Sicherungsverfahren gegen schuldunfähige Straftäter: Berücksichtigung der im Ausland gegen einen Deutschen vollzogenen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Gesetze: § 7 Abs 2 Nr 1 Alt 1 StGB, § 51 Abs 3 S 2 StGB, § 63 S 1 StGB, § 67d Abs 6 S 1 StGB, § 67d Abs 6 S 2 StGB, § 67d Abs 6 S 3 StGB, § 126a StPO, § 264 Abs 1 StPO, § 413 StPO, § 414 Abs 2 S 1 StPO, § 414 Abs 4 StPO, Art 16 Abs 2 S 1 GG, Art 103 Abs 3 GG
Instanzenzug: LG München I Az: 128 Js 13064/10 - 1 Ks
Gründe
1Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
I.
2Nach den Feststellungen des Landgerichts erkrankte der Beschuldigte, ein deutscher Staatsangehöriger, spätestens im Jahre 2009 an einer paranoiden Schizophrenie. Er litt unter akustischen und optischen Halluzinationen. Ende August 2010 begab sich der Beschuldigte mit seiner Ehefrau, dem späteren Opfer, nach G. , um dort seine Erkrankung in einem Gebetszentrum ʺbehandeln zu lassenʺ. Auf der Rückreise hielt sich das Ehepaar in L. in T. bei Verwandten auf. In der Nacht zum fasste der Beschuldigte ʺvon einem Geist geleitetʺ den Entschluss, seine schlafende Ehefrau zu töten. Infolge seiner Wahnvorstellung war die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten aufgehoben; in diesem Zustand stach er seiner Ehefrau mit einem aus Deutschland mitgebrachten Messer aus Edelstahl wuchtig und zielgerichtet in die linke Halsseite. Dadurch durchtrennte er die Halsschlagader; seine Ehefrau verblutete.
3Der Beschuldigte wurde am in T. vorläufig festgenommen. Nach einer ersten psychiatrischen Exploration wurde er am aus der Untersuchungshaft in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt und auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch Beschluss des Ermittlungsrichters vom dort stationär eingewiesen, da er aufgrund eines Rückfalls in eine chronische Psychose als gefährlich für sich und andere eingestuft worden war. Am ordnete der Ermittlungsrichter an, den Beschuldigten unter Auflagen vorläufig freizulassen. Am verließ der Beschuldigte die stationäre Unterbringung und hielt sich bei seiner Mutter in T. auf. Nach Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens wurde das in T. geführte Verfahren auf Antrag der dortigen Staatsanwaltschaft mit richterlichem Beschluss vom eingestellt, da der Beschuldigte bei Tatbegehung aufgrund einer chronischen Psychose für seine Tat strafrechtlich nicht verantwortlich zu machen sei (Artikel 26 Abs. 1 des Code pénal der Republik Togo vom ).
4Im Juli 2019 beabsichtigte der Beschuldigte, über Portugal nach Deutschland zurückzukehren. Bei der Einreise am Flughafen in Li. wurde er auf aufgrund eines Europäischen Haft- bzw. Unterbringungsbefehls vorläufig festgenommen und anschließend nach Deutschland ausgeliefert. Seitdem befindet er sich in der einstweiligen Unterbringung (§ 126a StPO).
II.
51. Es besteht kein Verfahrenshindernis zur Durchführung des Sicherungsverfahrens (§§ 413 ff. StPO).
6a) Deutsches Strafrecht ist gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 1 StGB anwendbar. Der Beschuldigte war zur Zeit der Tat Deutscher. Die Tat war am Tatort mit Strafe bedroht.
7aa) Die Handlung ist ʺmit Strafe bedrohtʺ, wenn die konkrete Tat (§ 264 Abs. 1 StPO) am Tatort einer dort maßgeblichen Norm unterfällt, nach der das Verhalten mit Strafe oder einer gleichwertigen Sanktion zu ahnden ist (vgl. , BGHSt 42, 275, 277; vom - 4 StR 173/96 Rn. 4, BGHR § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 3 und vom - 1 StR 767/51 Rn. 4; Beschlüsse vom - 1 StR 105/18 Rn. 5; vom - 1 StR 458/10 Rn. 13; vom - StB 34/09 Rn. 6 und vom - 1 StR 626/96 Rn. 1). Maßgeblich ist die Rechtslage zur Tatzeit (vgl. , BGHSt 45, 64, 72; Beschluss vom - 3 StR 437/99, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 4; LK-StGB/Werle/Jeßberger, 13. Aufl., § 7 Rn. 12; S/S-Eser/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 7 Rn. 8; MüKoStGB/Ambos, 4. Aufl., § 7 Rn. 4).
