BGH Beschluss v. - 3 StR 118/21

Revision in Strafsachen: Beginn der Revisionsbegründungsfrist nach fehlerhafter Zustellung der Revisionsverwerfung durch das Tatgericht

Gesetze: § 345 StPO

Instanzenzug: LG Mainz Az: 1 KLs 3100 Js 5887/19vorgehend LG Mainz Az: 1 KLs 3100 Js 5887/19

Gründe

I.

1Das Landgericht Mainz hat den Angeklagten mit Urteil vom freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen das Urteil hat der Pflichtverteidiger binnen Wochenfrist Revision eingelegt. Jenem hat der Strafkammervorsitzende alsdann das schriftliche Urteil zustellen lassen. Anstelle des urlaubsabwesenden Verteidigers hat jedoch am einer seiner Kollegen das Empfangsbekenntnis unterschrieben.

2Mit Beschluss vom (Az. 1 KLs             ) hat das Landgericht die Revision des Angeklagten mangels fristgerechter Begründung verworfen. Diese Entscheidung hat den Verteidiger am erreicht. Erst dadurch hat er vom zuvor ergangenen Urteil Kenntnis erlangt. Mit am bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat er im Namen des Angeklagten unter näheren Ausführungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Frist zur Revisionsbegründung beantragt und die "allgemeine Sach- und Verfahrensrüge" erhoben.

II.

3Der Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 300 StPO in einen Antrag auf Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses vom umzudeuten. Dieser Rechtsbehelf ist gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO statthaft und fristgerecht eingelegt. Er hat auch in der Sache Erfolg.

41. Der Verwerfungsbeschluss erweist sich als rechtsfehlerhaft. Mangels wirksamer Zustellung des Urteils hat die Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht am zu laufen begonnen (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO). Denn eine Zustellung ist grundsätzlich nicht ordnungsgemäß bewirkt, wenn anstelle des Pflichtverteidigers eine andere Person das Empfangsbekenntnis unterschreibt (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 105/88, BGHR StPO § 37 Abs. 1 Pflichtverteidiger 1; vom - 4 StR 21/05, BeckRS 2005, 6315; vom - 1 StR 601/13, NStZ-RR 2014, 149; , juris Rn. 1; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 345 Rn. 17 mwN; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 345 Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 37 Rn. 19).

5Eine Ausnahme hiervon liegt nicht vor. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Unterzeichner des Empfangsbekenntnisses, ein Fachanwalt für Arbeitsrecht und wie der Verteidiger nur angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei, gemäß § 53 BRAO als Vertreter eingesetzt war und als solcher aufgetreten ist, sind nicht ersichtlich. Es kann deshalb dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vertretung eines Pflichtverteidigers bei der Bewirkung von Zustellungen überhaupt möglich ist (zur Vertretung bei der Revisionseinlegung s. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 410/18, juris; vom - 1 StR 354/01, BGHR StPO § 346 Abs. 1 Form 2; vom - 5 StR 673/91, NStZ 1992, 248).

62. Eine Entscheidung des Senats über die Revision kommt derzeit noch nicht in Betracht. Zwar ist der Zustellungsmangel mit der tatsächlichen Kenntnisnahme des Urteils durch den Pflichtverteidiger am gemäß § 37 Abs. 1 StPO, § 189 ZPO geheilt worden. Auch die Revisionsanträge sind gestellt. Die Monatsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO zur Begründung der Revision beginnt jedoch erst mit der Zustellung dieses Beschlusses zu laufen. Insoweit gilt:

7Wird eine Revision zu Unrecht als unzulässig verworfen und der Verwerfungsbeschluss zu einem Zeitpunkt zugestellt, in dem die Begründungsfrist noch nicht abgelaufen ist, so beginnt letztere erst mit der Zustellung der den Verwerfungsbeschluss aufhebenden Entscheidung des Revisionsgerichts. Denn dem Revisionsführer kann nicht zugemutet werden, die Revisionsbegründung in Kenntnis der negativen Entscheidung des Tatgerichts vorsorglich innerhalb der noch verbleibenden Frist einzureichen. Ihm ist vielmehr Gelegenheit zu geben, binnen eines Monats nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung seine Revision (hier: weiter) zu begründen (, NJW 2014, 1686, 1687 Rn. 9; OLG Bamberg, Beschluss vom - 2 OLG 120 Ss 29/18, juris Rn. 8; , juris Rn. 8; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 345 Rn. 3 mwN; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 345 Rn. 11).

8Die Sache ist deshalb zur Fortsetzung des Revisionsverfahrens (§ 347 StPO) an das Landgericht zurückzugeben.

93. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (s. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 346 Rn. 12).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:110821B3STR118.21.0

Fundstelle(n):
AAAAH-95509