsgericht - abgesehen von gerügten Verfahrensverstößen - nur darauf überprüft werden, ob das Oberlandesgericht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat; das ist dann nicht der Fall, wenn das Oberlandesgericht den Begriff der Billigkeit verkannt oder die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat oder von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat (vgl. BGH, GRUR 2001, 1139, 1142 - Gesamtvertrag privater Rundfunk, mwN).
203. Nach diesen Maßstäben hält die Festsetzung der Vergütung für die Nutzung des Repertoires der Klägerin im Ballettunterricht und in Tanzkursen auf 30% der Tarife WR-KS und WR-T-BAL einer Nachprüfung nicht stand.
21a) Die Revision rügt allerdings ohne Erfolg, dass das Oberlandesgericht die zwischen den Parteien in der Vergangenheit gemäß dem Gesamtvertrag von 1992 praktizierte Vergütungsregelung als Indiz für ein in der Vergangenheit angemessenes Entgelt angesehen und als einen wesentlichen Parameter bei der Ermittlung der jetzt angemessenen Vergütung berücksichtigt hat. Das Oberlandesgericht hat seiner Bemessung der Vergütung ohne Rechtsfehler die von den Parteien mehr als 16 Jahre lang praktizierte Vergütungsregelung des bisherigen Gesamtvertrags zugrunde gelegt, wonach für die öffentliche Wiedergabe von Tonträgern im Ballettunterricht und in Tanzkursen eine Vergütung in Höhe eines Zuschlags von 20% auf die GEMA-Tarife WR-T-BAL und WR-KS in ihrer jeweils gültigen Fassung zu zahlen war.
22aa) Es entspricht billigem Ermessen, wenn sich das Oberlandesgericht bei der Festsetzung einer Vergütung im Rahmen eines Gesamtvertrags an früheren Gesamtverträgen der Parteien über vergleichbare Nutzungen orientiert (vgl. BGH, GRUR 2001, 1139, 1142 - Gesamtvertrag privater Rundfunk). Das gilt erst recht, wenn es sich - wie hier - um dieselben Nutzungen handelt.
23bb) Das Oberlandesgericht ist weiter mit Recht davon ausgegangen, der Umstand, dass die Klägerin von dem Beklagten seit dem Jahr 1992 entsprechend dem seinerzeit mit der GEMA geschlossenen Vertrag eine Vergütung für die Nutzung ihres Repertoires in Höhe eines Zuschlags von 20% auf die GEMA-Tarife WR-T-BAL und WR-KS beansprucht und erhalten habe, begründe ein gewichtiges Indiz für die Angemessenheit dieser Vergütung. Der Abschluss des bisherigen Gesamtvertrags im Jahre 1992 und die vorbehaltlose Zahlung bzw. Entgegennahme der vereinbarten Vergütung über einen Zeitraum von mehr als 16 Jahren bis zur Beendigung dieses Gesamtvertrags begründen die Vermutung, dass die vereinbarte Vergütung nach der übereinstimmenden Auffassung der Vertragsparteien im Sinne von § 12 UrhWG angemessen war. Dies rechtfertigt es, der Klägerin, die nach der Beendigung des bisherigen Gesamtvertrags eine Erhöhung der Vergütung begehrt, die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung aufzuerlegen, die vereinbarte Vergütung sei von Anfang an unangemessen gewesen (vgl. , GRUR 2013, 1037 Rn. 41 = WRP 2013, 1357 - Weitergeltung als Tarif).
24cc) Das Oberlandesgericht hat angenommen, die von der Klägerin vorgetragenen Umstände rechtfertigten nicht die Annahme, dass die im bisherigen Gesamtvertrag zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung in der Vergangenheit unangemessen gewesen sei. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Rügen der Revision haben keinen Erfolg.
