Verweigerung der Aktenvorlage durch Verfassungsschutzbehörde
Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 1 Abs 1 GG, § 30 VerfSchG ND, § 99 VwGO
Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 14 PS 2/19 Beschluss
Gründe
I
1Die Klägerin begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren weitere Auskunft über die beim Beklagten zu ihrer Person gespeicherten Daten.
2Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Dieser hat daraufhin einen teilweise geschwärzten Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Abgabe einer Sperrerklärung vom verweigert. Mit Beschluss vom hat das Verwaltungsgericht das Verfahren auf sinngemäßen Antrag der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Verweigerung festzustellen, dem Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens vorgelegt. Der Beklagte habe sich auf § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO berufen und dem Begehren des Klägers Weigerungsgründe nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 NVerfSchG entgegengehalten, deren Berechtigung vom erkennenden Gericht nur in Kenntnis des Akteninhalts feststellbar sei. Nach Mitteilung des Beklagten, dass die personenbezogenen Daten der Klägerin bis zum Abschluss des Klageverfahrens mit dem Ziel der Löschung gesperrt würden, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom entschieden, dass die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten, aber bisher zurückbehaltenen Aktenbestandteile fortbestehe.
3Mit Beschluss vom hat der Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Sperrerklärung rechtswidrig ist, soweit sie sich auf einen im Einzelnen konkret bezeichneten Teil der Unterlagen bezieht. Im Übrigen sei sie rechtmäßig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II
4Die zulässige Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Sperrerklärung des Beklagten vom ist über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts hinaus auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf die im Entscheidungsausspruch bezeichneten Dokumente bezieht. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet. Insoweit hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zutreffend entschieden, dass die Weigerung des Beklagten, die angeforderten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtmäßig und der Antrag daher abzulehnen sei.
51. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe geprüft.
6Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Eine entsprechende Erschwernis kann sich daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom - 20 F 1.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte ( 20 F 7.16 - juris Rn. 7).
7Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht ( 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten ( 20 F 12.17 - juris Rn. 14). Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund ( 20 F 12.17 - juris Rn. 15).
82. Hiernach ist die Weigerung des Beklagten, die im Entscheidungsausspruch aufgeführten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig. Für diese Aktenteile ist nämlich nicht ersichtlich, dass die in der Sperrerklärung insoweit in Anspruch genommenen Weigerungsgründe ihre Vorlage vollständig ausschließen (a). Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden (b).
9a) Nicht von Weigerungsgründen gedeckt sind die Schwärzungen der bisherigen Meldeanschrift der Klägerin auf Blatt 6 der Sachakte. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat insofern bereits zutreffend festgestellt, dass auf Blatt 18 und 19 der Verwaltungsakte eine ehemalige Adresse der Klägerin offengelegt ist und nicht ersichtlich ist, weshalb hinsichtlich vergleichbarer Daten auf diesen Blättern ein Geheimhaltungsinteresse bestehen könnte. Rechtswidrig sind aus demselben Grund aber auch die entsprechenden Schwärzungen auf Blatt 6 der Sachakte.
10Rechtswidrig ist ferner die auf Blatt 12 der Sachakte vorgenommene Schwärzung des Namens der Klägerin in der Auflistung der Personen, welche die Kampagne "Castor schottern" unterzeichnet haben. Auch insoweit fehlt ein Geheimhaltungsinteresse. Denn der Beklagte hat gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom (Blatt 18 der Sachakte) bereits offengelegt, dass der Umstand, dass sie diese Kampagne unterzeichnet hat, bei ihm gespeichert ist. Dasselbe gilt für die entsprechende Liste auf Blatt 11 der Verwaltungsakte. Die Entnahme dieses Blatts ist insoweit nicht gerechtfertigt, als auch dort der Name der Klägerin als Unterzeichnerin des Aufrufs genannt ist.
11Nicht gerechtfertigt ist darüber hinaus die Schwärzung der Worte "nicht bzw. teilweise" im Satz "Ein solcher Fall ist für die vorgenannten lfd. Nrn. nicht bzw. teilweise nicht gegeben." auf Blatt 45 der Verwaltungsakte. Diese Schwärzung wird von keinem der für dieses Blatt in Anspruch genommenen Weigerungsgründe gedeckt. Es ist nicht ersichtlich, was aus dieser Information über die Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörden geschlossen werden sollte.
12b) Hinsichtlich der weiteren Aktenbestandteile und der weitergehenden Schwärzungen auf den im Tenor genannten Blättern, soweit diese im Rahmen der Beschwerde zur Überprüfung des Senats standen, ist die Sperrerklärung rechtmäßig.
13aa) Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen. Von einer weitergehenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i.V.m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO). Teilschwärzungen, die über diejenigen, die dem Verwaltungsgericht bereits vorgelegten Aktenteile zu entnehmen sind, hinausgehen, kommen in Bezug auf diese Aktenbestandteile nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. 20 F 1.19 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 78 Rn. 12 m.w.N.).
14bb) Soweit ein Weigerungsgrund vorliegt, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. 20 F 11.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 56 Rn. 12 m.w.N.) genügt.
153. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Klägerin obsiegt nur in geringem Umfang, weil über die vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts bereits als rechtswidrig erkannten Schwärzungen hinaus nur wenige weitere Schwärzungen nicht durch Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gedeckt sind.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:080120B20F8.19.0
Fundstelle(n):
IAAAH-94034