BGH Beschluss v. - 3 StR 203/21

Reihenfolge der Vollstreckung von Maßregeln und Gesamtstrafenbildung: Vollstreckungsreihenfolge bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und Sicherungsverwahrung; einheitliche Entscheidung über die Einziehung im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung

Gesetze: § 55 Abs 2 StGB, § 64 StGB, § 66 StGB, § 67c Abs 1 S 1 Nr 1 StGB, § 73 StGB, §§ 73ff StGB

Instanzenzug: LG Kleve Az: 110 KLs 30/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Auflösung einer Gesamtfreiheitsstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Kleve vom sowie aus einem Urteil des Amtsgerichts Kleve vom in Verbindung mit einem Urteil des Landgerichts Kleve vom unter Freispruch im Übrigen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine Kompensationsentscheidung wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung getroffen, die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 27.500 € angeordnet. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie die Einziehung von 13.600 € aus dem Vermögen des Angeklagten aufrechterhalten, die in dem einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Kleve vom in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Kleve vom angeordnet worden waren. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zur Festsetzung der Vollstreckungsreihenfolge der nebeneinander angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln und einer Teilkorrektur der Einziehungsentscheidung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus dem Urteil des Amtsgerichts Kleve vom in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Kleve vom zu Recht aufrechterhalten (§ 55 Abs. 2 StGB). Es hat aber entgegen § 72 Abs. 3 Satz 1 StGB nicht die Reihenfolge der Vollstreckung der beiden freiheitsentziehenden Maßregeln bestimmt. Diese setzt der Senat wie aus der Beschlussformel ersichtlich gemäß § 354 Abs. 1 analog StPO fest.

3Die Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist grundsätzlich vor der Sicherungsverwahrung zu vollstrecken, weil eine erfolgreiche Entziehungskur die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung (§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) oder jedenfalls günstigere Voraussetzungen für die Resozialisierung in der Sicherungsverwahrung schaffen kann und jener "ultima-ratio-Charakter" zukommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 473/14, NStZ 2015, 210; vom - 1 StR 624/15, juris Rn. 2 f.; LK/Valerius, StGB, 13. Aufl., § 72 Rn. 39; s. auch , BGHR StGB § 63 Konkurrenzen 3 zum Verhältnis von § 63 StGB und § 66 StGB). Gründe, die im vorliegenden Fall ausnahmsweise für eine andere Vollstreckungsreihenfolge sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

42. Die Einziehungsanordnung ist in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO teilweise zu ändern.

5a) Die Aufrechterhaltung der in dem Urteil des Amtsgerichts Kleve vom in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Kleve angeordneten Einziehung von 13.600 € war nicht auszusprechen.

6Liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, sind Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art grundsätzlich durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen, so dass über sie durch das Gericht zu entscheiden ist, das auch über die nachträgliche Gesamtstrafe befindet. Dieses ist dabei an die Rechtskraft der ursprünglichen Entscheidung gebunden. Sofern die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die (weitere) Vollstreckung vorliegen, ist die frühere Einziehungsentscheidung in das neue Urteil einzubeziehen. Dies geschieht - trotz des auf die Aufrechterhaltung der früheren Entscheidung gerichteten Wortlauts des § 55 Abs. 2 StGB - durch das Zusammenzählen der Beträge aus der früheren und der aktuellen Einziehungsentscheidung. Damit wird die Einziehungsanordnung in dem früheren Urteil gegenstandlos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB und bedarf keiner Aufrechterhaltung; die entsprechende Anordnung entfällt (vgl. , juris Rn. 18 f. mwN; Urteile vom - 3 StR 94/08, NStZ-RR 2008, 275, 276; vom - 4 StR 130/03, BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 7; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 55 Rn. 29, 30; Matt/Renzikowski/Bußmann, StGB, 2. Aufl., § 55 Rn. 31).

7Der Senat setzt den einheitlich einzuziehenden Betrag auf 41.100 € fest, also auf die Summe der rechtskräftigen Einziehungsentscheidung aus dem Urteil des Amtsgerichts Kleve vom in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Kleve vom in Höhe von 13.600 € und dem Einziehungsbetrag aus den verfahrensgegenständlichen Taten in Höhe von insgesamt 27.500 €, nämlich 7.500 € aus Fall II. Ziff. 2 der Urteilsgründe und 20.000 € aus Fall II. Ziff. 3 der Urteilsgründe.

8b) Zudem ist der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen zugunsten des Angeklagten dahin zu ergänzen, dass er in Höhe eines Teilbetrages von 20.000 € als Gesamtschuldner haftet.

9Nach den zu Fall II. Ziff. 3 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen beging er diese Tat mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter und erlangte Mitverfügungsgewalt an der Tatbeute in der vorgenannten Höhe, so dass beide im Rahmen der Einziehung gesamtschuldnerisch haften (vgl. , NStZ 2021, 37 Rn.14). Die Kennzeichnung der Gesamtschuldnerschaft in der Urteilsformel dient dazu, das mehrfache Einziehen der Taterträge zu verhindern. Ihr steht nicht entgegen, dass nicht alle Tatbeteiligten identifiziert worden sind; der individuellen Benennung der anderen Gesamtschuldner bedarf es nicht (vgl. , juris Rn. 3; Urteil vom - 3 StR 283/18, NZWiSt 2019, 225, 229; Beschluss vom - 2 StR 245/18, juris Rn. 10 mwN).

103. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben.

114. Angesichts des geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:270721B3STR203.21.0

Fundstelle(n):
QAAAH-92699