Eingruppierung - Beschäftigung als Ausbilder/in in einer Lehr-/Ausbildungswerkstatt
Gesetze: § 26 Abs 1 TVÜ-Bund, Anl 1 Teil III Abschn 4 Entgeltgr 9a Fallgr 2 TV EntgO Bund
Instanzenzug: Az: 58 Ca 16132/18 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 21 Sa 1902/19 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers sowie sich daraus ergebende Differenzentgeltansprüche.
2Der Kläger, der eine Ausbildung zum Fahrzeugschlosser absolviert hat, ist seit 1997 in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) beschäftigt. Im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit ua. der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für die Beschäftigten des Bundes (TVöD/Bund) und der Tarifvertrag über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund).
3Ab dem wurde dem Kläger, der die Ausbilder-Eignungsprüfung abgelegt hat, die Leitung der neu gegründeten Juniorwerkstatt des Bauhofs F auf Dauer übertragen. Er wird seither nach Entgeltgruppe 7 TVöD/Bund vergütet.
4Der Bauhof ist unter anderem für die Wartung und Unterhaltung der technischen Anlagen und Wasserfahrzeuge zuständig. Er ist in mehrere Werkstätten mit insgesamt etwa 80 Beschäftigten untergliedert und verfügt über alle erforderlichen Gewerke. Es gibt dort eine Ausbildungswerkstatt, in der Industriemechaniker und Mechatroniker ausgebildet werden. Der praktische Unterricht in der Ausbildungswerkstatt erfolgt anhand von Ausbildungswerkstücken. Daneben besteht die vom Kläger geleitete Juniorwerkstatt, deren Einrichtung ausweislich ihres Konzepts der Vermittlung von Ausbildungsinhalten gemäß dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) dient. Die Auszubildenden sollen in der Juniorwerkstatt mit mehr Verantwortung durch komplexe Aufgaben betraut werden, um so den Erwerb von Handlungskompetenz noch stärker zu fördern und den Gegebenheiten der Wirtschaft anzupassen sowie die Auszubildenden umfassend auf ihr Berufsleben vorzubereiten. Das Konzept nennt die Gruppenarbeit, das Referat, das Lehrgespräch, das Selbststudium mit praktischen Übungen und die Präsentation als Beispiele für eingesetzte Lehrmethoden. Die Juniorwerkstatt ist nach dem Abbild einer real existierenden Firma, vergleichbar mit einer Werkstatt des Bauhofs aufgebaut, jedoch in die Ausbildungswerkstatt eingegliedert und dieser unterstellt. Vorgesetzter des Klägers ist der Ausbildungsleiter, der gleichzeitig Leiter der Ausbildungswerkstatt ist.
5In der Juniorwerkstatt werden Auszubildende des dritten und vierten Ausbildungsjahres praktisch ausgebildet. Zu diesem Zweck werden der Juniorwerkstatt Aufträge des Bauhofs zugewiesen, die für die projektbezogene Ausbildung geeignet sind. Die Bearbeitung erfolgt unter Anleitung des Klägers durch eine der Juniorwerkstatt für die Dauer eines Projekts zugeordneten Gruppe von etwa fünf Auszubildenden. In dieser Zeit sind die Auszubildenden fachlich dem Kläger unterstellt. Im Übrigen bleiben sie dem Leiter der Ausbildungswerkstatt unterstellt und nehmen am dortigen theoretischen Unterricht sowie am Berufsschulunterricht teil. Bei der Erledigung der Aufträge werden die Auszubildenden von einem Facharbeiter, bis zu fünf sog. Jungfacharbeitern sowie bei Planungsaufgaben zeitweise von dual Studierenden unterstützt. Bei den Jungfacharbeitern handelt es sich um ehemalige Auszubildende, die nach dem Abschluss ihrer Ausbildung aufgrund tarifvertraglicher Regelungen befristet für zwei Jahre weiterbeschäftigt werden.
