BGH Beschluss v. - 2 StR 60/12

Körperverletzung: Tritte und Schläge gegen den Kopf als lebensgefährdende Behandlung; Hervorrufen von Angst als Taterfolg

Gesetze: § 223 Abs 1 StGB, § 224 Abs 1 Nr 5 StGB, § 261 StPO, § 264 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 113 KLs 16/10 - 104 Js 13/09

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung in sieben Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung in zwölf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, und wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es der Nebenklägerin unter Absehen von einer weiter gehenden Entscheidung über die Adhäsionsklage ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 € zugesprochen. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge sowie die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufgrund der Sachrüge Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den Feststellungen schlug und trat der Angeklagte die Nebenklägerin am Morgen eines Tages im Zeitraum zwischen dem 30. August und Anfang September 2008 aus nichtigem Anlass. Sie flüchtete ins Badezimmer und kauerte sich am Boden zusammen. Der Angeklagte setzte ihr nach und trat ihr mehrfach gegen den Kopf, so dass diese gegen die Badewanne stieß. Dadurch wurde es der Nebenklägerin schwindelig und sie erlitt eine blutende Verletzung am Ohr. Es folgten weitere Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht der Geschädigten (Fall B.I.4 der Urteilsgründe). Am prügelte der Angeklagte im Schlafzimmer auf die Nebenklägerin ein und trat sie. Dadurch wurde sie mehrfach mit dem Kopf gegen die Metallverstrebung des Bettes und gegen die Wände des Schlafzimmers gestoßen. Außerdem riss der Angeklagte ihr Haare aus (Fall B.I.10). An einem Tag Ende Januar 2009 fesselte der Angeklagte die Nebenklägerin an einen Stuhl, indem er ihre Hände mit einem Tuch hinter der Lehne des Stuhls sowie ihre Beine zusammenband. Außerdem knebelte er sie. Er drohte ihr an, ihr den Finger zu brechen, mit dem sie seine Telefonanrufe weggedrückt habe. Die Nebenklägerin geriet dadurch in Panik, zitterte und weinte. Der Angeklagte ließ die Nebenklägerin einige Minuten gefesselt, ohne seine Drohung umzusetzen; dann band er sie los (Fall B.I.15).

II.

3Die Handlungen in den Fällen B.I.4 und B.I.10 hat das Landgericht ohne nähere Erläuterung als gefährliche Körperverletzung, die Handlung im Fall B.I.15 als vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung bewertet. Dies begegnet rechtlichen Bedenken.

41. Es ist nicht nachzuvollziehen, welchen Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 StGB das Landgericht in den Fällen B.I.4 und B.I.10 heranziehen wollte, weil das Landgericht keine ausdrückliche Subsumtion vorgenommen hat. Das Wertungsergebnis liegt auch nicht ohne weiteres auf der Hand.

5§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB greift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ein, wenn der Täter das Opfer gegen einen unbeweglichen Gegenstand bewegt (vgl. BGHSt 22, 235, 236; BGH NStZ-RR 2005, 75).

6Danach kommt als Qualifikationsgrund in den genannten Fällen nur die Begehung der Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB in Betracht. Tritte oder heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung darstellen (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 105/07). Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können. Ob das hier der Fall war, wird aus den Urteilsfeststellungen nicht abschließend deutlich.

7Erforderlich ist zudem ein Vorsatz des Täters zur Herbeiführung einer derartigen potenziellen Lebensgefahr (vgl. BGHSt 19, 352 f.). Dazu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.

82. Im Fall B.I.15 hat das Landgericht den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) durch die Fesselung der Nebenklägerin nicht näher erläutert. Eine körperliche Misshandlung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB ist eine üble, unangemessene Behandlung, die zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlempfindens oder der körperlichen Unversehrtheit führt. Das körperliche Wohlempfinden kann nicht allein durch psychische Reaktionen beeinträchtigt werden (vgl. BGH NStZ 1997, 123, 124), so dass das Hervorrufen von Angst nicht als Taterfolg im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ausreicht. Bedrohungs- oder Einschüchterungshandlungen dürfen sich hinsichtlich der Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens nicht nur auf das seelische Gleichgewicht auswirken, sondern sie müssen auch die körperliche Verfassung des Opfers betreffen (vgl. BGH NStZ 1986, 166). Ob dies hier der Fall war, bleibt nach den getroffenen Feststellungen zumindest unklar. Zudem muss der Körperverletzungserfolg vom Vorsatz des Täters umfasst sein. Dazu verhalten sich die Urteilsfeststellungen nicht. Eine Erläuterung der rechtlichen Bewertung fehlt.

9Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung, die für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellt und beurteilt wurde, kann danach ebenfalls keinen Bestand haben.

103. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs und des Ausspruchs über die Einzelstrafen in den Fällen B.I.4, B.I.10 und B.I.15 mitsamt der Einsatzstrafe entfällt zugleich die Gesamtstrafe.

Becker                               Fischer                                      Appl

                     Krehl                                Eschelbach

Fundstelle(n):
XAAAI-10083