25(1) Die Revision rügt, das Oberlandesgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin die Tarifverträge gemäß Ziffer 2 des Inkassovertrags nur mit Zustimmung der GEMA habe kündigen dürfen. Es habe ferner den Vortrag der Klägerin übergangen, wonach die bereits seit dem Jahr 1947 tätige GEMA gegenüber der erst im Jahr 1959 gegründeten Klägerin nicht zuletzt deshalb über eine übermächtige Verhandlungsposition verfügt habe, weil sie als einziges Unternehmen in Deutschland für den Musikbereich über ein umfassend funktionierendes Inkassosystem verfügt habe. Die Klägerin habe daher ihre Vergütungsvorstellungen seinerzeit nicht durchsetzen können; sie habe vielmehr das hinnehmen müssen, was die GEMA ihr zugestanden habe. Die GEMA habe indessen die Durchsetzung der Vergütungsansprüche der ausübenden Künstler von Anfang an bekämpft; sie habe ihre Einnahmen aus der öffentlichen Wiedergabe von Musik auf Tonträgern nicht mit ihnen teilen wollen. Die schwache Verhandlungsposition der Klägerin gegenüber der GEMA habe auch noch Anfang der 1990-er Jahre bestanden.
26(2) Das Oberlandesgericht hat das von der Revision als übergangen gerügte Vorbringen der Klägerin berücksichtigt. Es hat jedoch angenommen, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die im Jahre 1992 getroffene Vereinbarung auf einer Zwangslage der Klägerin beruht habe. Die Klägerin habe zwar vorgetragen, sie sei im Jahr 1992 und noch bis zum Jahr 2008 gezwungen gewesen, auf die diskriminierenden Bedingungen der GEMA einzugehen, weil sie auf das Inkasso der Vergütung durch die GEMA angewiesen gewesen sei. Sie habe diese pauschale Behauptung jedoch nicht hinreichend konkretisiert. Danach widerlegen die von der Klägerin vorgetragenen Umstände nicht die Vermutung, dass die Parteien die Vergütungsregelung im bisherigen Gesamtvertrag für angemessen gehalten haben. Mit ihrer abweichenden Beurteilung versucht die Revision, die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler des Oberlandesgerichts aufzuzeigen.
27b) Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Oberlandesgericht die von den Mitgliedern des Beklagten für die Nutzung des Repertoires der Klägerin zu entrichtende Vergütung nur auf einen Zuschlag von 30% auf die GEMA-Tarife WR-T-BAL und WR-KS in ihrer jeweils geltenden Fassung festgesetzt hat.
28aa) Bei der hier in Rede stehenden Festsetzung eines prozentualen Zuschlagtarifs stellt sich allein die Frage, welchen prozentualen Anteil der von den Mitgliedern des Beklagten mit der öffentlichen Wiedergabe von auf Tonträgern aufgenommenen Musikdarbietungen ausübender Künstler in Tanzkursen erzielten Vergütung die Klägerin für die Nutzung der Leistungsschutzrechte beanspruchen kann und welcher prozentuale Anteil dieser Vergütung der GEMA für die Nutzung der Urheberrechte zusteht. Für die Festsetzung des Zuschlagtarifs kommt es daher allein darauf an, zu welchen Anteilen die erzielte Vergütung auf der Verwertung der Werke der Urheber einerseits und der Leistungen der Leistungsschutzberechtigten andererseits beruht.
29Eine Erhöhung des Zuschlagtarifs ist demnach nur gerechtfertigt, wenn die mit der öffentlichen Wiedergabe von auf Tonträgern aufgenommenen Musikdarbietungen ausübender Künstler im Ballettunterricht und in Tanzkursen erzielten Kurshonorare des Veranstalters im Vergleich zu den Zeiten der Geltung des beendeten Gesamtvertrags zu einem größeren Anteil auf der Verwertung der Leistungsschutzrechte und zu einem entsprechend kleineren Teil auf der Verwertung der Urheberrechte beruhen. Dagegen kommt es für die Erhöhung des Zuschlagtarifs nicht darauf an, ob die erzielten Kurshonorare des Veranstalters heute mehr als früher auf diese Art der Musiknutzung als auf andere Umstände zurückzuführen sind.
