BAG Urteil v. - 9 AZR 448/20

Anspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auf Freistellung von als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten - Weisungsrecht des Arbeitgebers - Globalantrag

Gesetze: § 106 GewO, § 164 Abs 4 S 1 Nr 4 SGB 9 2018, Art 2 EGRL 88/2003, § 2 Abs 1 ArbZG, § 3 ArbZG, § 151 Abs 1 SGB 9 2018, § 151 Abs 3 SGB 9 2018, § 207 SGB 9 2018

Instanzenzug: ArbG Kaiserslautern Az: 4 Ca 226/19 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 8 Sa 438/19 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Verpflichtung des den schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Klägers zur Teilnahme an von der Beklagten als (Wochenend-)Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten.

2Der Kläger ist bei der Beklagten, einer Verbandsgemeinde, als Wassermeister in Vollzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom idF vom (im Folgenden TVöD-V) Anwendung. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

3Der Beklagten obliegt ua. die Trinkwasserversorgung in ihrem Zuständigkeitsbereich. Für die in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter führte sie Bereitschaftszeiten ein, die sie als Rufbereitschaft anordnete. Hieran nahm auch der Kläger aufgrund einer zwischen den Parteien getroffenen „Vereinbarung über die Pauschalierung der Rufbereitschaftsvergütung und die Pauschalisierung von Erschwerniszuschlägen/Schmutzzuschlägen“ vom teil, in der es ua. heißt:

4Der Kläger weist einen Grad der Behinderung von 40 auf und wurde einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Aufgrund einer Erkrankung an Wirbelsäule und Bandscheiben wurde ihm von ärztlicher Seite sowie von einem Diplom-Psychologen empfohlen, sich von den Bereitschaftszeiten befreien zu lassen. Einen entsprechenden Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Schreiben vom ab und begründete dies auszugsweise wie folgt:

5Auf einen erneuten Antrag des Klägers auf Befreiung von den Bereitschaftszeiten hin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom Folgendes mit:

6Nach weiteren erfolglosen außergerichtlichen Freistellungsanträgen hat der Kläger mit seiner Klage geltend gemacht, er sei gemäß § 207 SGB IX von den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten zu befreien, weil es sich hierbei um Mehrarbeit iSd. § 207 SGB IX handele. Die Bereitschaftszeiten seien durchgehend als Arbeitszeit iSv. § 3 ArbZG zu qualifizieren. Zudem ergebe sich sein Anspruch, nicht zu den Bereitschaftszeiten herangezogen zu werden, aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Jedenfalls dürfe ihn die Beklagte nicht an Wochenenden bzw. an Sonntagen zu Bereitschaftszeiten einteilen.

7Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Befreiung von der Rufbereitschaft nicht zu. Der Kläger sei zu deren Ableistung nach dem TVöD-V iVm. der Vereinbarung vom verpflichtet. Lediglich im Anschluss an seine tägliche Vollarbeit habe er keine Rufbereitschaft zu leisten. Bei der angeordneten Rufbereitschaft handele es sich nicht um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes. An Rufbereitschaftstagen sei die tatsächliche Inanspruchnahme auf täglich acht Stunden begrenzt. Die körperlichen Einschränkungen des Klägers seien berücksichtigt.

9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

10Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen unterliegt sie der Zurückweisung.

11A. Die Revision des Klägers ist unbegründet, soweit sie sich auf den Hauptantrag bezieht. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts insoweit zurecht zurückgewiesen. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

12I. Der Hauptantrag ist zulässig.

131. Er ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

14a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Antrag die Maßnahme, für die ein Recht bejaht oder verneint wird, so genau bezeichnen, dass die eigentliche Streitfrage zwischen den Beteiligten mit Rechtskraftwirkung entschieden werden kann (st. Rspr., vgl.  - Rn. 46 mwN; - 9 AZR 192/20 - Rn. 16 mwN).

