Patentnichtigkeitssache: Zulässigkeit der Berufung des Klägers bei erklärtem Nichtangriff des vom Beklagten mit einem Hilfsantrag verteidigten Gegenstands des Streitpatents in der ersten Instanz; Umdeutung in eine Anschlussberufung - Bediengerät für Spiele
Leitsatz
Bediengerät für Spiele
1. Hat der Kläger in der ersten Instanz des Patentnichtigkeitsverfahrens erklärt, dass er den vom Beklagten mit einem Hilfsantrag verteidigten Gegenstand des Streitpatents nicht angreift, ist eine Berufung mit dem Ziel, das Streitpatent in weitergehendem Umfang für nichtig zu erklären, mangels formeller Beschwer unzulässig.
2. Ein solches Rechtsmittel kann in eine Anschlussberufung umgedeutet werden, wenn die für diesen Rechtsbehelf maßgeblichen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.
Gesetze: § 110 Abs 1 PatG, § 115 Abs 1 PatG
Instanzenzug: Az: 4 Ni 25/17 (EP) Urteil
Tatbestand
1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 854 518 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme der Priorität einer japanischen Anmeldung vom angemeldet worden ist und eine Spielsteuervorrichtung betrifft. Patentanspruch 1, auf den fünf weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:
A game operating device (10), comprising
a longitudinal housing (12) having a thickness capable of being held by one hand (62);
a first operating portion (26, 42) provided on said housing (10), said first operating portion (26, 42) provided on a first plane (20) of said housing (12) along a longitudinal direction (C1);
an imaging means (56) to capture image data; a data transmission portion (70) for transmitting data by radio waves,
a second operating portion (42, 28) provided on a second plane (22) opposed to said first plane (20) of said housing (12) at a position reached by an index finger (62b) of said one hand (62) when a thumb (62a) of said one hand (62) is placed on said first operating portion (26, 42); and
a holding portion (18) formed at a position where it can be held by a palm (62P) and other fingers (62c, 62d, 62e) of said one hand (62) when a thumb (62a) is placed on said first operating portion (26, 42) and an index finger (62b) is placed on said second operating portion (42, 28) the device being characterised by:
the imaging means (56) being provided at an end (52) opposed to said holding portion (18) of said housing (10) in such a manner that it can perform imaging in a direction in which the thumb (56a) is faced when said thumb (56a) is placed on said first operating portion (26, 42) and said holding portion (18) is held by said palm (62P) and the other fingers (62c, 62d, 62e);
an image processing means (76) being provided in such a manner that it can obtain high intensity portion data on the position of a high intensity portion of the image data provided by the imaging means (50);
an acceleration sensor (68) being provided inside said housing (12); and
said data transmitted by said data transmission portion (70) being a sequence of data including operational data from said operating portions (26, 42; 42, 28), acceleration data from said acceleration sensor (68) and said high intensity portion data.
2Die Klägerin, die aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat dieses insgesamt angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung und hilfsweise in drei geänderten Fassungen verteidigt.
3Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über die mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung hinausgeht. Von einer Abweisung der Klage im Übrigen hat es abgesehen, weil die Klägerin erklärt hat, dass sie das Schutzrecht in der Fassung von Hilfsantrag 1 nicht angreife. Hiergegen richten sich beide Parteien mit der Berufung.
4Die Beklagte begehrt in erster Linie die vollständige Abweisung der Klage. Hilfsweise verteidigt sie das Schutzrecht mit sechs Hilfsanträgen sowie in der Fassung des angefochtenen Urteils.
5Die Klägerin begehrt, vorsorglich auch im Wege der Anschlussberufung, die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents.
Gründe
6Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Rechtsmittel der Klägerin ist als Anschlussberufung zulässig, aber nicht begründet.
7I. Die Berufung der Klägerin ist mangels formeller Beschwer unzulässig.
81. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels der klagenden Partei setzt eine formelle Beschwer voraus. Diese liegt nur dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung zum Nachteil der klagenden Partei von dem gestellten Antrag abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (, NJW-RR 2015, 1203 Rn. 8).
9Diese Voraussetzung ist - wie auch die Klägerin nicht verkennt - im Streitfall nicht erfüllt.
10a) In der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht hat die Klägerin ausweislich des Protokolls erklärt, sie greife das Streitpatent in der mit Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung nicht an.
11Damit hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass sie ihren schriftlich angekündigten Antrag auf vollständige Nichtigerklärung nicht mehr weiterverfolgt, sondern eine Nichtigerklärung nur noch insoweit begehrt, als der Gegenstand des Streitpatents über die mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 verteidigte Fassung hinausgeht.
12Diesem eingeschränkten Klagebegehren hat das Patentgericht vollen Umfangs entsprochen.
13b) Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beschränkung der Klage nicht deshalb unwirksam, weil sie unter einer Bedingung gestanden hätte.
14Unter einer prozessualen Bedingung standen die Hilfsanträge der Beklagten. Diese waren für den Fall gestellt, dass der jeweils vorangehende Antrag keinen Erfolg hat.
15Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag der Klägerin enthielt demgegenüber eine gegenständliche Beschränkung des Klageangriffs. Diese Beschränkung stand nicht unter einer Bedingung. Sie war für den Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung zwar nur dann von Bedeutung, wenn das Patentgericht die erteilte Fassung als nicht rechtsbeständig ansah. Darin liegt aber keine Bedingung. Aufgrund der vorgenommenen Beschränkung war es dem Patentgericht vielmehr unter allen Umständen verwehrt, über den Rechtsbestand des mit Hilfsantrag 1 verteidigten Gegenstands zu entscheiden.
162. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine formelle Beschwer des Klägers und Berufungsklägers im Patentnichtigkeitsverfahren nicht deshalb entbehrlich, weil der Nichtigkeitsbeklagte das angegriffene Schutzrecht in der Berufungsinstanz auch dann in der erteilten Fassung verteidigen darf, wenn er es in der ersten Instanz nur in geänderten Fassungen verteidigt hat.
17a) Die umfassende Verteidigungsbefugnis des Nichtigkeitsbeklagten beruht darauf, dass eine beschränkte Verteidigung des Schutzrechts im Nichtigkeitsverfahren gleich behandelt wird wie eine Beschränkung des Schutzrechts in dem dafür vorgesehenen besonderen patentrechtlichen Beschränkungsverfahren und die Beschränkungserklärung in diesem Verfahren bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung zurückgenommen werden kann (, GRUR 2004, 583, 584, juris Rn. 34 - Tintenstandsdetektor).
18An einer vergleichbaren Ausgangslage fehlt es, wenn der Kläger ein Patent mit der Nichtigkeitsklage nur in beschränktem Umfang angreift. Für eine spätere Erweiterung der Klage gelten die allgemeinen prozessualen Regeln. Ein besonderes patentrechtliches Verfahren mit hiervon abweichenden Regeln ist insoweit nicht vorgesehen.
19b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Abweichung von den allgemeinen Regeln auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit geboten. Eine Differenzierung ist vielmehr sachgerecht, weil eine Beschränkungserklärung des Beklagten weitergehende Folgen hat als ein beschränkter Angriff seitens des Klägers.
20Wenn ein Patent infolge beschränkter Verteidigung rechtskräftig teilweise für nichtig erklärt wird, hat der Beklagte grundsätzlich keine Möglichkeit mehr, das Schutzrecht wieder in der erteilten Fassung in Kraft zu setzen. Einem Nichtigkeitskläger, dessen Antrag auf beschränkte Nichtigerklärung Erfolg hatte, bleibt es hingegen unbenommen, das Patent mit einer neuen Klage in weitergehendem Umfang anzugreifen.
21II. Das Rechtsmittel der Klägerin ist jedoch als Anschlussberufung zulässig.
22Mit einer frist- und formgerecht eingelegten Anschlussberufung kann die klagende Partei ihren Angriff gegen das Streitpatent unter Beachtung der durch § 116 und § 117 PatG gezogenen Grenzen erweitern.
23Im Streitfall ist die Antragsänderung sachdienlich, weil dadurch eine umfassende Beilegung des Rechtsstreits erreicht werden kann und die im Hinblick auf Hilfsantrag 1 vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel auch für die Entscheidung über die Berufung der Beklagten relevant sind.
24III. Das Streitpatent betrifft ein Bediengerät für Computerspiele.
251. Zum Stand der Technik verweist die Beschreibung auf mehrere Patentanmeldungen und Patente.
26Das aus der japanischen Anmeldung Hei 8-71252 (NK2a) hervorgegangene japanische Patent 3 422 383 betreffe ein Schießspiel (shooting game). Dort seien um einen Computerbildschirm vier Lichtquellen angeordnet. Das als Schießgerät (shooting gun) bezeichnete Bediengerät weise eine CCD-Kamera auf, die ein Bild bereitstelle, das die vier Lichtquellen erfasse. Ausgehend von der Position der vier Lichtquellen auf dem Bild werde die Ausrichtungsposition des Bediengeräts berechnet, die dafür maßgeblich sei, wohin der Spieler schieße (Abs. 2-6).
27Die japanische Offenlegungsschrift 2002-233665 zeige eine ähnliche Technik, bei der das Bediengerät einer Pistole nachempfunden sei. Dabei sei es schwierig, die Zielrichtung intuitiv zu erfassen. Da der Lauf zudem erheblich über das Halteteil hinausrage, könne die Lage des Bediengeräts nur schwer fixiert werden (Abs. 8 f.).
282. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, ein Bediengerät für ein Computerspiel bereitzustellen, das leicht mit einer Hand zu bedienen ist und bei dem die Richtung, in die der Nutzer zielt, möglichst einfach und präzise erfasst werden kann.
293. Zur Lösung schlägt das Streitpatent ein Bediengerät vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
314. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung.
32a) Entscheidende Bedeutung für die Möglichkeit zur Bedienung mit einer Hand kommt den in den Merkmalen c und f vorgesehenen beiden Bedienteilen (26, 42) zu. Diese sind auf einander gegenüber liegenden Ebenen (20, 22) des Geräts angeordnet, und zwar so, dass das erste Bedienteil mit dem Daumen und das zweite mit dem Zeigefinger betätigt werden kann. Gehalten wird das Gerät mit den drei übrigen Fingern und der Handfläche, die das in Merkmal g vorgesehene Halteteil (12) umschließen können.
33Ein Ausführungsbeispiel für eine solche Anordnung ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 dargestellt.
34b) Zur Erfassung der Ausrichtung dient das in Merkmal d vorgesehene Abbildungsmittel (56).
35aa) Nach Merkmal h ist das Abbildungsmittel (56) an einem dem Halteteil (12) gegenüberliegenden Ende positioniert und so ausgerichtet, dass es eine Abbildung in die Richtung durchführen kann, in die der Daumen zeigt, wenn er auf dem ersten Bedienteil liegt.
36Für das oben dargestellte Ausführungsbeispiel ist diese Anordnung in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 4 dargestellt.
37bb) Bei dem oben dargestellten Ausführungsbeispiel wird als Abbildungsmittel ein Infrarot-Sensor eingesetzt. Dieser kann Infrarotstrahlen erfassen, die von zwei in der Nähe des Bildschirms des Spielesystems angeordneten LED-Modulen (108A und 108B) ausgesandt werden (Abs. 106).
38Eine solche Anordnung ist beispielhaft in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 9 dargestellt.
