BGH Beschluss v. - II ZB 14/21

Aktienrechtliches Spruchverfahren: Verzinsung des für die Auslagen und die Vergütung des gemeinsamen Vertreters festgesetzten Betrags

Leitsatz

Der für die Auslagen und die Vergütung des gemeinsamen Vertreters festgesetzte Betrag ist in entsprechender Anwendung von § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verzinsen.

Gesetze: § 6 Abs 2 S 2 SpruchG, § 17 Abs 1 SpruchG, § 85 FamFG, § 104 Abs 1 S 2 ZPO

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 21 W 77/14vorgehend LG Frankfurt Az: 3-5 O 277/07

Gründe

I.

1Der Rechtsbeschwerdeführer war als gemeinsamer Vertreter der außenstehenden Aktionäre in dem Spruchverfahren betreffend die Angemessenheit der Abfindung der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre der W.   AG tätig. Mit Beschluss vom setzte der Bundesgerichtshof (, BGHZ 227, 137) die Höhe der Abfindung der ausgeschlossenen Aktionäre je Stammaktie und je Vorzugsaktie fest.

2Auf Antrag des gemeinsamen Vertreters vom , eingegangen am , setzte das Oberlandesgericht Frankfurt als Beschwerdegericht seine Auslagen und seine Vergütung für das Beschwerdeverfahren antragsgemäß auf 79.208,31 € fest, wies aber die beantragte Verzinsung des festgesetzten Betrags zurück. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des gemeinsamen Vertreters.

II.

3Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung der Entscheidung und zur Verzinsung des festgesetzten Betrags.

41. Die vom Beschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassene Rechtsbeschwerde ist nach § 6 Abs. 2, § 17 Abs. 1 SpruchG in entsprechender Anwendung von § 85 FamFG, § 104 Abs. 3 ZPO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (, ZIP 2013, 2426 Rn. 12; Beschluss vom - II ZB 13/13, ZIP 2014, 291 Rn. 6).

52. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG für die Auslagen und die Vergütung des gemeinsamen Vertreters festgesetzte Betrag ist in entsprechender Anwendung von § 17 Abs. 1 SpruchG, § 85 FamFG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem zu verzinsen.

6a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass es sich bei dem Festsetzungsverfahren nach § 6 Abs. 2 SpruchG nicht um ein Kostenfestsetzungsverfahren nach § 17 Abs. 1 SpruchG i.V.m. § 85 FamFG handele. Es fehle die Ähnlichkeit der Verfahrensgestaltung. Die Festsetzung nach § 6 Abs. 2 SpruchG werde nicht durch einen Antrag des gemeinsamen Vertreters, sondern von Amts wegen eingeleitet. Auch entscheide das Gericht und nicht der Rechtspfleger über die Festsetzung, die weder an eine Kostengrundentscheidung anknüpfe noch die Erstattung von Auslagen und Verfahrensgebühren regele. § 6 Abs. 2 Satz 4 SpruchG eröffne dem gemeinsamen Vertreter zudem die Möglichkeit, einen Vorschuss anzufordern. Dem stehe nicht entgegen, dass der Vorschuss regelmäßig aus einem Wert von (nur) 200.000 € berechnet werde, da der Vorschuss umgekehrt auch die tatsächliche Vergütung übersteigen könne.

7b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der für die Auslagen und die Vergütung des gemeinsamen Vertreters gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG festgesetzte Betrag ist in entsprechender Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verzinsen.

8aa) Das Festsetzungsverfahren nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG ist mit einem regulären Kostenfestsetzungsverfahren derart vergleichbar, dass darauf § 85 FamFG (i.V.m. § 17 SpruchG) anzuwenden ist.

9Auch wenn die Festsetzung der Auslagen und der Vergütung des gemeinsamen Vertreters keine Kostenfestsetzung im Sinn von § 85 FamFG ist, so ähnelt sie ihr aufgrund der Ausgestaltung des Festsetzungsverfahrens in § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG (vgl. , ZIP 2013, 2426 Rn. 10). Die Festsetzung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG knüpft zwar nicht an eine richterliche Kostengrundentscheidung an. Einer solchen bedarf es angesichts der Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 SpruchG aber nicht. Es handelt sich bei der Festsetzung um einen rechtlich selbstständigen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, der im Prozessrechtsverhältnis wurzelt und verschuldensunabhängig an die Veranlassung der Kosten anknüpft (, ZIP 2019, 722 Rn. 41). Die Festsetzung eines solchen prozessualen Kostenerstattungsanspruchs ist auch Gegenstand des regulären Kostensetzungsverfahrens.

10Es ist kein der entsprechenden Anwendung von § 85 FamFG entgegenstehender wesensmäßiger Verfahrensunterschied, dass die Festsetzung nach der in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 bzw. Nr. 6 SpruchG ausdrücklich abweichend geregelten funktionellen Entscheidungszuständigkeit nicht vom Rechtspfleger, sondern vom Gericht vorgenommen wird.