15b) Diesem Erfordernis wird der Hauptantrag unter Berücksichtigung der Klagebegründung gerecht. Das Klagebegehren richtet sich danach nicht gegen eine konkrete Weisung der Beklagten. Der Kläger möchte vielmehr festgestellt wissen, dass er insgesamt - in jeder denkbaren Fallkonstellation - von den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten befreit ist. Er geht insoweit generell vom Vorliegen einer unzulässigen Mehrarbeit iSd. § 207 SGB IX aus und hält zudem die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der „Fürsorgepflicht des Arbeitgebers“ für verpflichtet, ihn von den Bereitschaftszeiten freizustellen. Der Kläger begehrt damit die Feststellung der Grenzen des Direktionsrechts der Beklagten in dem von ihm begehrten Sinne. Dass der Antrag eine Fülle von Konstellationen erfasst, steht seiner Bestimmtheit nicht entgegen (vgl.  - Rn. 19 mwN; - 3 AZR 303/18 - Rn. 33 mwN).

162. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse ist gegeben.

17a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis als Ganzes beziehen, sondern kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. Rspr. vgl.  - Rn. 37 mwN).

18b) Vorliegend beruft sich die Beklagte darauf, dem Kläger grundsätzlich als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten zuweisen zu dürfen, während der Kläger die Einteilung zu Bereitschaftszeiten generell für unzulässig hält. Die begehrte Feststellung ist geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über diese Streitfrage auszuschließen (vgl.  - Rn. 14 mwN; - 9 AZR 372/18 - Rn. 10).

19II. Der Hauptantrag ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger kein Anspruch auf eine generelle Freistellung von den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten zusteht. Sein Hauptantrag erfasst Fallgestaltungen, in denen der Kläger verpflichtet sein kann, diese Dienste zu leisten.

201. Bei dem Hauptantrag handelt es sich um einen Globalantrag, da er die Teilnahme an jedweden Bereitschaftszeiten unabhängig von ihrer zeitlichen Lage, Dauer und inhaltlichen Ausgestaltung erfasst. Damit hat er eine Vielzahl von Fallgestaltungen zum Gegenstand und ist als insgesamt unbegründet abzuweisen, wenn - wie vorliegend - unter ihn auch Sachverhalte fallen, in denen das Feststellungsbegehren erfolglos ist (vgl.  - Rn. 55; - 1 ABR 42/17 - Rn. 74 mwN, BAGE 166, 79).

212. Die Anordnung von Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft ist grundsätzlich vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers dient der Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts ( - Rn. 24). Nach der Vereinbarung der Parteien vom iVm. § 611a Abs. 1 BGB und § 6 Abs. 5 TVöD-V ist der Kläger grundsätzlich verpflichtet, jede vierte Woche Rufbereitschaft zu leisten.

223. Der Kläger hat keinen Anspruch gemäß § 207 SGB IX iVm. § 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX, insgesamt - in jeder denkbaren Fallkonstellation - von Bereitschaftszeiten befreit zu werden. Die Vorschrift verbietet lediglich die Anordnung von Mehrarbeit; dies führt nicht automatisch zu einer Herausnahme aus jeder Form von Bereitschaftszeiten.

23a) Das arbeitgeberseitige Direktionsrecht wird durch die Vorschrift des § 207 SGB IX begrenzt. Schwerbehinderte Menschen und gemäß § 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX ihnen Gleichgestellte werden danach auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt. Dies hat zur Folge, dass der schwerbehinderte bzw. einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmer, der - wie der Kläger - ein entsprechendes Verlangen geäußert hat, die Leistung von Mehrarbeit nicht schuldet und vom Arbeitgeber ihn zu Mehrarbeit herangezogen werden darf (vgl.  - zu A II 1 c der Gründe, BAGE 104, 73).

24b) Mehrarbeit ist jede über gesetzliche regelmäßige Arbeitszeit des § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit ( - Rn. 20; grundlegend - 9 AZR 462/01 - zu A II 1 b aa der Gründe, BAGE 104, 73). Diese beläuft sich auf werktäglich acht Stunden (vgl.  - zu A II 2 b der Gründe, aaO). Der gesetzgeberischen Konzeption des Arbeitszeitgesetzes liegt grundsätzlich eine Sechstagewoche zugrunde. Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung in § 3 Satz 1 ArbZG ist die werktägliche Arbeitszeit. Werktag ist jeder Kalendertag, der kein Sonntag oder gesetzlich festgelegter Feiertag ist (vgl. § 9 Abs. 1 ArbZG; Baeck/Deutsch/Winzer ArbZG 4. Aufl. § 3 Rn. 14; ErfK/Wank 21. Aufl. ArbZG § 3 Rn. 2). Wird die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden oder die Verteilung der Arbeitszeit auf sechs Tage in der Woche überschritten, liegt Mehrarbeit iSv. § 207 SGB IX vor.