39Eine zwingende Festlegung auf Infrarotstrahlen und -empfänger enthalten weder die erteilte Fassung des Streitpatents noch die Fassung, die das Schutzrecht durch das angefochtene Urteil erhalten soll.
40c) Merkmal i setzt voraus, dass das Abbildungsmittel Bilder (image data) erfassen kann, die Bereiche hoher Intensität (high intensity portions) enthalten. Diese Bereiche hoher Intensität werden durch Lichtquellen hervorgerufen, die etwa in der Nähe eines Bildschirms angeordnet sind.
41aa) Nach Merkmal i verarbeitet ein Bildverarbeitungsmittel (image processing means) diese Bilddaten und erlangt dadurch Daten über die Bereiche hoher Intensität (high intensity portion data).
42Gemäß Merkmal k werden diese Daten zusammen mit Daten der Bedienteile und des Beschleunigungssensors über Funkwellen übertragen.
43bb) Auf welche Weise diese Bildverarbeitung erfolgt, gibt der Patentanspruch nicht im Einzelnen vor.
44Aus dem Erfordernis, dass das vom Abbildungsmittel erzeugte Bild verarbeitet wird, ergibt sich aber, dass es nicht genügt, die vom Abbildungsmittel erzeugten Signale einfach in Funksignale umzuwandeln und weiterzuleiten. Vielmehr muss im Bediengerät eine Verarbeitung stattfinden, die aus den vom Abbildungsmittel gelieferten Signalen Daten zur Position von Bereichen hoher Intensität gewinnt, und diese Daten müssen mittels Funkwellen übertragen werden.
45cc) Patentanspruch 1 enthält keine zwingenden Vorgaben zur Anzahl solcher Hochintensitätsbereiche. Er schließt auch nicht aus, dass zusätzliche vom Abbildungsmittel gelieferten Informationen genutzt werden, um die Position, Ausrichtung oder Bewegung des Bediengeräts zu ermitteln.
46Aus den übertragenen Daten kann das Spielgerät Informationen über die Bewegung des Bediengeräts erlangen und den Spielverlauf entsprechend gestalten (Abs. 107 f.).
47IV. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
48In der erteilten Fassung habe Patentanspruch 1 keinen Bestand, weil sein Gegenstand über den Inhalt der Stammanmeldung (NK4) hinausgehe, der insoweit mit dem Inhalt der Teilungsanmeldung übereinstimme.
49In der Stammanmeldung sei zwar offenbart, dass das Abbildungsmittel nicht zwingend aus einem Infrarotsensor bestehen müsse. Eine unzulässige Verallgemeinerung liege jedoch darin, dass es nach Merkmal i genüge, wenn das Abbildungsmittel Daten zur Position eines Bereichs hoher Intensität zur Verfügung stelle. Der Stammanmeldung sei lediglich die Lehre zu entnehmen, Daten zur Position und zur Größe eines solchen Bereichs in Kombination auszuwerten. Zwar sei es möglich, die Ausrichtung eines Bediengeräts allein aus der Position zu berechnen. Dies zeige etwa die bereits erwähnte, in der Beschreibung des Streitpatents angeführte japanische Patentschrift 3 422 383. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass vier in einem Rechteck angeordnete Lichtpunkte vorgesehen seien. In den Anmeldeunterlagen sei hingegen nur eine Ausgestaltung mit zwei LED-Modulen am Bildschirm des Spielsystems vorgesehen. Dem Fachmann, einem Elektroingenieur mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung elektronischer Spielgeräte, sei bekannt, dass in diesem Fall die Position der Leuchtmittel nicht ausreiche, um die Ausrichtung des Bediengeräts zu errechnen, sondern auch Daten über deren Größe benötigt würden. In Einklang damit werde die Ermittlung der Ausrichtung des Bediengeräts in der Anmeldung durchweg dahin beschrieben, dass es auf die Position und die Größe der Bereiche hoher Intensität ankomme. Daher entnehme der Fachmann der Stammanmeldung, dass die Bestimmung der Position und der Größe der Bereiche hoher Intensität in untrennbarem Zusammenhang stünden.
50V. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
51Entgegen der Auffassung des Patentgerichts geht der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen, der mit dem Inhalt von NK4 übereinstimmt, nicht hinaus.
521. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass nach dem Offenbarungsgehalt der NK4 als Abbildungsmittel auch andere Komponenten als ein Infrarotsensor bzw. eine Infrarotkamera zum Einsatz kommen können.
53a) Im allgemeinen Teil der Beschreibung der NK4 wird erläutert, ein erfindungsgemäßes Bediengerät umfasse ein Abbildungsmittel (imaging means), das am einen Ende des Gehäuses angeordnet sei (Abs. 11 f.). Dass dieses Abbildungsmittel im Infrarotbereich arbeiten muss, wird hierbei nicht erwähnt. Auch in den in NK4 formulierten Ansprüchen 1 und 2 ist allgemein von einem Abbildungsmittel die Rede.
54Aus dem Stand der Technik, auf den die Beschreibung verweist, ist ebenfalls keine Beschränkung auf im Infrarotbereich arbeitende Abbildungsmittel zu entnehmen. Die japanische Anmeldung Hei 8-71252 (NK2a), aus der das in den Absätzen 3 bis 5 behandelte japanische Patent 3 422 383 hervorgegangen ist, spricht insoweit allgemein von Leuchtkörpern und führt in der Beschreibung neben Infrarotlasern auch Leuchtdioden auf (Abs. 10).
55Vor diesem Hintergrund kommt dem Umstand, dass als Ausführungsbeispiel lediglich eine Infrarotkamera offenbart ist, keine einschränkende Wirkung zu. Aus dem Gesamtinhalt der Anmeldung kommt vielmehr hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Frequenzbereich, den das Abbildungsmittel erfassen kann, nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist.