8bb) Diese Voraussetzung ist erfüllt.
9(1) Bei Tatbegehung war in der Republik T. die vorsätzliche Tötung eines Menschen gemäß Art. 44 f. des zur Tatzeit geltenden Code pénal vom (Journal Officiel de la République Togolaise, 25°Année - N°20 Numéro Special 13 Août 1980) in der Fassung von April 2000, gültig bis zum (nunmehr Art. 165 ff. des Code pénal), mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder dem Tod zu bestrafen.
10(2) Weiterer Aufklärungen zur Rechtslage nach dem Strafgesetzbuch einschließlich der Folgen einer Schuldunfähigkeit und der Strafprozessordnung der Republik T. bedarf es unter den hier gegebenen Umständen nicht; insbesondere ist nicht zu entscheiden, ob die Bestimmungen der Art. 25, 26 des Code pénal, welche die Folgen einer Schuldunfähigkeit des Täters auf Grund einer psychischen oder neuropsychischen Störung regeln, erst mit Wirkung vom - und damit nach der Tatzeit - in Kraft traten (vgl. Journal Officiel de la République Togolaise, 60°Année - N°30 Numéro Special 24 Novembre 2015), ob Art. 112 Nr. 4 und Art. 123 des Code pénal daran anknüpfend - vergleichbar § 63 StGB - die Unterbringung eines schuldunfähigen Täters in einer gesundheitlichen Einrichtung (ʺl’internement dans une maison de santéʺ) als Rechtsfolge (auch rückwirkend) bestimmen und ob der Code pénal in Art. 15 bis dahin lediglich die Möglichkeit einer Strafmilderung im Falle des Vorliegens besonderer Umstände in der Persönlichkeit des Beschuldigten vorsah. Denn die togolesischen Strafverfolgungsbehörden, namentlich die Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsrichter, sind tätig geworden; das dortige Strafverfahren ist abgeschlossen. Damit wird durch das hier geführte Sicherungsverfahren die Souveränität der Republik T. nicht verletzt; das Nichteinmischungsgebot und das daraus folgende ʺeingeschränkte aktive Personalitätsprinzipʺ, die der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB zugrunde liegen, sind gewahrt.
11§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist zum einen die einfachgesetzliche Folge aus dem Auslieferungsverbot des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG (BT-Drucks. IV/650 S. 113): Die Ahndung von Straftaten, die ein deutscher Staatsangehöriger im Ausland verübt, soll nicht am Verbot der Auslieferung eigener Landsleute an den ausländischen Tatortstaat scheitern. In diesem Sinne folgt das Strafrecht seines Heimatstaats dem Täter ins Ausland. Auch dann, wenn er etwa nach Begehung der Tat nach Deutschland zurückgekehrt ist, ohne im Ausland bestraft worden zu sein, ist seine Auslandstat nach deutschem Strafrecht zu ahnden. Zum anderen soll dadurch aber nicht die Souveränität, namentlich die Strafgewalt der Drittstaaten verletzt werden. Diesen Ausgleich zwischen der Ahndung durch den deutschen Staat infolge des Auslieferungsverbots und dem Nichteinmischungsgrundsatz schafft das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit: Das deutsche Strafrecht macht - die Territorialgewalt des Tatortstaats insoweit respektierend - dort halt, wo dieser die Tat überhaupt nicht mit Strafe bedroht (vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 9. Aufl., § 5 Rn. 93 und 99; ders., Jura 2010, 108, 109 und 190, 192; Niemöller, NStZ 1993, 171, 172 f.; Scholten, Das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in § 7 StGB, S. 124; Schmitz, Das aktive Personalitätsprinzip im Internationalen Strafrecht, S. 262 ff.).