6Die Juniorwerkstatt verfügt über ein Büro für den Kläger und einen Bürocontainer mit zwei Bildschirmarbeitsplätzen für die Projektarbeit. Projektbesprechungen und Unterweisungen sowie Tätigkeiten, für die eine Werkstatt erforderlich ist, finden in den Räumlichkeiten der Ausbildungswerkstatt statt. Der Kläger nimmt an den Ausbilderberatungen der Ausbildungswerkstatt teil. Der Kläger ist durchschnittlich etwa drei Stunden täglich in seinem Büro tätig. Im Übrigen pendelt er zwischen dem Bürocontainer und der Ausbildungswerkstatt oder fährt mit den Auszubildenden auf die Außenbaustellen. Aufträge des Bauhofs außerhalb der Projektarbeit erledigt der Kläger nur ausnahmsweise bei Havarien oder in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit.
7Mit Schreiben vom hat der Kläger unter Berufung auf § 26 TVÜ-Bund eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9a TVöD/Bund ab dem geltend gemacht. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom ab.
8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die von ihm auszuübende Tätigkeit erfülle das Tätigkeitsmerkmal der Fallgruppe 2 der Entgeltgruppe 9a Teil III Abschnitt 4 der Anlage 1 zum TV EntgO Bund (Entgeltgruppe 9a TV EntgO Bund). Er werde ausschließlich als Ausbilder in einer Ausbildungswerkstatt beschäftigt. Dort vermittle er Ausbildungsinhalte nach dem Ausbildungsrahmenplan und festige die in den ersten beiden Ausbildungsjahren erworbenen theoretischen Kenntnisse in der Praxis der projektbezogenen Ausbildungstätigkeit. Die Juniorwerkstatt sei eine reine Ausbildungswerkstatt, die allein dazu geschaffen worden sei, Auszubildende in der praktischen Arbeit zu unterweisen. Im Übrigen gehöre sie qua Eingliederung zur Ausbildungswerkstatt des Bauhofs.
9Der Kläger hat zuletzt beantragt,
10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Juniorwerkstatt handle es sich um keine Ausbildungswerkstatt im Tarifsinn. Die dort zu bearbeitenden Projekte dienten nicht allein der Ausbildung, sondern vornehmlich der Erledigung der der Juniorwerkstatt zugewiesenen Aufträge. Bei der Ausbildung handle es sich nur um eine Nebenfunktion. Der Kläger erteile den Auszubildenden lediglich neben seiner handwerklichen Tätigkeit Unterweisungen.
11Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers, die auf den Zeitraum ab dem beschränkt war, zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Gründe
12Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kläger hat für den Streitzeitraum ab dem einen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 9a TVöD/Bund.
13I. Die Klage ist zulässig.
141. Es liegt kein Fall einer unzulässigen alternativen Klagehäufung vor (vgl. dazu - Rn. 45, BAGE 168, 345; - 6 AZR 437/17 - Rn. 18, BAGE 163, 205). Der Kläger hat in der Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er seinen Anspruch vorrangig auf die beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien stützt.
152. Der Feststellungsantrag ist als übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (vgl. - Rn. 10 mwN) zulässig. Nach der auf Hinweis des Senats erfolgten teilweisen Rücknahme der Revision überschneiden sich die Zeiträume zwischen dem Zahlungs- und dem Feststellungsantrag nicht mehr, so dass für diesen das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse in vollem Umfang gegeben ist (vgl. dazu - Rn. 17; - 4 AZR 173/19 - Rn. 46 mwN, BAGE 170, 214).
16II. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat seit dem einen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 9a TVöD/Bund. Er war aufgrund der nicht nur vorübergehenden Übertragung der Tätigkeit als Leiter der Juniorwerkstatt im Jahr 2012 vor Inkrafttreten des TV EntgO Bund in die Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 Buchst. a des Tarifvertrags über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TVLohngrV) eingereiht. Diese Lohngruppe wurde zunächst nach § 17 Abs. 7 aF iVm. Anlage 4 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) der Entgeltgruppe 9 TVöD/Bund zugeordnet. Gemäß § 27 Abs. 3 TVÜ-Bund iVm. Satz 1 Buchst. a des Anhangs zu § 16 TVöD/Bund in der bis zum geltenden Fassung wurde der Kläger dann in die Entgeltgruppe 9a TVöD/Bund übergeleitet und hat einen Anspruch auf entsprechende Vergütung.
