BGH Beschluss v. - XIII ZB 63/20

Abschiebungshaft: Anforderungen an die Begründung des Haftantrags

Gesetze: § 417 Abs 2 S 2 Nr 4 FamFG

Instanzenzug: LG Kleve Az: 4 T 33/20vorgehend AG Geldern Az: 29 XIV (B) 1/20

Gründe

1I. Der Betroffene, ein ukrainischer Staatsangehöriger, reiste ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel, lediglich im Besitz seines Nationalpasses und eines befristeten lettischen Aufenthaltstitels zur Arbeitsaufnahme in Lettland in das Bundesgebiet ein. Am wurde er bei der Durchsuchung der Arbeiterwohnung eines lettischen Arbeitsvermittlungsunternehmens im Kreis Kleve festgenommen. Mit Verfügung vom selben Tag ordnete die beteiligte Behörde seine sofortige Abschiebung in die Ukraine an.

2Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis zum angeordnet. Die dagegen gerichtete, nach der am erfolgten Haftentlassung mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung des Betroffenen fortgesetzte Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

3II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht meint, der Haftanordnung habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen, insbesondere die Angaben zur erforderlichen Haftdauer seien ausreichend gewesen. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung der Haft hätten vorgelegen.

52. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Für die Haftanordnung fehlte es bereits an einem zulässigen Haftantrag.

6a) Ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8, und vom - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7).

7b) Diesen Anforderungen wird der Haftantrag nicht gerecht. Die Angabe im Antragsschreiben vom , die Vorlaufzeit für eine Flugbuchung liege nach Auskunft der Zentralstelle für Flugabschiebungen des Landes Nordrhein-Westfalen bei vier Wochen, genügt den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Nr. 4 FamFG grundsätzlich nicht. Es bedarf vielmehr einer Begründung, die den für die Flugbuchung benötigten Zeitraum und die daraus folgende notwendige Haftdauer erklärt, etwa durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 16/19, InfAuslR 2020, 241 Rn. 10, und vom - XIII ZB 112/19, juris Rn. 8, jeweils mwN). Der Zeitraum von der Festnahme des Betroffenen bis zum Tag der geplanten Abschiebung war mit mehr als vier Wochen nicht so kurz, dass sich ihre Notwendigkeit unter den gegebenen Umständen - für den Betroffenen lag ein gültiges Passersatzpapier vor, es war ein Flug ohne Sicherheitsbegleitung geplant - von selbst verstünde.

8c) Der Mangel des Haftantrags ist nicht geheilt worden (vgl. zur Möglichkeit der Heilung: , InfAuslR 2011, 471 Rn. 8; InfAuslR 2020, 241 Rn. 12).

93. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:200421BXIIIZB63.20.0

Fundstelle(n):
RAAAH-86722