Sozialgerichtliches Verfahren - Video-Verhandlung - Ermessen
Gesetze: § 110a Abs 1 S 1 SGG
Instanzenzug: SG Neubrandenburg Az: S 10 R 214/18 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: L 4 R 91/19 Urteil
Gründe
1I. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat erstmals durch Schreiben vom beim BSG beantragt ihr zu gestatten, sich während der mündlichen Verhandlung am an einem anderen Ort als dem für die mündliche Verhandlung festgelegten Ort - Bundessozialgericht in Kassel - aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Vorsitzende des 13. Senats hat der Prozessbevollmächtigten alsdann am in einem Telefongespräch erläutert, dass der Senat ihre Anwesenheit am Ort der Verhandlung für geboten halte. Nachdem die Prozessbevollmächtigte zunächst angekündigt hatte, zum Termin in Kassel zu erscheinen, hat sie am schriftsätzlich ausgeführt, trotz der ihr mitgeteilten Überlegungen des Senats erhalte sie den Antrag aufrecht.
2II. Der Prozessbevollmächtigten wird es nicht gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung am an einem anderen Ort als dem für die mündliche Verhandlung festgelegten Ort - Bundessozialgericht in Kassel - aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen.
3Nach § 110a Abs 1 Satz 1 SGG kann das Gericht den Beteiligten, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Gestattung steht damit nach dem Wortlaut der Vorschrift im - pflichtgemäßen - Ermessen des Gerichts. Das Gericht hält vorliegend die persönliche Teilnahme der Prozessbevollmächtigten am Ort der Verhandlung für geboten. Diese handelt im anhängigen Beschwerdeverfahren zwar als Vertreterin des Klägers. In der Beschwerdesache wird jedoch in erster Linie aus Anlass ihres Vortrags in der Beschwerdebegründung ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Anberaumung der mündlichen Verhandlung erfolgt ausschließlich zur Vernehmung zweier Zeugen. Gegenstand der Zeugenvernehmung sind Zeitpunkt und Inhalt der Mitteilung der Erkrankung der Prozessbevollmächtigten des Klägers und ihres Nichterscheinens zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG. Damit geht es konkret um Vorgänge aus der Sphäre der Prozessbevollmächtigten. Vor diesem Hintergrund erscheint dem Senat über den notwendigen persönlichen Eindruck von den Zeugen hinaus auch der persönliche Eindruck von der Prozessbevollmächtigten für die tatsächliche Würdigung zweckmäßig.
4Demgegenüber hat die Prozessbevollmächtigte keine Gründe dargelegt, die einer persönlichen Teilnahme am Terminort entgegenstehen würden. Allein die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, eine Teilnahme von einem anderen Ort aus zu gestatten, führt nicht zu einer Bindung des dem Gericht in § 110a Abs 1 Satz 1 SGG ausdrücklich eingeräumten Ermessens.
5Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 110a Abs 3 Satz 2 SGG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2021:240621BB13R16320B0
Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 422 Nr. 6
VAAAI-01716