30bb) Nach Ansicht des Oberlandesgerichts rechtfertigt die namentlich in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich gewachsene mediale Präsenz ausübender Künstler, zu der das Musikvideo und dessen Verbreitung über das Internet wesentlich beigetragen hätten, (nur) eine Anhebung der Vergütungssätze auf einen Zuschlag in Höhe von 30% der GEMA-Tarife WR-T-BAL und WR-KS.
31Die Revision rügt ohne Erfolg, das Oberlandesgericht hätte bei zutreffender Beurteilung den von ihm festgestellten Bedeutungszuwachs der Leistung ausübender Künstler für den wirtschaftlichen Wert von Unterhaltungsmusik auch hinsichtlich der Wiedergabe solcher Musik in Tanzschulen uneingeschränkt berücksichtigen müssen und die tariflichen Vergütungssätze daher wie von der Klägerin beantragt auf 100% der GEMA-Tarife WR-T-BAL und WR-KS anheben müssen.
32Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts schlägt sich eine gesteigerte Bedeutung der Interpreten gegenüber den Komponisten bei der Musiknutzung in Tanzkursen und im Ballettunterricht nicht uneingeschränkt nieder. Danach werden in Tanzkursen musikalische Darbietungen eingesetzt, die vornehmlich auf die Erfordernisse des jeweiligen Kursprogramms in Bezug auf Takt, Rhythmus usw. abgestimmt sind. Der Ballettunterricht ist in erster Linie auf präzise Körperbeherrschung ausgerichtet und kurzlebigen Moden des Zeitgeistes in noch geringerem Maße unterworfen. Das Oberlandesgericht hat ferner - in anderem Zusammenhang - festgestellt, in Tanzschulen stehe die tanzpädagogische Anleitung und Unterstützung der Schüler bei der Einstudierung und Koordination einzelner Bewegungen und Tanzschritte im Vordergrund. Als Hilfsmittel hierfür sei zwar eine hinsichtlich ihrer musikalischen Struktur geeignete Komposition unerlässlich. Der Interpret der Komposition sei dagegen regelmäßig austauschbar. Er trage angesichts seiner nachrangigen Bedeutung nur in untergeordnetem Umfang zum wirtschaftlichen Erfolg bei. Im Ballettunterricht würden - neben der Live-Klavierbegleitung - vornehmlich Aufnahmen eingesetzt, die von gänzlich unbekannten Interpreten gezielt für diesen Verwendungszweck eingespielt worden seien.
33Entgegen der Ansicht der Revision betreffen die vom Oberlandesgericht angeführten Umstände nicht in gleicher Weise die Urheberrechte der Komponisten, sondern in erster Linie die Leistungsschutzrechte der Interpreten. Steht der Interpret des Musikstücks in Tanzkursen und erst recht im Ballettunterricht in der Regel nicht im Vordergrund, ist die Annahme des Berufungsgerichts, eine gewachsene Bekanntheit ausübender Künstler wirke sich bei der Wiedergabe von Musik in Tanzkursen und im Ballettunterricht nicht uneingeschränkt aus, entgegen der Ansicht der Revision frei von Widersprüchen. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Umstand, dass der Interpret des Musikstücks in Tanzkursen und im Ballettunterricht nicht im Vordergrund steht - wie die Revision weiter geltend macht - bereits in die frühere Tarifierung eingeflossen ist. Das ändert nichts daran, dass dieser Umstand auch bei der jetzigen Tarifierung zu berücksichtigen ist.
34cc) Die Revision rügt ferner ohne Erfolg, das Oberlandesgericht habe es zu Unrecht abgelehnt, bei der Frage nach der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten im Ausland geltende Tarife in seine Beurteilung einzubeziehen.
