Kommanditgesellschaft: Inanspruchnahme eines Mitgesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften
Gesetze: § 171 Abs 1 HGB, § 172 Abs 4 HGB
Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 3 U 78/12vorgehend LG Bamberg Az: 1 O 24/11 Urteilnachgehend OLG Bamberg Az: 3 U 78/12 Urteil
Tatbestand
1Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesellschafterin sowie Darlehensgeberin der im Jahr 1992 gegründeten „E. - KG (GmbH & Co.)“ (im Folgenden: KG), einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erworbenen Immobilie ist. Die Beklagte ist an der KG seit 1993 als Kommanditistin beteiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Verlustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Ausschüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Kommanditisten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen Darlehenszinsverbindlichkeiten der KG in Anspruch.
2Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in § 3 Nr. 7 folgende Regelung:
„Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesellschaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungsverpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschussverpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation. Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern gemäß §§ 171 ff. HGB unberührt.“
3Auf Seite 24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik „Rechtsform und Haftung“ folgende Hinweise:
4„…Soweit die Haftung beschränkt ist, besteht keine Nachschusspflicht, was insbesondere für die Fremdfinanzierung gilt.
5Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeitraum erwirtschafteten Gewinne und führen gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Auszahlungen.“
6Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der KG ursprünglich für den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise vermieten ließ, geriet die KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der KG zur Vermeidung der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/ ein Folgedarlehen in Höhe von 35 Mio. €, mit dem die noch offene Teilforderung aus dem ersten Darlehen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs- und Zinsraten stundete die Klägerin immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die KG ihre Kommanditisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin erhaltenen Auszahlungen. Die Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.
7Nach der Behauptung der Klägerin besteht eine Verbindlichkeit der KG in Höhe von 412.393,30 € nicht von der Stundung umfasster Darlehenszinsen. Die KG habe die Erfüllung verweigert. Von anderen Kommanditisten geleistete Zahlungen seien verrechnet.
8Die auf Zahlung von 8.883,70 € gerichtete Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Gründe
9Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
10I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
11Einem Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten stehe die Regelung in § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Die Klausel enthalte einen umfassenden Haftungsausschluss, der auch Ansprüche von Gesellschaftern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen die Gesellschaft hätten, gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB umfasse. Der potentielle Anleger habe durch ein überschaubares Haftungsrisiko zum Beitritt zur KG bewegt werden sollen.
12II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Anspruch der Klägerin aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ist nicht durch die Regelung in § 3 Nr. 7 Satz 1 GV ausgeschlossen.
131. Diese Feststellung kann der Senat selbst treffen, weil Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften objektiv auszulegen sind (st. Rspr.; vgl. , ZIP 2007, 812 Rn. 18; Urteil vom - II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 8; Urteil vom - II ZR 153/09, ZIP 2011, 1906 Rn. 11; Urteil vom - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 13 mwN). Dabei unterliegen die Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unabhängig davon, ob die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB eingreift, einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (, ZIP 2001, 243, 244; Urteil vom - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14 mwN). Hieraus folgt in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen (, ZIP 2004, 2095, 2097 f.; Urteil vom - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14).
142. Danach ist § 3 Nr. 7 Satz 1 GV (nur) im Sinne einer Klarstellung auszulegen, dass die Kommanditisten lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB abweichende Vereinbarung einer Nachschusspflicht getroffen wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-Gläubigers gegen seine Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB sind durch die Regelung dagegen nicht ausgeschlossen, ohne dass insoweit Zweifel im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB bestehen würden.
15Die Worte „irgendwelche Zahlungsverpflichtungen“ und „Haftungen“ sprechen nicht dafür, dass die Haftung der Kommanditisten soweit wie möglich eingeschränkt werden sollte und damit jegliche Ansprüche der Gesellschafter untereinander ausgeschlossen sein sollten, auch wenn es sich um die Haftung für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter handelt, die von der Gesellschafterstellung des Gläubigers an sich unabhängig ist und ebenso gegenüber einem Dritten hätte bestehen können.
16Ein solcher möglichst weitreichender Haftungsausschluss der Kommanditisten lässt sich schon deshalb der Klausel nicht entnehmen, weil § 3 Nr. 7 Satz 1 GV Zahlungsverpflichtungen und Haftungen nur insoweit ausschließt, als sie „über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen“. Die Bestimmung könnte deshalb selbst bei dem vom Berufungsgericht vertretenen Verständnis nur dann zu dem gewünschten Erfolg führen, wenn man zugleich annimmt, dass die anfängliche Leistung der Einlage zum Ausschluss sämtlicher Ansprüche ausreiche und eine spätere Rückgewähr der Einlage oder Ausschüttungen, die nicht durch Gewinne gedeckt sind, unschädlich seien. Anderenfalls würde die Privilegierung erheblich relativiert und könnte den Anlegern des fraglichen Immobilienfonds gerade nicht nützen, da es von vornherein geplant war, dass sie Verlustzuweisungen und gewinnunabhängige Ausschüttungen erhalten. Eine solche Auslegung würde aber der gesetzlichen Systematik in § 172 Abs. 4 HGB widersprechen, welche die anfängliche Nichtleistung und die nachträgliche Rückzahlung gleichstellt. Es spricht deshalb einiges dafür, dass auch in der gesellschaftsvertraglichen Bestimmung mit „Verpflichtung zur Leistung der … Kommanditbeteiligung“ die dauerhafte Leistung der Einlage gemeint ist.