25c) Die individuell vereinbarte oder tarifliche regelmäßige Wochen- oder Monatsarbeitszeit bleibt bei der Bestimmung der Mehrarbeit iSv. § 207 SGB IX ebenso außer Betracht wie die Möglichkeit, die Arbeitszeit nach § 3 Satz 2 ArbZG auf bis zu zehn Stunden täglich zu verlängern (vgl. zu § 124 SGB IX aF  - Rn. 21; - 9 AZR 462/01 - zu A II 1 b aa (2) und (3) der Gründe, BAGE 104, 73). Die Vorschrift des § 207 SGB IX soll sicherstellen, dass die Leistungsfähigkeit schwerbehinderter Menschen nicht durch zu lange Arbeitszeiten überbeansprucht (vgl. BT-Drs. 7/1515, S. 15, 16) und die gleichberechtigte Teilhabe des schwerbehinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft gefördert wird (§ 1 SGB IX). Dieser Schutzzweck der Norm erfordert es, die tägliche Arbeitszeit zu begrenzen. Nur so wird gewährleistet, dass dem schwerbehinderten Menschen ausreichend Zeit für die Teilhabe an der Gesellschaft bleibt, insbesondere für die notwendigen täglich zu verrichtenden Angelegenheiten wie Einkaufen, Behördengänge etc. Ein Bezug auf vom Werktag unabhängige tarifliche oder sonst im Arbeitsverhältnis geltende Arbeitszeitregelungen würde dem nicht gerecht (vgl. zu § 124 SGB IX aF  - Rn. 21 mwN; - 9 AZR 462/01 - zu A II 1 b aa der Gründe, BAGE 104, 73; zu § 46 SchwbG aF und § 3 AZO aF  - zu II der Gründe, BAGE 63, 221).

26d) Entgegen der Ansicht des Klägers verlangt es der Schutzzweck der Regelung aber nicht, als Rufbereitschaft angeordnete Bereitschaftszeiten per se als Mehrarbeit iSd. § 207 SGB IX anzusehen. Vielmehr ist auch ein schwerbehinderter Mensch grundsätzlich zur Leistung von Bereitschaftszeiten in der Sechstagewoche verpflichtet, soweit damit keine Mehrarbeit verbunden ist.

27e) Danach hat der Kläger jedenfalls keinen Anspruch darauf, generell von Bereitschaftszeiten ausgenommen zu werden. Angesichts seiner regulären Fünftagewoche könnte er zumindest an einem sechsten Tag in der Woche zu einer achtstündigen Bereitschaft herangezogen werden. Für die Abweisung des global gefassten Hauptantrags kommt es damit nicht darauf an, ob es sich bei den konkret angeordneten Bereitschaftszeiten um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes handelt (vgl.  - zu A II 2 b der Gründe, BAGE 104, 73).

284. Im Ergebnis zutreffend verneint das Landesarbeitsgericht auch einen Anspruch des Klägers auf generelle Freistellung von den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten aus § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX iVm. § 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX.

29a) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen und diesen Gleichgestellte (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX) ua. Anspruch auf eine behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit. Dies schließt die Gestaltung von Sonderformen der Arbeit wie zB Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft ein. Die Vorschrift begründet einen einklagbaren Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers oder eines diesem Gleichgestellten, nicht (mehr) zu Rufbereitschaftsdiensten eingeteilt zu werden, wenn er diese wegen seiner Behinderung nicht ausüben kann (vgl. zur Nachtarbeit  - zu A II 2 c der Gründe, BAGE 104, 73).