35Entgegen der Ansicht der Revision kann nicht angenommen werden, das Oberlandesgericht habe den Vortrag der Klägerin zur Gleichwertigkeit der Urheberrechte und Leistungsschutzrechte in mehreren europäischen Ländern übersehen. Das Oberlandesgericht hat das Vorbringen der Klägerin zu den Einnahmen aus der öffentlichen Wiedergabe in anderen europäischen Ländern berücksichtigt. Es hat allerdings angenommen, ohne Darlegung der jeweils geltenden Tarifsysteme wie auch der zugrundeliegenden Struktur der Verwertungen, insbesondere ohne jeglichen Bezug zu der in Rede stehenden Nutzung musikalischer Darbietungen in Ballettschulen und Tanzkursen, blieben die Angaben ohne jede Aussagekraft; sie könnten daher keine verlässliche Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit der im Streitfall festzusetzenden Vergütung bieten. Die Revision zeigt nicht auf, dass diese Beurteilung rechtsfehlerhaft ist.
36dd) Das Oberlandesgericht hat weiter angenommen, eine Anhebung der Vergütung der Leistungsschutzberechtigten komme auch nicht im Hinblick auf die Vergütungsregelungen für die Kabelweitersendung, den Hörfunk und die mechanischen Rechte in Betracht. Die vom Oberlandesgericht für diese Annahme gegebene Begründung vermag nicht in allen Punkten zu überzeugen.
37Die Revision wendet sich zwar ohne Erfolg gegen die Annahme des Oberlandesgerichts, der Verweis auf die Vergütungsregelungen für die mechanischen Rechte könne das Erhöhungsverlangen der Klägerin nicht rechtfertigen, weil der Interpret des auf Tonträger aufgenommenen Musikstücks bei der Wiedergabe von Musik in Tanzkursen und im Ballettunterricht - anders als möglicherweise bei den mechanischen Rechten - nicht im Vordergrund stehe (vgl. Rn. 30 bis 33). Mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung kann jedoch ein Vergleich mit den Vergütungsregelungen für die Kabelweitersendung und den Hörfunk nicht abgelehnt werden.
38Das Oberlandesgericht hat gemeint, ein solcher Vergleich liege nicht nahe, weil die Intensität der Musiknutzung unterschiedlich sei. Im Ballettunterricht oder in Tanzkursen werde die Musik nur als Hilfsmittel für die Einstudierung bestimmter Bewegungen durch eine überschaubare Anzahl von Personen verwandt; dagegen würden die Musiktitel über Kabel oder Rundfunk an eine anonyme Masse verbreitet.
39Eine unterschiedliche Intensität der Musiknutzung bei verschiedenen Verwertungsvorgängen im Bereich der öffentlichen Wiedergabe von Musik auf Tonträgern ist zwar für die Höhe der von den Verwertern zu zahlenden Vergütung von Bedeutung; sie spielt aber für die Verteilung dieser Vergütung zwischen Musikurhebern einerseits und ausübenden Künstlern und sonstigen Leistungsschutzberechtigten andererseits keine Rolle. Für die Verteilung der Vergütung zwischen diesen Berechtigten kommt es vielmehr darauf an, inwieweit die Vergütung auf die Verwertung ihrer jeweiligen Werke und Leistungen entfällt. Das Oberlandesgericht hat nicht festgestellt, dass zwischen der Verwertung von Musik im Wege der Kabelweitersendung und des Hörfunks einerseits und durch Wiedergabe im Ballettunterricht und in Tanzkursen andererseits Unterschiede bestehen, die eine andere Verteilung der auf die Nutzung der Musik entfallenden Einnahmen zwischen den Leistungsschutzberechtigten und den Urhebern rechtfertigen.
40IV. Auf die Revision der Klägerin ist das Urteil des Oberlandesgerichts danach im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als hinsichtlich der Höhe der Vergütung zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Fundstelle(n):
WAAAI-14097