Online-Nachricht - Dienstag, 25.01.2022

Verfahrensrecht | EU-rechtswidrig einbehaltene Steuern sind mit 6 % zu verzinsen (FG)

Ein zu Unrecht unter Berufung auf EU-rechtswidrige Vorschriften versagter Steuererstattungsanspruch ist zu verzinsen (; Revision anhängig, BFH-Az. I R 50/21).

Hintergrund: Nach der EuGH-Rechtsprechung verstößt § 50d Abs. 3 EStG gegen die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit ( „Deister Holding“ und C 613/16 „Juhler Holding“ (s. hierzu Kahlenberg, ) sowie „GS“ (s. hierzu Wagemann, ) und ist daher nur eingeschränkt anwendbar. Die dort aufgestellte generelle Missbrauchsvermutung kann im Einzelfall durch den Steuerpflichtigen erfolgreich widerlegt werden.

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige Gesellschaft. Sie stellte in den Jahren 2009 bis 2012 beim BZSt verschiedene Anträge auf Freistellung und Erstattung von deutscher Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag. Diese Anträge wurden zunächst unter Hinweis auf die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG abgelehnt. Die hiergegen gerichteten Einsprüche hatten Mitte 2018 Erfolg und führten zu Steuererstattungen, nachdem der EuGH die Unvereinbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG mit dem Unionsrecht festgestellt hatte.

Im Anschluss beantragte die Klägerin zusätzlich die Festsetzung von Erstattungszinsen. Das BZSt lehnte eine Verzinsung ab. Nachdem es über den hiergegen eingelegten Einspruch unter Verweis auf Erörterungen der Finanzverwaltung auf Bund-/Länderebene nicht entschieden hatte, wandte sich die Klägerin nach knapp 20 Monaten mit einer sog. Untätigkeitsklage an das Finanzgericht Köln.

Das FG Köln gab der Klage statt:

  • Der Klägerin steht ein unmittelbar aus dem EU-Recht begründeter Anspruch auf Verzinsung der unionsrechtswidrig einbehaltenen Kapitalertragsteuer in Höhe von 0,5 % pro Monat (entsprechend 6 % pro Jahr) zu.

  • Da der deutsche Gesetzgeber diese Fälle nicht spezialgesetzlich geregelt hat, ist auf die allgemeinen Verzinsungsgrundsätze der AO zurückzugreifen.

  • Der Zinslauf beginnt dabei regelmäßig an dem Tag der zu Unrecht geleisteten Abgabenzahlung.

  • Sofern Steuerpflichtige für die Kapitalertragsteuer das gesetzlich vorgesehene Freistellungsverfahren nicht in Anspruch genommen haben, ist dem BZSt vor dem Beginn der Verzinsung allerdings in entsprechender Anwendung der vom BFH für den Bereich der Energiesteuerentlastung herausgearbeiteten Grundsätze (vgl. , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 22.5.2020) ein angemessener Zeitraum von vier Monaten und zehn Arbeitstagen für die Bearbeitung des Erstattungsantrages zuzubilligen.

Hinweis:

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das BZSt hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die unter dem Az. I R 50/21 beim BFH geführt wird. Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des FG Köln veröffentlicht. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Quelle: FG Köln, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
YAAAI-02538