30b) Macht der schwerbehinderte Arbeitnehmer Ansprüche nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX auf behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsorganisation und Arbeitszeit geltend, trägt er nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Beansprucht er, nicht mehr zu Rufbereitschaftsdiensten herangezogen zu werden, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, die damit verbundenen Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen zu können. Dazu obliegt es ihm vorzutragen, inwieweit sein Leistungsvermögen durch die Auswirkungen der Art und Schwere seiner Behinderung so eingeschränkt ist, dass er die ihm übertragene Sonderform der Arbeit (hier Bereitschaftszeiten) nicht mehr leisten kann (vgl. Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 164 Rn. 188; NPGWJ/Greiner 14. Aufl. SGB IX § 164 Rn. 54).

31c) Nach den getroffenen Feststellungen hat der Kläger keine Tatsachen dargelegt, die darauf schließen lassen, dass er aufgrund seiner behinderungsbedingten Einschränkungen vollständig von der Teilnahme an den als Rufbereitschaft angeordneten Bereitschaftszeiten zu befreien ist.

32aa) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Vortrag des Klägers nicht darauf schließen lässt, er sei aufgrund seiner Behinderung selbst mit den gewährten Unterstützungen und Erleichterungen nicht dazu in der Lage, Bereitschaftszeiten zu leisten. Soweit der Kläger Rücken- und Bandscheibenleiden als Beeinträchtigungen anführt, hat die Beklagte diesen durch die Anweisung Rechnung getragen, er solle bei Einsätzen während der Bereitschaftszeiten Mitarbeiter aus der Abteilung Abwasser zur Unterstützung heranziehen, wenn er bestimmte Tätigkeiten aufgrund der seiner Beeinträchtigungen nicht ausführen könne. Soweit der Kläger das Vorliegen eines psychischen Leidens einwendet, fehlt Vortrag zu den damit verbundenen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die Fähigkeit, Bereitschaftszeiten zu leisten. Ärztliche Atteste sind nicht eingereicht, den vorgelegten Stellungnahmen des Diplom-Psychologen lassen sich Feststellungen zu konkreten Beeinträchtigungen nicht entnehmen.

33bb) Mit seiner Rüge, das Landesarbeitsgericht habe eine ihm obliegende Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO verletzt, dringt der Kläger bereits deshalb nicht durch, weil er nicht vorgetragen hat, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht ihm hätte erteilen müssen und was er auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte (vgl. zu den Anforderungen an eine Rüge der Verletzung von Hinweispflichten  - Rn. 46 mwN; - 9 AZR 983/07 - Rn. 32, BAGE 130, 119).

345. Ein Anspruch des Klägers auf generelle Befreiung von den Bereitschaftszeiten folgt auch nicht aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 611a Abs. 1, § 613 iVm. § 241 Abs. 2 BGB). Der Kläger hat nicht hinreichend dargelegt, dass - insbesondere nicht im Zusammenhang mit seiner Gleichstellung stehende - gesundheitliche Gründe die Herausnahme aus der Rufbereitschaft erfordern.

35B. Die Revision des Klägers ist begründet, soweit er die Feststellung begehrt, von samstags 00:00 Uhr bis montags 07:15 Uhr von den Bereitschaftszeiten freigestellt zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts insoweit zu Unrecht zurückgewiesen. Der Senat kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Einteilung des Klägers zu Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft für diesen Zeitraum tatsächlich Arbeitszeit darstellt und damit eine gemäß § 207 SGB IX unzulässige Anordnung von Mehrarbeit zum Gegenstand hat. Dies führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Soweit der Kläger im Übrigen die Feststellung begehrt, freitags von 14:45 Uhr bis 24:00 Uhr von den Bereitschaftszeiten freigestellt zu werden, ist die gegen die Abweisung des ersten Hilfsantrags gerichtete Revision unbegründet.

36I. Der erste Hilfsantrag ist teilweise zulässig.

371. Mit ihm begehrt der Kläger die Feststellung, im Anschluss an die tägliche Arbeitszeit von montags 07:15 Uhr bis freitags 14:45 Uhr nicht an von der Beklagten angeordneten Wochenendrufbereitschaften teilnehmen zu müssen. Bei den Bereitschaftszeiten - so der Kläger - handele es sich durchgehend um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes. In der Einteilung zur Wochenendrufbereitschaft liege deshalb, zumindest soweit sie acht Stunden am Tag übersteige, die Anordnung von Mehrarbeit, die er nach § 207 SGB IX nicht zu leisten verpflichtet sei.

