BSG Beschluss v. - B 4 AS 124/21 C

Sozialgerichtliches Verfahren - Anhörungsrüge - Verletzung rechtlichen Gehörs - behauptete Verletzung von Hinweispflichten durch das Revisionsgericht

Gesetze: § 178a Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, § 178a Abs 2 S 5 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 139 ZPO

Instanzenzug: Az: S 27 AS 1167/16 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 12 AS 809/18 Urteil

Gründe

1Die Anhörungsrüge ist gemäß § 178a Abs 4 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen, weil sie den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

2Nach § 178a Abs 2 Satz 5 SGG muss die Rüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Abs 1 Satz 1 Nr 2 genannten Voraussetzungen darlegen. Nach § 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Diese Darlegungen müssen bis zum Ablauf der Frist für die Erhebung der Anhörungsrüge erfolgen und eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör schlüssig aufzeigen ( - SozR 4-1500 § 178a Nr 10 RdNr 12 mwN). Richtet sich die Anhörungsrüge - wie hier - gegen eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Nichtzulassung der Revision, muss dargelegt werden, dass das Revisionsgericht durch seine Entscheidung den Anspruch auf rechtliches Gehör neu und eigenständig verletzt hat ( - SozR 4-1500 § 178a Nr 10 RdNr 13).

3Diesen Anforderungen wird die Anhörungsrüge der Klägerin nicht gerecht. In den Schriftsätzen vom und vom bringt die Klägerin lediglich vor, dass der Senat entgegen § 139 ZPO keinerlei Hinweis vor der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erteilt habe, nachdem und obwohl sie - die Klägerin - mit Schriftsätzen vom , , und umfangreich vorgetragen habe. Nachdem die Klägerin im Schriftsatz vom wohl noch vermutet hatte, dass dem Senat die genannten Schriftsätze nicht vollständig vorgelegen hätten, hat sie hieran - nach Akteneinsicht - nicht festgehalten, indem sie diese Vermutung zu Recht als "vermeintlich" beschrieben hat. Mit der Behauptung, der Senat habe § 139 ZPO verletzt, hat die Klägerin indes eine Gehörsverletzung nicht schlüssig behauptet.

4Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) enthält keine allgemeine Hinweispflicht des Gerichts ( - BVerfGE 98, 218 [263] = juris RdNr 162; - juris RdNr 6 mwN). Etwas anderes gilt zur Vermeidung von Überraschungsentscheidungen nur, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr; etwa - BVerfGE 108, 341 [345 f] = juris RdNr 14; - juris RdNr 4). Hierzu hat die Klägerin nichts schlüssig vorgetragen. Ihr Verweis darauf, dass keinerlei Hinweis des Senats nach § 139 ZPO vor seiner Entscheidung erfolgt sei, genügt insoweit nicht. Das BSG ist nicht verpflichtet, einem Beschwerdeführer - auch im Fall einer Bitte des Prozessbevollmächtigten um einen richterlichen Hinweis, falls weiterer Sachvortrag erforderlich sei - vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen ( - juris RdNr 7; - juris RdNr 6). Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG ( - juris RdNr 7; - RdNr 10 mwN).

5Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.

6Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs 4 Satz 3 SGG).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2021:261021BB4AS12421C0

Fundstelle(n):
BAAAI-03911