56b) Zu Recht hat das Patentgericht den Einwand der Klägerin, die allgemeinen Ausführungen in NK4 und die dort formulierten Ansprüche seien außer Betracht zu lassen, weil es der Stammanmeldung in erster Linie um die Haptik und Ergonomie des Bediengeräts gehe, als nicht stichhaltig angesehen.
57In der Beschreibung von NK4 wird ausgeführt, es gehe um ein Gerät, das insbesondere für Schießspiele geeignet sei. Hierzu wird erläutert, im Stand der Technik bekannte Vorrichtungen errechneten das Ziel auf dem Bildschirm anhand der Position von vier Lichtquellen auf Bildern (Abs. 3 ff.).
58Hieraus wird deutlich, dass das Bediengerät auch elektronische Mittel umfassen muss, mit denen solche Bilder gewonnen und verarbeitet werden können. Dass diese Mittel nicht mit demselben Detaillierungsgrad behandelt werden wie die Maßnahmen zur Verbesserung der Ergonomie, führt nicht dazu, dass die Ausführungen dazu gänzlich unbeachtlich sind. Gerade der Umstand, dass dieser Aspekt nicht im Zentrum der Betrachtung steht, spricht eher dafür, dass es insoweit nicht auf Einzelheiten der geschilderten Ausführungsbeispiele ankommt, sondern ein breiter Spielraum besteht.
59c) Angesichts dessen vermag der von der Klägerin angeführte Gesichtspunkt, der Einsatz von Infrarotlicht sei vorteilhaft, weil dieses außerhalb des für Menschen sichtbaren Spektrums liege und deshalb den Spieler nicht störe, ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen.
60Dieser Vorteil wird in NK4 weder in den allgemeinen Erläuterungen noch bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels besonders hervorgehoben. Er mag auch ohne einen solchen Hinweis erkennbar gewesen sein. Daraus kann jedoch allenfalls die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Anmeldung eine solche Ausgestaltung als besonders vorzugswürdige Ausgestaltung beansprucht, nicht aber, dass andere, aus dem Stand der Technik bekannte Abbildungsmittel von vornherein ausscheiden.
612. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist die erteilte Fassung auch im Hinblick auf Merkmal i nicht zu beanstanden.
62Zwar trifft es zu, dass bei dem in NK4 offenbarten Ausführungsbeispiel sowohl die Position als auch die Größe (position and area bzw. position and magnitude) des Hochintensitätsbereichs erfasst und ausgewertet werden (Abs. 111, 116, 119 und 120). Wie bereits die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in einem das Streitpatent betreffenden Einspruchsverfahren (EPA, Entscheidung vom - T 1386/12, NK1 Kap. 3.9) zutreffend dargelegt hat, ergibt sich aber aus dem Umstand, dass NK4 in diesem Zusammenhang auf aus dem Stand der Technik bekannte Mittel verweist, dass auch andere Methoden der Datenauswertung zur Erfindung gehören.
63a) Bei der Schilderung des Ausführungsbeispiels wird in NK4 erläutert, auf die dargestellte Weise könne die Einheit zur Berechnung von Bildinformationen (imaging information arithmetic unit) ein Bedienungssignal aus der Veränderung der Position eines Markers in einem Bild erlangen. Ergänzend wird ausgeführt, das Prinzip der Einheit zur Berechnung von Bildinformationen sei aus der bereits in der Einleitung erwähnten japanischen Patentschrift 3 422 383 bekannt, weswegen von einer detaillierten Erläuterung abgesehen werde (Abs. 117). Wie bereits oben dargelegt wurde, offenbart die genannte Patentschrift eine Positionsermittlung mit Hilfe von vier Lichtquellen, was in der NK4 ebenfalls ausdrücklich erwähnt wird (Abs. 3).
64Vor diesem Hintergrund kann dem Umstand, dass bei dem in NK4 geschilderten Ausführungsbeispiel Position und Größe des Hochintensitätsbereichs ausgewertet werden, nicht entnommen werden, dass nur eine solche Ausgestaltung zur Erfindung gehört. Das in NK4 offenbarte Ausführungsbeispiel weicht zwar von dem dort zitierten Stand der Technik ab, als nur zwei Lichtquellen eingesetzt werden. Der Umstand, dass in diesem Zusammenhang nochmals auf den Stand der Technik verwiesen wird, spricht aber dafür, dass damit nur beispielhaft eine von mehreren in Betracht kommenden Ausgestaltungen aufgezeigt wird und der Fachmann frei ist, stattdessen auf eine andere aus dem Stand der Technik bekannte Ausgestaltung zurückzugreifen.
65b) Auch in diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob die beim Ausführungsbeispiel gewählte Ausgestaltung besondere Vorteile bietet.
66Solche Vorteile werden in NK4 nicht hervorgehoben. Selbst wenn sie auch ohne ausdrückliche Erwähnung erkennbar waren, stellt sich das Ausführungsbeispiel auch in diesem Zusammenhang allenfalls als besonders bevorzugte, nicht aber als einzig in Betracht kommende Möglichkeit zur Ausgestaltung des Abbildungsmittels dar.
67c) Angesichts dessen ist unerheblich, ob zum Prioritätszeitpunkt die technischen Voraussetzungen gegeben waren, um die Größe eines Hochintensitätsbereichs zu erfassen, und ob auch ohne Berücksichtigung dieses Parameters eine hinreichend genaue Bestimmung der Position des Spielgeräts möglich ist. Deshalb kann auch offenbleiben, ob das von der Beklagten hierzu vorgelegte Privatgutachten (NK6) als verspätet zurückzuweisen ist.
68VI. Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend (§ 119 Abs. 1 PatG).