11Das gilt ebenso für den Einwand, dass § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG keinen Antrag erfordert. Auch wenn die Festsetzung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG von Amts wegen eingeleitet wird, wird sie ohne die Angaben des gemeinsamen Vertreters zu den Auslagen nicht möglich sein (, ZIP 2013, 2426 Rn. 7).

12bb) Der Ausspruch der Verzinsung der festgesetzten Kosten des gemeinsamen Vertreters ist im Hinblick auf die Vergleichbarkeit des gemeinsamen Vertreters mit einem Rechtsanwalt geboten. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass sich die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters kaum von der Tätigkeit der anwaltlichen Vertreter der Antragsteller im Spruchverfahren unterscheidet und der gemeinsame Vertreter einen ähnlichen Aufgabenzuschnitt und Arbeitsaufwand hat, wie die sonst am Verfahren beteiligten anwaltlichen Rechtsvertreter (RegE eines Gesetzes zur Neuordnung des gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens [Spruchverfahrensneuordnungsgesetz],BT-Drucks. 15/371, S. 14). Deshalb sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Gebührentatbestände der Rechtsanwälte auf den gemeinsamen Vertreter so anzuwenden, als wäre er Verfahrensbevollmächtigter eines Verfahrensbeteiligten (, ZIP 2013, 2426 Rn. 14). Da ein Rechtsanwalt über § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO den Ausspruch der Verzinsung seiner Kosten verlangen kann, ist deshalb konsequenterweise auch die Verzinsung des für den gemeinsamen Vertreter festgesetzten Betrags in entsprechender Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf seinen Antrag hin auszusprechen (so auch I-26 W 6/09 (AktE), juris Rn. 4; , juris Rn. 19; Dreier in Dreier/Fritzsche/Verführt, SpruchG, § 6 Rn. 68).

13cc) Die entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf die Auslagen- und Vergütungsansprüche des gemeinsamen Vertreters ist nicht durch § 6 Abs. 2 Satz 4 SpruchG ausgeschlossen, wonach das Gericht den Zahlungsverpflichteten auf Verlangen des gemeinsamen Vertreters die Leistung von Vorschüssen aufgeben kann (so aber Lutter/Mennicke, UmwG, 6. Aufl., § 6 SpruchG Rn. 15 unter Verweis auf OLG Saarbrücken, Beschluss vom19. Februar 2015 - 1 W 108/06, n.v.; KK-AktG/Wasmann, 3. Aufl., § 6 SpruchG Rn. 35 unter Verweis auf , juris Rn. 11). Die Möglichkeit des gemeinsamen Vertreters, einen Vorschuss vom Antragsgegner zu fordern, steht aufgrund seiner Tätigkeit, die sich in Aufgabenzuschnitt und Arbeitsaufwand kaum von der der sonst am Verfahren beteiligten Rechtsvertreter unterscheidet (RegE eines Gesetzes zur Neuordnung des gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens [Spruchverfahrensneuordnungsgesetz], BT-Drucks. 15/371, S. 14), und die seine gebührenrechtliche Gleichbehandlung rechtfertigt (, ZIP 2013, 2426 Rn. 14), einer Verzinsung der festgesetzten Vergütung entsprechend § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht entgegen. Auch ein Rechtsanwalt kann im Rahmen des § 9 RVG für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss fordern, ohne dass diese Möglichkeit auf die Verzinsung seiner Vergütung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO Einfluss hat. Der geleistete Vorschuss ist als getilgter Betrag im Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 11 Abs. 1 Satz 2 RVG abzusetzen (Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 11 Rn. 81; BeckOK RVG/v.Seltmann, Stand: , § 11 Rn. 41).

14dd) Der festgesetzte Betrag ist entsprechend § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ab dem Eingang des Festsetzungsantrags am zu verzinsen.

15Die Verzinsung der festgesetzten Kosten beginnt mit dem Eingang des hierauf gerichteten Antrags, wenn die Voraussetzungen für die Kostenfestsetzung vorliegen. Die Auslagen und Vergütung sind gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 SpruchG von Amts wegen festzusetzen. Hier hat der gemeinsame Vertreter die Verzinsung mit einem ausdrücklichen Festsetzungsantrag verlangt, der am beim Beschwerdegericht eingegangen ist.

163. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Obwohl die Vorschriften über die Kostentragung (§§ 91 ff. ZPO) in § 85 FamFG nicht ausdrücklich aufgeführt sind, erfasst die dortige Verweisung auch die Kostenvorschriften der ZPO, da diese auf das kontradiktorische Verfahren besser passen als die §§ 81 ff. FamFG (, ZIP 2013, 2426 Rn. 21; Beschluss vom - II ZB 2/16, ZIP 2019, 722 Rn. 52).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:231121BIIZB14.21.0

Fundstelle(n):
AG 2022 S. 199 Nr. 6
WM 2022 S. 321 Nr. 7
ZIP 2022 S. 371 Nr. 8
ZIP 2022 S. 4 Nr. 7
PAAAI-03899