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FG Berlin-Brandenburg Urteil v. - 4 K 4006/21

Gesetze: AO § 5, AO § 34, AO § 69 S. 1, AO § 191 Abs. 1, EStG § 41a Abs. 1 Nr. 2, InsO § 15 Abs. 1 S. 1, InsO § 80, InsO § 81, InsO § 129, GmbHG § 64 Abs. 1 S. 1

Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH bei Auszahlung der Nettolöhne, Unterlassen des Lohnsteuereinbehalts und Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH vor dem Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuer

Leitsatz

1. Falls die zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen Löhne einschließlich des Steueranteils nicht ausreichen, darf der GmbH-Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt auszahlen und muss aus den übrig gebliebenen Mitteln die darauf entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen. Das gilt auch dann, wenn zwar vor dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuer beim Insolvenzgericht ein Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH eingegangen ist und der Insolvenzverwalter später möglicherweise eine tatsächliche erfolgte Lohnsteuerabführung nach §§ 129 ff. InsO anfechten hätte können, jedoch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters bzw. die tatsächliche Eröffnung des Insolvenzverfahren erst nach dem Fälligkeitszeitpunkt erfolgt sind.

2. Die Haftung ist auch nicht ausgeschlossen, wenn die Nichtzahlung der fälligen Steuern in die dreiwöchige Schonfrist fällt, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO a. F. (bis zum Inkrafttreten der InsO: § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) eingeräumt ist.

3. Es ist von einem zumindest grob fahrlässigen Verhalten (Unterlassen) des Geschäftsführers im Hinblick auf die Verletzung der Abführungsverpflichtung der Lohn- und Annexsteuern zum Fälligkeitstag auszugehen, wenn ihm aufgrund seiner mehrjährigen Geschäftsführertätigkeit klar sein muss, dass die personal- und lohnintensive Geschäftstätigkeit der GmbH umfängliche monatliche Anmeldungs- und Abführungsverpflichtungen gegenüber den Sozialkassen und dem Betriebsstättenfinanzamt nach sich zieht, und wenn die GmbH gleichwohl erkennbar ihre sozial- und steuerrechtlichen Pflichten fortlaufend nicht korrekt erfüllt hat, sodass kein einmaliges, sondern fortgesetztes Fehlverhalten des Geschäftsführers vorliegt.

Fundstelle(n):
GmbH-StB 2022 S. 219 Nr. 7
LAAAI-04560

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FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 28.09.2021 - 4 K 4006/21

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