69Entgegen der Auffassung der Klägerin geht der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht deshalb über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus, weil die Merkmale e, j und k lediglich einen Beschleunigungssensor und ein Datenübertragungsteil vorsehen, nicht aber einen dazwischen angeordneten Prozessor.
701. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach § 117 PatG und § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
71Das Patentgericht hat bereits in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis die Auffassung vertreten, Anspruch 1 in der erteilten Fassung beruhe hinsichtlich der Fassung von Merkmal i auf einer unzulässigen Erweiterung.
72Angesichts dessen hatte die Klägerin keinen Anlass, zu diesem Nichtigkeitsgrund ergänzend vorzutragen.
732. Der Umstand, dass Patentanspruch 1 einen Prozessor zur Verarbeitung der vom Beschleunigungssensor gelieferten Daten nicht ausdrücklich vorsieht, begründet jedoch keine unzulässige Erweiterung.
74a) Wie die Klägerin im Anschluss an eine Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in einem Einspruchsverfahren betreffend das aus der Stammanmeldung hervorgegangene Patent (EPA, Entscheidung vom - T 904/16, B2 Kap. 4.1 ff.) im Ansatz zutreffend darlegt, werden die vom Beschleunigungssensor gelieferten Daten bei dem in NK4 geschilderten Ausführungsbeispiel durch einen Prozessor verarbeitet.
75b) Hinweise darauf, dass ein solcher Prozessor entbehrlich ist, finden sich in NK4 demgegenüber nicht.
76Die von der Beklagten angeführten Ausführungen, wonach der Beschleunigungssensor einen eingebetteten Signalprozessor oder andere Arten eines dedizierten Prozessors enthalten kann (Abs. 98 Z. 41 ff.), führen insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil auch diese Komponente Daten an den Prozessor (66) liefert (Abs. 98 Z. 45 f.).
77c) Entgegen der Auffassung der Klägerin und der Beschwerdekammer ergibt sich daraus jedoch nicht, dass der Patentanspruch einen Prozessor zusätzlich zum Beschleunigungssensor und Datenübertragungsteil zwingend vorsehen muss.
78Den offenbarten Ausführungsbeispielen ist lediglich zu entnehmen, dass die vom Beschleunigungssensor gelieferten Daten vor dem Versenden in irgendeiner Weise verarbeitet werden müssen, um ihre Übertragung an das Spielgerät und ihre weitere Verarbeitung durch dieses Gerät zu ermöglichen. Die Aufzählung von hierbei in Betracht kommenden Möglichkeiten - etwa die Umwandlung in Informationen über die Neigung, Lage oder Position des Gehäuses (Abs. 98 Z. 32-35) - ist jedoch nicht abschließend. Zudem ist nicht festgelegt, in welcher Weise und mit welchen konkreten Mitteln die Verarbeitung der Daten erfolgen soll.
79Der in diesem Zusammenhang in der Beschreibung verwendete Begriff "Prozessor" enthält keine darüber hinausgehenden Festlegungen. Mit ihm wird lediglich eine ansonsten nicht näher spezifizierte Komponente bezeichnet, die die erforderliche Verarbeitung der Daten vornimmt. In welcher Weise und mit welchen konkreten Mittel dies zu geschehen hat, ergibt sich aus diesem Begriff nicht.
80Vor diesem Hintergrund besteht ein zwingender Zusammenhang zwischen Beschleunigungssensor und Prozessor nur insoweit, als es einer Verarbeitung der vom Sensor gelieferten Daten bedarf, nicht aber hinsichtlich der Art und Weise sowie der konkreten Mittel, mit denen dies geschieht.
81Diese Anforderung kommt in Patentanspruch 1 - noch - hinreichend deutlich zum Ausdruck. Auch wenn weder ein Prozessor noch eine Verarbeitung der vom Sensor gelieferten Daten ausdrücklich vorgesehen ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang der Merkmale, dass die vom Sensor gelieferten Daten vor dem Versenden verarbeitet werden müssen und dass die geschützte Vorrichtung eine hierzu geeignete Komponente umfassen muss.
82VII. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 PatG).
831. Eine ausreichende Entscheidungsgrundlage ist gegeben.
84Das Patentgericht hat sich in der angefochtenen Entscheidung zwar nicht mit der Frage der Patentfähigkeit befasst. Der Senat kann diese Frage jedoch aufgrund der Ausführungen in dem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis abschließend beurteilen.
852. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist im Stand der Technik nicht vorweggenommen.
86a) Die Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung 2004/047011 (A1) nimmt nicht alle Merkmale von Patentanspruch 1 vorweg.
87aa) A1 offenbart ein System, das eine Interaktion zwischen einem elektrischen Gerät und einem Benutzer ermöglicht.
88Dazu verwendet der Benutzer ein Zeigegerät (pointing device). Dieses kann einen Laserpointer umfassen, mit dem ein roter Punkt ausgesendet werden kann, der einen Ort auf einer Anzeige markiert. Ferner umfasst das System eine Kamera, die ein Bild der Anzeige aufnimmt. Ein digitaler Signalprozessor (DSP) errechnet daraus, auf welchen Punkt der Nutzer mit dem Zeigegerät zeigt. Dies kann genutzt werden, um eine Aktion auszulösen, wenn der Nutzer auf eine bestimmte Stelle der Anzeige zielt, etwa um ein Computerprogramm zu starten, die Lautstärke zu verändern oder dergleichen mehr.
89Um die Einsatzbreite eines solchen Systems zu erhöhen, schlägt A1 vor, die Kamera am Zeigegerät anzubringen. So könne erreicht werden, dass mit einem Bediengerät mehrere unterschiedliche Geräte in einem Raum gezielt angesteuert werden könnten (S. 2 Z. 16-25). Das System könne dabei auch vorsehen, dass ein Bewegungspfad des Zeigegeräts erfasst und ausgewertet werde (S. 3 Z. 17-20). Hierzu könnten Bewegungssensoren wie etwa Deformationssensoren, Gyroskope oder GPS zum Einsatz kommen. Die Bewegung könne auch durch die ohnehin vorhandene Kamera erfasst werden (S. 3 Z. 33 bis S. 4 Z. 5).
