BGH Beschluss v. - 5 StR 223/21

Beweiswürdigung im Strafurteil wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln: Verwertung eines Teils der Aussage des einzigen Belastungszeugen; Verwertung der früheren Aussage eines von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machenden Belastungszeugen

Gesetze: § 55 StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Instanzenzug: LG Dresden Az: 16 KLs 422 Js 59727/19

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte - unter Freisprechung im Übrigen - wegen zweier Fälle des Handeltreibens (Fälle 1 und 2) mit und Besitzes (Fall 3) von Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verurteilung in den Fällen 1 und 2 hat keinen Bestand, weil die zugrundeliegenden Feststellungen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung beruhen.

3Das Landgericht hat sich insoweit ausschließlich auf frühere Angaben des gesondert Verfolgten D.        gestützt, der in der Hauptverhandlung gegen die schweigende Angeklagte von dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO Gebrauch gemacht hat. Den erhöhten Anforderungen, die bei dieser besonderen Beweiskonstellation an die Beweiswürdigung und ihre Darstellung in den Urteilsgründen bestehen (vgl. hierzu mwN), ist das Landgericht indes nicht gerecht geworden. Insbesondere hat es bei der Bewertung der die Angeklagte belastenden Angaben die tatsächlichen Gründe für den Teilfreispruch nicht erörtert.

4Insoweit war der Angeklagten ein weiteres, mit den abgeurteilten Taten vergleichbares Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen worden. Ausweislich der vom Senat von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Anklageschrift (vgl. hierzu , NStZ 2020, 370) hatte die Staatsanwaltschaft hierfür als einziges Beweismittel gleichfalls den gesondert Verfolgten D.        benannt. Das Landgericht hat die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, ohne diese allerdings näher zu erläutern. Dies wäre jedoch bei der Würdigung der Angaben des gesondert Verfolgten hinsichtlich der zur Verurteilung gelangten Taten angezeigt gewesen, weil es angesichts der aus der Anklage ersichtlichen Beweislage jedenfalls nicht fernliegt, dass das Landgericht die Angeklagte freigesprochen hat, weil es den - über die Vernehmungspersonen eingeführten - Angaben des gesondert Verfolgten D.       im Ermittlungsverfahren und in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung insoweit nicht gefolgt ist. Glaubt das Tatgericht aber einem Teil der Aussage des einzigen Belastungszeugen, obwohl es ihm im Hinblick auf andere wesentliche Teile nicht folgt, bedarf dies regelmäßig einer besonderen Begründung (vgl. mwN). Da sich das Landgericht insofern jeglicher Begründung enthalten hat, hält die Beweiswürdigung - auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. , NStZ-RR 2020, 355, 356) - der rechtlichen Prüfung nicht stand (vgl. , BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 37).

52. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 1 und 2 entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.

63. Der Senat weist auf Folgendes hin:

7Bei besonderen Beweiskonstellationen wie hier (wechselnde Angaben des einzigen Belastungszeugen, Strafmilderung nach § 31 BtMG) ist es angeraten, Inhalt, Entstehung und Entwicklung der Angaben des Zeugen in ihren wesentlichen Zügen im Urteil darzustellen (vgl. , NStZ 2021, 183).

8Macht der einzige Belastungszeuge von dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch, kann eine Feststellung zulasten des Angeklagten regelmäßig nur dann auf eine frühere Aussage gestützt werden, wenn sie durch andere wichtige und im unmittelbaren Tatbezug stehende Gesichtspunkte bestätigt wird (vgl. ).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:310821B5STR223.21.0

Fundstelle(n):
MAAAH-96033