17Außerdem wäre es wenig zweckmäßig im Interesse einer möglichst umfassenden Privilegierung der Kommanditisten, die Haftung gegenüber jeglichen Dritten im Gesellschaftsvertrag zu verneinen, da ein solcher Ausschluss ohne Billigung des Dritten im Außenverhältnis unwirksam ist. Der Ausschluss hätte daher alleinige Bedeutung gegenüber einem Gesellschafter-Gläubiger und hätte dann sogleich auf diesen, namentlich die Rechtsvorgängerin der Klägerin als von Anfang an bekannte Hauptgläubigerin, zugeschnitten formuliert werden können.
18Zudem enthält die Bestimmung in Satz 1 den Begriff „Ausschluss“ nicht. Vielmehr heißt es, dass Kommanditisten keine Verpflichtungen „übernehmen“. Dies spricht schon vom Wortlaut her dafür, dass es nicht darum geht, Ansprüche auszuschließen, die ohne eine entsprechende Vereinbarung kraft Gesetzes bestehen, sondern lediglich klarzustellen, dass über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus keine zusätzlichen Ansprüche begründet werden. Dies passt wiederum dazu, dass die Nachschusspflicht gegenüber der Gesellschaft namentlich genannt wird, die nur gilt, wenn sie in Abweichung zu § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB vereinbart wird.
19Der Hinweis auf die weiterhin geltende gesetzliche Haftung nach §§ 171 ff. HGB gegenüber Gesellschaftsgläubigern in Satz 3 würde bei der vom Berufungsgericht vertretenen Auslegung nur für dritte Gläubiger Bedeutung haben, nicht aber für Gesellschafter-Gläubiger. Dem Wortlaut lässt sich das jedoch nicht entnehmen. Eine Unterscheidung der beiden Gruppen von Gläubigern wäre naheliegend gewesen, zumal in Satz 1 Gesellschafter und Dritte gesondert genannt werden.
20Nimmt man bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergänzend die Ausführungen im Emissionsprospekt in den Blick, wird deutlich, dass mit Satz 1 der Bestimmung lediglich bestätigt wird, dass die Kommanditisten nur in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB abweichende Nachschusspflicht vereinbart wurde. Wäre stattdessen eine so weitgehende Privilegierung der Kommanditisten beabsichtigt gewesen, wie sie das Berufungsgericht annimmt, wäre es naheliegend gewesen, dies im Prospekt zu erwähnen. Das Berufungsgericht sieht den Grund für die behauptete Privilegierung darin, Anleger für den Fonds zu interessieren. Diese sollten durch möglichst günstige Bedingungen für eine Beteiligung gewonnen werden. Dann aber wären diese Vorzüge im Prospekt hervorgehoben worden. Der Prospekt weist dagegen auf Seite 24 lediglich darauf hin, dass keine Nachschusspflicht besteht, soweit die Haftung beschränkt ist. Dies soll insbesondere auch für die Fremdfinanzierung gelten. Die Ausführungen stehen im Zusammenhang mit vorherigen Hinweisen zur unbeschränkten Haftung vor Eintragung im Handelsregister. Im nächsten Absatz wird darauf hingewiesen, dass die Auszahlungen die Gewinne übersteigen werden und die beschränkte Kommanditistenhaftung deshalb gemäß § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt. Dass dies gerade im Verhältnis zur Rechtsvorgängerin der Klägerin als größter Gläubigerin der KG, die auch von Anfang an feststand, nicht gelten und die Haftung hier nicht wieder aufleben sollte, wird im Prospekt an keiner Stelle erwähnt, obwohl dies für die Anleger eine erhebliche Verbesserung ihrer Stellung bedeutet hätte.
21III. Eine abschließende Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO ist nicht möglich, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und in welcher Höhe eine fällige Forderung der Klägerin gegen die KG besteht, für die die Beklagte in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen einstehen muss. Ferner fehlen Feststellungen zu dem von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinn. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat weist ergänzend auf seine Ausführungen in dem in einem Parallelverfahren am heutigen Tag ergangenen Urteil (II ZR 310/12, juris) hin.
Strohn Reichart Drescher
Born Sunder
Fundstelle(n):
BAAAI-11930