90Ferner wird beschrieben, dass das Zeigegerät in der Lage ist, ein von der Kamera aufgenommenes Bild an einen digitalen Signalprozessor zu senden (S. 8 Z. 18-21; S. 13 Z. 25 f.). Besonders vorzugswürdig sei es, den Signalprozessor in dem Zeigegerät unterzubringen (Anspruch 12).
91Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 zeigt beispielhaft einen Raum mit einer Person, die ein Zeigegerät (101) mit Kamera (102) in der Hand hält.
92Im Raum befinden sich unter anderem ein Audiogerät (130) und ein elektrisches Gerät (110), die beide über das Zeigegerät (101) bedient werden können (S. 8 Z. 11-17).
93Zur Steuerung wird ein digitaler Signalprozessor (120) eingesetzt, der mit Hilfe der Kamera (102) Bereiche oder Objekte innerhalb des Raums identifizieren kann (S. 8 Z. 18-25). Dieser Signalprozessor kann aus einer in das Heimnetzwerk integrierten Steuereinheit für einen Computer bestehen oder in das Zeigegerät (101) integriert sein (S. 8 Z. 26 f.). Im zuerst genannten Fall kann die Kamera des Zeigegeräts ein Bild an den Signalprozessor übermitteln (S. 9 Z. 16 f.; S. 13 Z. 25 f.).
94Der Benutzer kann mit dem Zeigegerät (101) zum Beispiel eine Deckenleuchte (160) einschalten, indem er auf diese zeigt und einen bestimmten Knopf drückt (S. 9 Z. 2-4). Desgleichen kann festgelegt sein, dass ein bestimmtes Computerprogramm gestartet und auf dem Bildschirm (110) angezeigt wird, wenn der Benutzer mit dem Zeigegerät (101) auf eine Vase (170) zeigt (S. 9 Z. 5 f.).
95Das Zeigegerät (101) kann ferner Komponenten zur Analyse von Gesten enthalten. Hierzu wird die Bewegung des Geräts aufgezeichnet. Dies kann zum Beispiel dazu genutzt werden, die Lautstärke zu erhöhen, wenn der Benutzer das Gerät nach oben bewegt, oder die Leuchte (160) einzuschalten, wenn der Benutzer darauf zeigt und das Gerät nach oben bewegt (S. 11 Z. 19-32).
96Die Erkennung kann durch Systeme zur Raumerkennung (185) verbessert werden, zum Beispiel eine blinkende Leuchtdiode, anhand der das Gerät einen Raum beim Betreten erkennen kann (S. 12 Z. 27-30). Ferner können Raumlokalisierungsmarkierungen (room localization beacons) (180, 181, 182) vorgesehen sein, damit der digitale Signalprozessor (200) erkennen kann, auf welchen Teil des Raums das Gerät zeigt. Die Markierungen können hierzu Licht ausstrahlen, das die Kamera (102, 302) des Zeigegeräts (101, 300) erkennen kann (S. 13 Z. 2-5).
97bb) Damit ist ein Bediengerät offenbart, das die Merkmale a bis e sowie das Merkmal j aufweist.
98cc) Da sich die Vorrichtungen zur Bedienung des Geräts sämtlich auf der Oberseite befinden, fehlt es jedoch, wie auch die Klägerin nicht verkennt, an einer Vorwegnahme von Merkmal f und damit auch an einer vollständigen Vorwegnahme der Merkmale g und h.
99dd) Nicht eindeutig offenbart sind ferner die Merkmale i und k.
100Es spricht zwar viel dafür, dass das Zeigegerät zumindest beim Einsatz von Raummarkierungen (180, 181, 182) in der Lage sein muss, deren Position im Raum zu erkennen. In der Beschreibung der A1 ist der Einsatz der Lichtquellen erwähnt, die von der Kamera erkannt werden können (S. 13 Z. 4 f.). Dies legt nahe, dass ein von der Kamera des Zeigegeräts aufgenommenes Bild die Position der Lichtquelle im Raum erkennen lässt.
101Wie oben ausgeführt wurde, setzt die Verwirklichung von Merkmal i jedoch voraus, dass die von der Kamera gewonnenen Bilddaten durch ein Bildverarbeitungsmittel verarbeitet und Daten über Bereiche hoher Intensität erlangt werden. Eine solche Verarbeitung der Bilddaten ist in A1 nicht eindeutig offenbart.
102Dort ist zum einen die Möglichkeit angesprochen, dass die Kamera des Zeigegeräts das von ihr aufgenommene Bild an einen externen digitalen Signalprozessor sendet (S. 8 Z. 18-25, S. 9 Z. 16 f., S. 13 Z. 25 f.). Dies reicht zur eindeutigen Offenbarung von Merkmal i nicht aus, weil daraus nicht hinreichend deutlich hervorgeht, dass das Bildsignal vor der Funkübertragung verarbeitet wird.
103Zum anderen ist vorgesehen, dass das Bild an einen digitalen Signalprozessor übermittelt wird, der sich in der Kamera und damit im Zeigegerät selbst befindet (S. 13 Z. 26). In diesem Fall findet zwar im Bediengerät eine Verarbeitung statt. Welche Daten im weiteren Verlauf per Funk übertragen werden, ist A1 aber nicht zu entnehmen.
104Damit fehlt es auch an einer Offenbarung von Merkmal k, weil nur die Übertragung von Bildern, nicht aber die Übertragung von Daten über Bereiche hoher Intensität beschrieben ist.
