Umsatzsteuer | Leistungen einer Hygienefachkraft sind steuerfrei (FG)
Gegenüber Alten- und Pflegeeinrichtungen erbrachte Leistungen einer selbständigen Hygienefachkraft sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL umsatzsteuerfrei (; Revision zugelassen).
Sachverhalt: Der Kläger ist ausgebildeter Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene und als selbständige Hygienefachkraft tätig. Seine Leistungen erbringt er unter anderem gegenüber Krankenhäusern, Altenheimen und Pflegezentren. Hierzu gehören die Schulung, Beratung und Fortbildung des Personals, die Erstellung von Hygienekonzepten und -plänen, die Festlegung der Vorgehensweise bei einer Isolierung von Patienten sowie Hausbegehungen.
Das Finanzamt behandelte die gegenüber Krankenhäusern erbrachten Leistungen des Klägers als umsatzsteuerfrei, unterwarf jedoch seine gegenüber Alten- und Pflegeheimen erbrachten Leistungen der Besteuerung. Mit seiner Klage begehrte der Kläger eine vollständige Freistellung seiner Umsätze, da Altenheime im Hinblick auf Hygienestandards Krankenhäusern gleichzustellen seien.
Das FG Münster sieht eine Steuerbefreiung nach der MwStSystRL:
Die streitigen Leistungen fallen zwar nicht unter eine nationale Befreiungsvorschrift des UStG; der Kläger kann sich aber unmittelbar auf die MwStSystRL berufen.
Den für eine Einordnung der Leistungen als Heilbehandlungen i. S. von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erforderlichen unmittelbaren Bezug zu einer Behandlungstätigkeit in Krankenhäusern oder anderen medizinischen Einrichtungen im Einzelfall hat der Kläger nicht nachgewiesen. Aus dem gleichen Grund kann er sich auch nicht auf die Befreiungsvorschrift für Leistungen einer Hygienefachkraft zur Verhütung von nosokomialen Infektionen und zur Vermeidung der Weiterverbreitung von Krankheitserregern (§ 4 Nr. 14 Buchst. e UStG) berufen. Zudem ist diese Vorschrift im Streitjahr 2012 noch nicht anwendbar gewesen.
Auch die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. d und e UStG liegen nicht vor, da die Alten- und Pflegeheime keine häusliche Pflege erbracht haben bzw. der Kläger seine Leistungen gegenüber den Einrichtungen nicht unmittelbar gegenüber den Heimbewohnern erbracht hat.
Allerdings fallen die streitigen Umsätze unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, wonach eng mit der Betreuung oder Pflege hilfsbedürftiger Personen verbundene Leistungen steuerfrei sind. Diese Vorschrift ist nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt worden, sodass der Kläger sich unmittelbar hierauf berufen kann.
Die Hygieneleistungen sind eng mit den der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätzen der Alten- und Pflegeheime verbunden, da gerade dort die Einhaltung hygienischer Anforderungen unerlässlich ist, was insbesondere während der noch andauernden Corona-Pandemie mehr als deutlich geworden ist. Gerade Bewohner dieser Einrichtungen sind besonders anfällig für Infektionen und damit besonders schutzbedürftig. Der Kläger ist auch als Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen, da sein Tätigkeitsbereich durch spezifische Vorschriften des HeimG sowie durch Empfehlungen der beim Robert-Koch-Institut eingerichteten Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention geregelt und die Tätigkeit von überragendem Gemeinwohlinteresse ist.
Die Revision ist zugelassen. Ein BFH-Az. ist derzeit nicht bekannt.
Das vollständige Urteil ist auf der Homepage des FG Münster veröffentlicht. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Quelle: FG Münster, Newsletter v. (JT)
Fundstelle(n):
TAAAH-92740