382. Der Antrag ist zulässig, soweit er sich auf die Teilnahme an Bereitschaftszeiten von samstags 00:00 Uhr bis montags 07:15 Uhr bezieht.

39a) Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der begehrten Feststellung liegt vor. Die Feststellung, dass die Ausübung des Direktionsrechts wirksam oder unwirksam ist, kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein ( - Rn. 38).

40b) Die Beklagte beruft sich darauf, den Kläger zur Wochenendrufbereitschaft einteilen zu dürfen. Sie hat ihn mit Schreiben vom darauf hingewiesen, dass er Rufbereitschaft „von Freitag 00:00 Uhr bis Montag, 07:15 Uhr“ nach näheren Maßgaben zu leisten habe, wobei sein regulärer Dienst freitags um 14:45 Uhr ende. Der Kläger nimmt den Standpunkt ein, dass eine Weisung der Beklagten, nach dieser Maßgabe Rufbereitschaft zu leisten, unwirksam sei und er eine solche nicht befolgen müsse. Die begehrte Feststellung ist geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über die zwischen ihnen streitige Frage auszuschließen.

413. Im Übrigen ist der Antrag unzulässig. Der Kläger verfügt nicht über das erforderliche Interesse, gerichtlich feststellen zu lassen, freitags von 14:45 Uhr bis 24:00 Uhr nicht zu Bereitschaftszeiten eingeteilt werden zu dürfen. Eine Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an Bereitschaftszeiten im Anschluss an seine regelmäßige Arbeitszeit an Freitagen steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Beklagte berühmt sich nicht eines Rechts, den Kläger für diesen Zeitraum dazu einzuteilen. Sie hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am ausdrücklich klargestellt, ihre Weisung im Schreiben vom sei dahingehend zu verstehen, dass der Kläger zur Rufbereitschaft nur von Samstag 00:00 Uhr bis Montag 07:15 Uhr herangezogen werden könne. Eine Einteilung des Klägers zu Bereitschaftszeiten an Freitagen sei nicht beabsichtigt.

42II. Soweit der erste Hilfsantrag zulässig ist, durfte das Landesarbeitsgericht ihn nicht mit der gegebenen Begründung abweisen. Aufgrund der festgestellten Tatsachen lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob es sich bei der von der Beklagten angeordneten Bereitschaftszeit tatsächlich um Rufbereitschaft oder um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes handelt mit der Folge, dass in der Einteilung zur Bereitschaftszeit zugleich eine dem Kläger gegenüber gemäß § 207 SGB IX iVm. § 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGB IX unzulässige Anordnung von Mehrarbeit liegt.

431. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der erste Hilfsantrag sei unbegründet, weil die von der Beklagten angeordnete Rufbereitschaft als solche keine Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne darstelle. Die Beklagte habe dem Anspruch des Klägers aus § 207 SGB IX, von Mehrarbeit freigestellt zu werden, dadurch Rechnung getragen, dass sie ihn von der Rufbereitschaft montags bis freitags generell ausgenommen und ihn im Übrigen angewiesen habe, im Falle eines Arbeitseinsatzes am Samstag und Sonntag jeweils rechtzeitig vor Ablauf von acht Stunden effektiver Arbeitszeit den Bereitschaftsdienst des Bereichs Abwasser - zu seiner Ablösung - hinzuzuziehen. Eine Überschreitung der Normalarbeitszeit zu Wochenbeginn an dem jeweiligen Montag werde dadurch vermieden, dass die montags in der Rufbereitschaft ab 00:00 Uhr bis 07:15 Uhr anfallende effektive Arbeitszeit auf die regulär zu leistende achtstündige Arbeitszeit an diesem Werktag angerechnet werde.

442. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Sie erlauben nicht die Annahme einer Verpflichtung des Klägers, auf Anweisung der Beklagten Bereitschaftszeiten an Wochenenden zu leisten. Die - grundsätzlich vom Direktionsrecht der Beklagten umfasste - Einteilung des Klägers zu den Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft am Wochenende (Samstag 00:00 Uhr bis Montag 07:15 Uhr) verstieße gegen seinen Anspruch aus § 207 SGB IX auf Freistellung von Mehrarbeit, wenn es sich bei den Bereitschaftszeiten insgesamt um Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes handele. Die Anweisung, eine 55 Stunden und 15 Minuten umfassende Wochenendrufbereitschaft zu leisten, hätte dann zugleich die Überschreitung der werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden und die Verteilung der Arbeitszeit auf sieben Tage in der Woche zum Gegenstand. Entsprechendes gölte, wenn der zur Wochenendrufbereitschaft eingeteilte Kläger typischerweise sowohl samstags als auch sonntags tatsächlich zur Arbeitsleistung abgerufen würde. In diesem Fall fiele Mehrarbeit jedenfalls dadurch an, dass er angesichts seiner regulären Fünftagewoche tatsächlich an sieben Tagen in der Woche zur Arbeitsleistung herangezogen würde.

45a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen. Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind arbeitsrechtlich Arbeitszeit. Sie müssen bei der Berechnung des zulässigen Umfangs der Arbeitszeit in vollem Umfang und nicht nur im Umfang des tatsächlichen Arbeitseinsatzes berücksichtigt werden ( - Rn. 15 mwN). Demgegenüber stellen Zeiten der Rufbereitschaft als solche (anders die Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft) keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes dar ( - Rn. 42, BAGE 119, 41).

46b) Unter Rufbereitschaft wird eine besondere Form des Bereithaltens zur Arbeit verstanden. Der Arbeitnehmer hat, ohne am Arbeitsplatz anwesend sein zu müssen, ständig für den Arbeitgeber erreichbar zu sein, um auf Abruf die Arbeit aufnehmen zu können ( - zu B I 2 der Gründe). Im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst, der im Bedarfsfall die sofortige Arbeitsaufnahme ermöglichen soll und bei der sich deshalb der Arbeitnehmer nach § 7 Abs. 3 TVöD-V an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten hat, erlaubt Rufbereitschaft dem Arbeitnehmer grundsätzlich die Gestaltung seiner an sich arbeitsfreien Zeit. Er kann sich während der Rufbereitschaft um persönliche und familiäre Angelegenheiten, an sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, sich mit Freunden zu treffen etc. ( - Rn. 13; - 6 AZR 214/00 - aaO). Während der Rufbereitschaft darf der Arbeitnehmer deshalb seinen Aufenthaltsort grundsätzlich selbst bestimmen. Völlig frei ist er dabei aber nicht. Der Zweck der Rufbereitschaft besteht gerade darin, dass der Arbeitnehmer in der Lage sein muss, die Arbeit innerhalb einer angemessenen Zeitspanne auf Abruf aufnehmen zu können. Kennzeichnend für Rufbereitschaft ist daher, dass zwischen dem Abruf und der Arbeitsaufnahme nur eine solche Zeitspanne liegen darf, deren Dauer den Einsatz nicht gefährdet und die Arbeitsaufnahme im Bedarfsfall gewährleistet. Der Arbeitnehmer darf sich nicht in einer Entfernung vom Arbeitsort aufhalten, die dem Zweck der Rufbereitschaft zuwiderläuft. Mithin stehen mittelbare Einschränkungen des Aufenthaltsorts dem Vorliegen von Rufbereitschaft nicht zwangsläufig entgegen. Die Eingrenzung der freien Wahl des Aufenthaltsorts und damit einhergehend der Möglichkeiten zur Gestaltung der Zeit der Rufbereitschaft ist vielmehr ein Wesensmerkmal dieses Dienstes ( - Rn. 14).