105b) Auch die japanische Patentanmeldung Hei 6-046153 (A2) nimmt den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vollständig vorweg.
106aa) A2 beschreibt eine Fernbedienung als Alternative zur Steuerung einer Positionierungsmarke (eines Cursors) auf einem Bildschirm mit einer Maus (Abs. 4).
107Die Fernbedienung wird in der Hand gehalten. Sie umfasst Drehratensensoren, mit denen die Veränderung der Position der Fernbedienung erfasst und in Signale umgesetzt wird. Diese Signale werden über ein oder mehrere Signalübertragungsteile übertragen.
108A2 zufolge weist eine solche Fernbedienung gewisse Probleme auf. So könne es zu unbeabsichtigten Bewegungen des Cursors kommen, wenn die Fernbedienung abgelegt (Abs. 17) oder ein Auswahlschalter gedrückt werde (Abs. 18).
109Zur Bewältigung dieser Probleme schlägt A2 vor, anstelle von Drehratensensoren oder zusätzlich zu solchen einen oder mehrere Beschleunigungssensoren vorzusehen (Abs. 36, Abs. 73). Bei diesen Ausführungsbeispielen sind verschiedene Vorrichtungselemente vorgesehen, die auf unterschiedliche Weise gewährleisten sollen, dass unbeabsichtigte Bewegungen der Fernbedienung nicht zu unerwünschten Bewegungen des Cursors führen.
110Bei einer anderen Gruppe von Ausführungsbeispielen wird die Position der Fernbedienung dadurch ermittelt, dass Signale von einem Sender ausgesandt und von einem Sensor in der Fernbedienung erfasst werden. Dabei kann es sich um einen Bildsensor handeln, der als Signal das von einer Lichtquelle ausgestrahlte Licht erfasst. Die Signale werden umgewandelt, von einem Sender der Fernbedienung ausgegeben und von der Stelle, die die Signale ausgesandt hat, empfangen (Abs. 77). Über einen Schalter an der Fernbedienung kann diese Funktion ein- und ausgeschaltet werden, um die Bedienbarkeit zu verbessern (Abs. 78).
111Ein Ausführungsbeispiel aus der zweiten Gruppe ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 15 dargestellt.
112Ergänzend wird ausgeführt, es sei selbstverständlich, dass die Ausführungsbeispiele nach Bedarf kombiniert werden könnten (Abs. 92).
113bb) Damit offenbart A2 die Merkmale a bis e.
114cc) Da A2 auch die Möglichkeit anspricht, das Gerät mit einem Beschleunigungssensor zu versehen, ist auch Merkmal j vorweggenommen.
115dd) Da sich die Vorrichtungen zur Bedienung des Geräts sämtlich auf der Oberseite befinden, fehlt es jedoch an einer Vorwegnahme von Merkmal f und damit auch an einer vollständigen Vorwegnahme der Merkmale g und h.
116ee) Auch Merkmal k ist nicht eindeutig offenbart.
117Es kann offenbleiben, ob A2, wie in Merkmal i gefordert, Mittel vorsieht, mit denen aus dem vom Bildsensor aufgenommenen Bild Daten über die Position eines Bereichs hoher Intensität erlangt werden. A2 offenbart jedenfalls nicht, dass solche Daten über Bereiche hoher Intensität vom Zeigegerät übertragen werden.
118Nach der Beschreibung der A2 ist das Gerät durch den Sensor, bei dem es sich etwa um einen Bildsensor handeln kann, in der Lage, die absolute Position und die Richtung des Senders 77b zu ermitteln. Die entsprechenden Informationen werden jedoch im Signalverarbeitungsschaltkreis 75b der Fernbedienung in ein Signal zur Position der Positionierungsmarke 108 umgewandelt, das vom Sender 75c der Fernbedienung an den Empfänger 77a des Empfangsteils übermittelt wird (Abs. 77). Bei einem solchen Signal handelt es sich nicht um Daten über die Position von Bereichen hoher Intensität im Sinne der Merkmale i und k.
119c) Die Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung 97/09101 (A3) offenbart ebenfalls nicht alle Merkmale von Patentanspruch 1.
120aa) A3 beschreibt eine ergonomisch optimierte Maus.
121Das Gerät, das mit einer Hand gehalten werden können soll, umfasst mindestens zwei Bedienelemente, von denen eines an der Unterseite angebracht ist und mit dem Zeigefinger betätigt wird, während ein anderes an der Oberseite vorgesehen ist und mit dem Daumen bedient wird. Die dadurch ausgelösten Signale werden von einer elektronischen Schaltung verarbeitet. Diese erstellt ein Infrarotsignal, das an den Computer übermittelt wird.
122Ein Ausführungsbeispiel ist in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 4 dargestellt.
123bb) Damit sind die Merkmale a, b, c, e, f und g offenbart.
124cc) Nicht offenbart sind Abbildungsmittel im Sinne der Merkmale d und h sowie Bildverarbeitungsmittel im Sinne von Merkmal i.
125dd) Ebenfalls nicht offenbart ist ein Beschleunigungssensor im Sinne von Merkmal j.
126ee) Merkmal k ist nur teilweise offenbart, weil lediglich Daten der Bedienteile übertragen werden.
127d) Für das US-amerikanische Patent 5 724 106 (A4) gilt nichts anderes.
128aa) In A4 wird eine Fernbedienung für elektronische Geräte vorgeschlagen, mit der ein auf dem Monitor angezeigter Cursor gesteuert werden kann.
129An der Oberseite des Geräts befinden sich ein Trackball, ein kleiner Joystick oder ein Touchpad, die mit dem Daumen bedient werden. An der Unterseite ist ein mit dem Zeigefinger bedienbarer Schalter. Außerdem kann das Gerät viele weitere Tasten aufweisen. Die entsprechenden Informationen gelangen über Hochfrequenzsignale oder über Infrarotsignale von der Fernbedienung an den Computer.