12(3) Nach alledem kann offenbleiben, ob § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine konkrete Betrachtungsweise erfordert, mithin ʺStraffreistellungsgründeʺ wie etwa Schuldunfähigkeit, die dem internationalen ordre public entsprechen, ein insoweit beachtliches Strafhindernis bewirken (so Scholten, aaO S. 146 ff.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 9. Aufl., § 5 Rn. 95 ff.; Rath, JA 2007, 26, 33 f.; Oehler, Internationales Strafrecht, 2. Aufl., S. 151; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 7 Rn. 7a; MüKoStGB/Ambos, 4. Aufl., § 7 Rn. 10 f., Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 7 Rn. 2; S/S-Eser/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 7 Rn. 5; LK-StGB/Werle/Jeßberger, 13. Aufl., § 7 Rn. 37; NK-StGB/Böse, 5. Aufl., § 7 Rn. 7; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 7 Rn. 4; Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 5. Aufl., § 7 Rn. 20; Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 7 Rn. 4) oder ob das Merkmal der Tatortstrafbarkeit als abstrakte Strafandrohung auszulegen ist (Woesner, ZRP 1976, 248, 250; Liebelt, Zum deutschen internationalen Strafrecht und seiner Bedeutung für den Einfluss außerstrafrechtlicher Rechtssätze des Auslands auf die Anwendung inländischen Strafrechts, S. 244).
13b) Der Umstand, dass das in der Republik T. geführte Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, steht der Durchführung des Sicherungsverfahrens ebenfalls nicht entgegen.
14aa) Ob diese Einstellung für die togolesischen Strafverfolgungsbehörden zu einem Verfahrenshindernis führt, kann dahinstehen. Denn nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB kommt es für die Anwendung deutschen Strafrechts grundsätzlich nicht auf die verfahrensrechtliche Verfolgbarkeit im Tatortstaat an (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 112/11 Rn. 8 und vom - 3 StR 437/99, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 4; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom - StB 4/93 Rn. 3, BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 2 und vom - StB 8/92 Rn. 7 ff., BGHR StGB § 7 Abs. 2 Strafbarkeit 1).
15bb) Die Einstellung führt nicht zum Strafklageverbrauch.
16(1) Der grundrechtliche Schutz vor erneuter Verfolgung und Bestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG; ʺne bis in idemʺ) gilt nur bei einer Erstverurteilung durch deutsche Gerichte (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvL 17/60, BVerfGE 12, 62, 66; vom - 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1, 15 f. und vom - 2 BvR 38/06, BVerfGK 13, 7, 11); in diesem Sinne ʺerledigtʺ auch die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ebenso wie die Ablehnung einer solchen Maßregel die einer im Sicherungsverfahren gestellten Antragsschrift, die einer Anklage gleichsteht, zugrundeliegende Tat (§ 414 Abs. 2 Satz 1, 4 StPO; , BGHSt 11, 319, 322).
17(2) Im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr außerhalb der Europäischen Union ist der Grundsatz des Strafklageverbrauchs hingegen bislang nicht anerkannt (, BVerfGK 13, 7, 17 ff.). Es existiert auch keine die deutsche Rechtsprechung gemäß Art. 25 Satz 1 GG bindende allgemeine Regel des Völkerrechts, dass niemand wegen desselben Sachverhalts, dessentwegen er bereits rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, von einem anderen Staat, dessen Strafgewalt ebenfalls gegeben ist, erneut verfolgt oder bestraft werden darf (, BVerfGK 13, 7, 13 ff.; , BGHSt 34, 334, 340; S/S-Eser/Weißer, StGB, 30. Aufl., vor §§ 3-9 Rn. 34).
18(3) Ein Verzicht auf eigene Strafgewalt hätte weitreichende die Souveränität des deutschen Staates betreffende Wirkung, wenn ausländische Straferkenntnisse inländischen mehr oder weniger voraussetzungslos gleichgestellt würden. Es ist zu bedenken, dass Staatsschutzbelange in weitestem Sinne betroffen sein können oder generell dem nach nationalem Verständnis erforderlichen Rechtsgüterschutz durch das ausländische Verfahren nicht oder nicht hinreichend Rechnung getragen ist. Es ist möglich, dass die Strafzwecke des bundesdeutschen Strafrechts durch die ausländische Verurteilung nicht oder nicht vollständig abgegolten sind (vgl. , BVerfGK 13, 7, 22 f.).
19Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verfolgt namentlich zwei Ziele: Zum einen soll der Betroffene erfolgreich behandelt werden; zum anderen soll die Allgemeinheit vor der Begehung weiterer erheblicher Taten geschützt werden (vgl. Rn. 41; Rn. 23 und vom - 1 StR 546/01 Rn. 21; Beschlüsse vom - 3 StR 243/14 Rn. 9, 12 und vom - 5 StR 138/02 Rn. 13). An diese Zwecke darf die deutsche Strafgewalt - unabhängig von im Ausland erlittenen Freiheitsentziehungen - anknüpfen. Die Verhältnismäßigkeit wird u.a. dadurch gewahrt, dass bei den nach Maßgabe des § 63e StGB erforderlichen Überprüfungen des Maßregelvollzugs durch die Strafvollstreckungskammern strengere Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose zu stellen sind, je länger der Vollzug dauert (vgl. insbesondere § 67d Abs. 6 Satz 2, 3 StGB; zur Nichteinberechnung von einstweiligen Unterbringungszeiten [§ 126a StPO] in die Dauer des Maßregelvollzugs vgl. OLG Celle, Beschluss vom - 2 Ws 133/17 Rn. 19; OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom - 2 Ws 332/17 Rn. 6-9 und vom - 2 Ws 251/17 Rn. 24).
202. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 Satz 1 StGB) hält indes sachlichrechtlicher Nachprüfung wegen eines Erörterungsmangels nicht stand. Denn das Landgericht hat in seine Gefährlichkeitsprognose (UA S. 64-69) den mehrjährigen stationären Vollzug der Unterbringungsmaßnahme in der Republik T. nicht eingestellt.
21a) Im Einzelnen gilt zur Gefährlichkeitsprognose:
22aa) Die unbefristet anzuordnende Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Es muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 543/20 Rn. 16; vom - 1 StR 273/20 Rn. 11 und vom - 3 StR 432/18 Rn. 5; je mwN).
23bb) Zur umfassenden Würdigung gehört hier der bedeutsame Umstand der fast fünfjährigen, nach dortiger Einschätzung erfolgreichen Behandlung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus in der Republik T. . Mit der Berücksichtigung dieser Behandlung wird zugleich etwaigen Bedenken mit Blick auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot Rechnung getragen. Solche Bedenken ergeben sich aus Folgendem:
24Der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber sicherzustellen, dass die einen Täter treffenden Folgen einer strafbaren Handlung (vgl. § 46 Abs. 2 StGB) - zu denen auch die Wirkung eines ausländischen Strafverfahrens und eine etwaige Verurteilung im Ausland zählen - zur Schwere der Rechtsgutsverletzung und der individuellen Schuld insgesamt noch in einem gerechten Verhältnis stehen. Dem ist der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 1 StGB nachgekommen, der die Anrechnung vollstreckter Auslandsstrafen auf eine neu im Inland verhängte Strafe zwingend vorschreibt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvL 19/91 u.a., BVerfGE 92, 277, 327 und vom - 2 BvR 38/06, BVerfGK 13, 7, 22 f.), wobei das Gericht den Anrechnungsmaßstab nach seinem Ermessen bestimmt (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB).
25Die mehrjährige Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus in der Republik T. kann indes nicht als ʺandere im Ausland erlittene Freiheitsentziehungʺ (vgl. § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB) angerechnet werden; solches ist bei der zeitlich unbefristeten Maßregel nicht möglich (vgl. § 67d Abs. 6 Satz 1-3 StGB). Daher verbleibt in den Fällen einer vollzogenen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgrund eines ausländischen Straferkenntnisses regelmäßig nur die Möglichkeit, die ausländischen Vollzugszeiten in die Gefährlichkeitsprognose einzustellen. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn die Zeiten der Unterbringung die nach § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB maßgebliche 6-Jahresgrenze faktisch - wie hier vor allem auch mit Blick auf den in der Republik T. vollzogenen Zeitraum - insgesamt überschritten haben.
26b) Das Landgericht hat bei seiner Prognose die fast fünfjährige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in der Republik T. nicht bedacht; seine Erwägung, der Zeitraum dieser Freiheitsentziehung müsse bei der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung außer Betracht bleiben, da der Beschuldigte in diesem Zeitraum keine Taten hätte begehen können (UA S. 69), greift zu kurz und vermag die fehlende Abwägung mit diesem Umstand gerade nicht zu ersetzen. Dies war hier umso mehr geboten, als der Beschuldigte in der Republik T. aus der Unterbringung entlassen wurde und seiner Gefährlichkeit nach dortiger Einschätzung wirksam durch Auflagen in ambulanter Behandlung begegnet werden konnte. Dieser Erörterungsmangel ist auch nicht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, namentlich mit der Erwähnung der stationären Unterbringung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 62 StGB; UA S. 70) zu schließen. Denn dies besagt nichts über die Einzelheiten der ausländischen stationären Behandlung und deren Auswirkung auf die Gefährlichkeit des Beschuldigten.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:210421U1STR447.20.0
Fundstelle(n):
DAAAH-89015