47c) Erhebliche Einschränkungen durch die konkrete Ausgestaltung der Rufbereitschaft und besondere Vorgaben (zB kurze Reaktionszeiten) sind mit dem Wesen der Rufbereitschaft jedoch nicht vereinbar. Dies ergibt die unionsrechtskornforme Auslegung des Arbeitszeitgesetzes, das der Umsetzung der arbeitszeitrechtlichen Vorgaben der RL 2003/88/EG dient. Nach deren Art. 2 Abs. 1 ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Demgegenüber ist Ruhezeit nach Art. 2 Abs. 2 RL 2003/88/EG jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit. Die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ schließen einander aus. Die Bereitschaftszeit eines Arbeitnehmers ist deshalb arbeitszeitrechtlich entweder als Arbeitszeit oder als Ruhezeit einzustufen, da die RL 2003/88/EG keine Zwischenkategorie vorsieht ( - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 29 mwN). Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht an seinem Arbeitsplatz bleiben muss, ist insgesamt als Arbeitszeit einzustufen, wenn dem Arbeitnehmer Einschränkungen auferlegt werden, die ihn bei objektiver Betrachtung ganz erheblich darin beeinträchtigen, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen in Anspruch genommen werden können, frei gestalten und sich eigenen Interessen widmen zu können. Erreichen dagegen die dem Arbeitnehmer während einer bestimmten Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen nicht diesen Intensitätsgrad und erlauben sie es ihm, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, stellen nur die Zeiten tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung Arbeitszeit dar (vgl.  - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 36 ff. mwN).

48aa) Bei der im Einzelfall zu treffenden Feststellung, ob Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft als Arbeitszeit anzusehen ist, sind nur Einschränkungen der Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, die diesem durch gesetzliche bzw. (tarif-)vertragliche Bestimmungen oder Vorgaben des Arbeitgebers auferlegt werden. Organisatorische Schwierigkeiten, die die Bereitschaftszeit für den Arbeitnehmer mit sich bringen und die sich nicht aus solchen Einschränkungen ergeben, sondern zB Folge natürlicher Gegebenheiten oder der freien Entscheidung des Arbeitnehmers sind, bleiben unberücksichtigt. Dementsprechend stellt eine große Entfernung zwischen dem vom Arbeitnehmer frei gewählten Ort und dem Ort, der für ihn während seiner Bereitschaftszeit innerhalb einer bestimmten Frist erreichbar sein muss, für sich genommen kein relevantes Kriterium für die Einstufung dieser gesamten Zeitspanne als Arbeitszeit dar (vgl.  - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 39 ff.).

49bb) Die ständige Erreichbarkeit während der Bereitschaftszeit ist aber dann als Arbeitszeit im arbeitsrechtlichen Sinne zu bewerten, wenn der Arbeitnehmer in Anbetracht der ihm eingeräumten sachgerechten Frist für die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeiten seine persönlichen sozialen Aktivitäten nicht planen kann. Demgegenüber ist Bereitschaftszeit, in der die Arbeit in nur wenigen Minuten aufzunehmen ist, grundsätzlich in vollem Umfang als Arbeitszeit anzusehen, da der Arbeitnehmer in diesem Fall in der Praxis weitgehend davon abgehalten wird, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen (vgl.  - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 45 ff.). Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während der er verpflichtet ist, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, schränkt beispielsweise in erheblichem Maße seine Möglichkeit ein, anderen Tätigkeiten nachzugehen, und ist als Arbeitszeit anzusehen ( - [Matzak] Rn. 66). Das Bundesarbeitsgericht hat auch Reaktionszeiten von zehn Minuten ( - zu II 2 der Gründe) und 20 Minuten ( - zu B I 2 der Gründe) zwischen Abruf und Arbeitsaufnahme für zu kurz befunden. Ein Zeitraum von ca. 25 bis 30 Minuten stehe einer Rufbereitschaft hingegen nicht entgegen ( - zu B I 2 der Gründe).

50cc) Bei der Beurteilung, ob die Bereitschaftszeit als Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichem Sinne zu qualifizieren ist, fällt außerdem die durchschnittliche Häufigkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme während der Bereitschaftszeiten ins Gewicht. Ein Arbeitnehmer, der während einer Bereitschaftszeit im Durchschnitt zahlreiche Einsätze zu leisten hat, verfügt über einen nur geringen Spielraum, um seine Zeit während der Perioden der Inaktivität frei zu gestalten, weil diese häufig unterbrochen werden. Dies gilt umso mehr, wenn die Einsätze von nicht unerheblicher Dauer sind (vgl.  - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 51 f.). Wird der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt nur selten in Anspruch genommen, liegt gleichwohl Arbeitszeit in arbeitszeitrechtlichem Sinne vor, wenn die dem Arbeitnehmer für die Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auferlegte Frist hinreichende Auswirkungen hat, um seine Möglichkeit zur freien Gestaltung der Zeit, in der während der Bereitschaftszeiten seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, objektiv gesehen ganz erheblich einschränken (vgl.  - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 54).