130Ausführungsbeispiele sind in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 9A, 9B und 9C dargestellt.
131An der Oberseite der Fernbedienung befindet sich bei den Figuren 9A und 9B ein Trackball (910), in Figur 9C ein Minijoystick (911). In Figur 9A ist ferner eine Auswahltaste (912) vorgesehen, die gedrückt werden kann, wenn sich der Cursor an der gewünschten Stelle befindet. An der Unterseite des Geräts ist bei allen drei Beispielen eine Auslösetaste (913) vorgesehen, die mit dem Zeigefinger bedient wird. Diese kann auch als Pseudo-Trigger für Spiele verwendet werden (Sp. 11 Z. 41 f.).
132Vorne am Gerät ist eine Hochfrequenz-Generatorschaltung (932) angebracht, die mit allen Tasten, dem Auslöser und dem Zeigegerät gekoppelt ist, um Hochfrequenz-Signale zu erzeugen, die den gedrückten Tasten, dem Status des Auslösers und den Bewegungen des Zeigegeräts entsprechen.
133bb) Damit sind dieselben Merkmale offenbart wie in A3.
134Auch A4 offenbart weder ein Abbildungsmittel noch einen Beschleunigungssensor.
135e) Für das japanische Patent 2005-63230 (A5) gilt im Ergebnis nichts anderes.
136aa) A5 offenbart ebenfalls eine Fernbedienung.
137A5 führt aus, bei bekannten Fernbedienungen, bei denen der Cursor über einen Trackball oder ein Steuerkreuz gesteuert werde, lasse der Bedienkomfort zu wünschen übrig, wenn der Cursor im Ausgangspunkt weit von seinem Ziel entfernt sei.
138Zur Abhilfe schlägt A5 vor, die Fernbedienung um ein Element zu ergänzen, mit dem eine Lageveränderung erkannt werden kann, etwa einen Neigungssensor. Dies ermögliche eine vereinfachte Steuerung des Cursors. Vorteilhaft sei es, an der Unterseite des Geräts einen weiteren Schalter vorzusehen, um bestimmte Vorgänge auszulösen. Hierdurch könnten Steuerungsfehler vermieden werden.
139Ein Ausführungsbeispiel ist in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 2, 5 und 13 dargestellt.
140Das Gehäuse (2) weist eine viereckige Fensteröffnung (2a) auf, aus der ein Bedienknopf (3) herausragt (Abs. 14). An der Unterseite ist eine Wölbung (2c) vorgesehen, an deren Vorderseite eine Bedientaste (4) angebracht ist (Abs. 15). Im Gehäuse ist eine Positionserkennungsstruktur (5) untergebracht, ferner ein Neigungssensor (28) und ein Lichtsignalsender (6) sowie ein Schalter (29), die an eine Platine (7) angeschlossen sind (Abs. 16).
141Anhand der Figur 13 erläutert A5, dass beispielsweise durch Kippen der Fernbedienung nach rechts das Auswahlbild auf dem Bildschirm (36) des Hauptgeräts (35) gewechselt werden kann (Abs. 32). Über den Schalter (4) kann die Information des Neigungssensors gesperrt werden, etwa dergestalt, dass das Signal des Neigungssensors nur verarbeitet wird, wenn der Schalter gedrückt ist (Abs. 33).
142bb) Damit sind wie in A3 und A4 die Merkmale a, b, c, f und g offenbart.
143cc) Nicht offenbart sind Abbildungsmittel im Sinne der Merkmale d und h sowie Bildverarbeitungsmittel im Sinne von Merkmal i.
144dd) Ebenfalls nicht offenbart ist Merkmal e.
145Als Mittel zur Übertragung von Daten an das Fernsehgerät ist in A5 nur ein Lichtsignalsender erwähnt.
146ee) Ob der zusätzlich vorgesehene Neigungssensor als Beschleunigungssensor im Sinne von Merkmal j angesehen werden kann, bedarf angesichts dessen keiner abschließenden Entscheidung.
1473. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung war durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
148Ausgehend von A1 oder A2 mag Veranlassung bestanden haben, die Ergonomie der dort offenbarten Bediengeräte zu verbessern und sich hierzu an der in A3, A4 und A5 gezeigten Ausgestaltung mit den Merkmalen f und g zu orientieren, zumal es insoweit um zwei Aspekte geht, die keine unmittelbaren technischen Querbezüge aufweisen.
149Ausgehend von der A1 ergab sich jedoch aus dem Stand der Technik keine Anregung, die dort beschriebene Vorgehensweise dahin abzuwandeln, dass das Zeigegerät Bildverarbeitungsmittel umfasst, die aus dem von der Kamera aufgenommenen Bild Daten über die Position von Bereichen hoher Intensität erlangen.
150Wählte der Fachmann als Ausgangspunkt die A2, fehlte es im Stand der Technik an einer Anregung, die Fernbedienung in der Weise zu modifizieren, dass anstelle eines Signals zur Position der Positionierungsmarke Daten über die Position von Bereichen hoher Intensität übertragen werden.
1514. Nach allem erweist sich die Berufung der Beklagten in vollem Umfang als begründet.
1525. Die unzulässige Berufung der Klägerin darf zwar nicht verworfen werden, weil sie in eine zulässige Anschlussberufung umgedeutet werden kann (dazu , NJW 2009, 442 Rn. 10 ff.; Beschluss vom - VI ZB 33/15, NJW 2016, 1329 Rn. 6 ff.). Das Rechtsmittel ist aber unbegründet, weil sich das Streitpatent in vollem Umfang als rechtsbeständig erweist.
153VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:030821UXZR71.19.0
Fundstelle(n):
OAAAH-89983