Einkommensteuer | Mieterabfindungen können Herstellungskosten darstellen (FG)
An Mieter gezahlte Abfindungen für die vorzeitige Räumung der Wohnungen zum Zweck der Durchführung von Renovierungsmaßnahmen führen zu anschaffungsnahem Herstellungsaufwand (; Revision zugelassen).
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine GbR, deren Gesellschaftszweck die Vermietung von Grundstücken ist. Im Jahr 2016 erwarb sie eine denkmalgeschützte Immobilie mit vier Wohnungen für 1,2 Mio. €, die sie in den folgenden zwei Jahren für 615.000 € renovierte. Vom Kaufpreis entfielen 836.818 € auf das Gebäude. Um die früheren Mieter zum vorzeitigen Auszug zu bewegen und die Renovierungsarbeiten dadurch einfacher zu gestalten, zahlte die Klägerin Mieterabfindungen von insgesamt 35.000 €. Diesen Betrag machte sie als sofort abzugsfähige Werbungskosten geltend. Das Finanzamt behandelte die Abfindungen dagegen als anschaffungsnahe Herstellungskosten.
Der 4. Senat des FG Münster wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Die Mieterabfindungen sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu behandeln.
Der Wortlaut dieser Vorschrift ist so gefasst, dass als Aufwendungen „für“ Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht nur Baukosten im technischen Sinne in Betracht kommen. Vielmehr reicht ein unmittelbarer Zurechnungs- bzw. Veranlassungszusammenhang zu der baulichen Maßnahme aus.
Für dieses weite Verständnis spricht der Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach die Renovierung einer Immobilie unmittelbar nach deren Erwerb steuerlich mit dem Erwerb einer bereits renovierten und damit teureren Immobilie gleichgestellt werden soll.
Im letztgenannten Fall haben sich vom Verkäufer zum Zweck der Renovierung getragene Mieterabfindungen in einem höheren Kaufpreis niedergeschlagen. Wäre eine Differenzierung danach erforderlich, ob Aufwendungen unmittelbar für eine bauliche Maßnahme aufgewendet werden, könnte der mit der typisierenden Regelung verfolgte Zweck der Rechtsvereinfachung und -sicherheit nicht erreicht werden.
Diese Auslegung steht auch mit der Systematik weiterer gesetzlicher Regelungen in Einklang. Dem Herstellungskostenbegriff nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB liegt ebenfalls ein weites Verständnis zugrunde.
Insoweit ist geklärt, dass Abstandszahlungen an Mieter zur vorzeitigen Räumung einer Immobilie mit dem Ziel einer Neubebauung zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zählen.
Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, wodurch eine frühere Verwaltungsvorschrift gesetzlich festgeschrieben worden ist. Diese Verwaltungsvorschrift hat eine Typisierung des Herstellungsfalls der wesentlichen Verbesserung enthalten, sodass die Grundsätze zum Herstellungskostenbegriff auch bei anschaffungsnahem Aufwand anzuwenden sind.
Unter Einbeziehung der weiteren Renovierungskosten ist die im Gesetz genannte 15%-Grenze in Bezug auf die Anschaffungskosten des Gebäudes überschritten. Die Abfindungen sind auch unmittelbar durch die Renovierungsmaßnahmen veranlasst, weil diese durch den Auszug der Mieter schneller und einfacher durchzuführen gewesen sind.
Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum BFH zugelassen. Ein Az. ist noch nicht bekannt. Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht.
Quelle: FG Münster, Newsletter Dezember 2021 (il)
Fundstelle(n):
XAAAH-97117