51d) Das Landesarbeitsgericht hat die nach den vorstehenden Grundsätzen gebotene Gesamtwürdigung nicht vorgenommen. Erst diese ermöglicht die Beurteilung, ob die Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit zu qualifizieren sind. Die angefochtene Entscheidung würdigt nur den Zeitraum, der dem Kläger vom Abruf bis zur Arbeitsaufnahme zur Verfügung steht, ohne die von ihm erwartete Reaktionszeit oder die Eilbedürftigkeit der Einsätze näher aufzuklären. Mit den weiteren Beurteilungskriterien der Häufigkeit und Dauer der Einsätze hat sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Entsprechendes gilt für die Prognose, ob der Kläger häufig zu Einsätzen am Samstag und Sonntag gerufen und damit regelmäßig die Sechstagewoche überschritten wird.

52III. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat die erforderliche Gesamtabwägung nicht selbst vornehmen und darüber entscheiden, ob die von der Beklagten angeordnete Rufbereitschaft als Arbeitszeit iSv. § 3 ArbZG zu qualifizieren ist. Dies führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird die notwendigen Feststellungen, insbesondere zur Reaktionszeit, durchschnittlichen Häufigkeit und Dauer der tatsächlichen Inanspruchnahme des Klägers während der Bereitschaftszeiten, zu treffen haben, um unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls abschließend zu beurteilen, ob der Kläger während seiner Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft objektiv gesehen so erheblichen Einschränkungen unterworfen ist, dass er seine Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, nicht hinreichend frei gestalten und sich eigenen Interessen widmen kann.

53C. In der fortgesetzten Berufungsverhandlung wird das Landesarbeitsgericht hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags Folgendes zu beachten haben:

54I. Der zweite Hilfsantrag fällt nur dann zur Entscheidung an, wenn der Kläger mit seinem ersten Hilfsantrag unterliegt. Dies ist nur dann der Fall, wenn sich weder die inaktiven Zeiten der Rufbereitschaft als Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes erweisen sollten noch ein häufiges Überschreiten der Sechstagewoche prognostizierbar ist und den Kläger damit grundsätzlich die Verpflichtung trifft, die Rufbereitschaftsdienste am Wochenende zu leisten.

55II. Bei dem Antrag handelt es sich um einen Globalantrag, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, an (allen) Sonntagen (stets) von der Teilnahme an Bereitschaftszeiten in Form von Rufbereitschaft befreit zu sein. Die Pflicht zur Teilnahme an der Rufbereitschaft an Wochenenden schließt in den unter C I genannten Fallkonstellationen jedoch die Sonntage grundsätzlich ein. Die erstrebte generelle Entbindung von der sonntäglichen Rufbereitschaft kann der Kläger deshalb nicht beanspruchen. Eine Freistellung von der Rufbereitschaft an Sonntagen kommt in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn der Kläger seine reguläre Fünftagewoche geleistet und im Rahmen der Wochenendrufbereitschaft am Samstag tatsächlich zur Arbeitsleistung herangezogen worden ist. Dann wäre die als Normalarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz vorgesehene Sechstagewoche erreicht und eine weitere Inanspruchnahme des Klägers gemäß § 207 SGB IX ausgeschlossen. Der Sinn und Zweck der Rufbereitschaft könnte dann nicht mehr realisiert werden. Nach der Ableistung einer Sechstagewoche ist der Kläger nicht verpflichtet, an einem siebten Tag in der Woche eine Leistung für die Beklagte zu erbringen, bei der Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitgesetzes anfällt. Eine Rufbereitschaft, bei der der Arbeitnehmer die Arbeit bei einem Abruf nicht aufnehmen müsste, wäre sinnlos.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2021:270721.U.9AZR448.20.0

Fundstelle(n):
BB 2021 S. 2675 Nr. 45
DB 2021 S. 2837 Nr. 47
DB 2021 S. 6 Nr. 45
NJW 2022 S. 206 Nr. 3
NAAAH-93578