171. Im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit ua. der TVöD/Bund, der TVÜ-Bund und der TV EntgO Bund. Für die Eingruppierung des Klägers sind aufgrund seiner seit dem unveränderten Tätigkeit im Streitfall gleichwohl noch § 1 Abs. 1 des Tarifvertrags über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb-O (TV Lohngruppen-O-Bund) iVm. den Bestimmungen des TVLohngrV und den sich aus dessen Anlage 1 ergebenden Lohngruppen und Tätigkeitsmerkmalen in der bis zum geltenden Fassung anzuwenden.
18a) Nach § 24 TVÜ-Bund gelten zwar im Grundsatz für die in den TVöD/Bund übergeleiteten Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis zum Bund über den hinaus fortbesteht und die am unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, ab dem für Eingruppierungen die §§ 12 und 13 TVöD/Bund.
19b) § 25 Abs. 1 TVÜ-Bund bestimmt aber, dass die Überleitung dieser Beschäftigten für die Dauer ihrer unverändert auszuübenden Tätigkeit unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe erfolgt. Der Antrag des Klägers nach § 26 Abs. 1 TVÜ-Bund hat hieran nichts geändert, weil sich im Zusammenhang mit der Überleitung keine höhere Eingruppierung ergeben konnte. Das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe 9a TV EntgO Bund ist zwar - unabhängig von den veränderten Begrifflichkeiten - nicht vollständig deckungsgleich mit dem Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 Buchst. a der Anlage 1 zum TVLohngrV (Lohngruppe 9 TVLohngrV). Letzteres verlangt, dass der Arbeiter bei der Erteilung des theoretischen Unterrichts sowie mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht beschäftigt wird, während der TV EntgO Bund (nur) voraussetzt, dass Beschäftigte bei der Erteilung des theoretischen Unterrichts oder mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht beschäftigt werden (von vollständiger Deckungsgleichheit ausgehend allerdings: Rundschreiben des Bundes, zit. nach Montwill in Sponer/Steinherr TVöD EntgeltO Bund Stand März 2021 § 16 TV EntgO Bund 6.1 Bund: Rundschreiben Rn. 29). Dennoch liegt kein Fall einer Antragshöhergruppierung gemäß § 26 Abs. 1 TVÜ-Bund vor. Die begehrte höhere Eingruppierung ergibt sich bereits aus einer fehlerhaften Einreihung des Klägers vor der Überleitung nach dem TVLohngrV. Die Korrektur einer schon nach der bisherigen Vergütungsordnung erfolgten fehlerhaften Eingruppierung war nicht Ziel von § 26 TVÜ-Bund (vgl. - Rn. 19 mwN, BAGE 162, 81). Einschlägig sind deswegen die tariflichen Einreihungsregelungen des TVLohngrV.
202. Die maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale Teil I - Allgemeiner Teil - der Anlage 1 zum TVLohngrV lauten auszugsweise:
213. Die vom Kläger mit mindestens der Hälfte der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit auszuübende Tätigkeit als Leiter der Juniorwerkstatt erfüllt das Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 Buchst. a TVLohngrV.
22a) Für die Einreihung ist nach § 2 Abs. 1 TVLohngrV die mit mindestens der Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auszuübende Tätigkeit maßgebend, soweit sich aus den Tätigkeitsmerkmalen - wie vorliegend - nichts anderes ergibt. Maßgeblich ist zunächst, ob die Tätigkeit sich als eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit darstellt oder ob es sich um mehrere getrennt zu bewertende Teiltätigkeiten handelt (vgl. dazu - Rn. 17 mwN, BAGE 117, 92). Dabei ist die vom Kläger in seiner Funktion als Leiter der Juniorwerkstatt auszuübende Tätigkeit jedenfalls einheitlich zu betrachten, da während dieser (Teil-)Tätigkeit die Ausbildungsaufgaben untrennbar mit seinen handwerklichen Tätigkeiten verbunden sind, soweit solche anfallen (vgl. zu diesem Aspekt zB - Rn. 23 [Praxisanleiter]). Zwar könnte die ausnahmsweise anfallende Erledigung von Aufträgen des Bauhofs außerhalb der Ausbildungstätigkeit im Fall von Havarien oder bei besonderer Eilbedürftigkeit eine zweite Teiltätigkeit darstellen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts macht die Ausbildungstätigkeit aber deutlich mehr als die Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers aus, so dass der genaue Tätigkeitszuschnitt dahinstehen kann.
23b) Der Kläger ist Arbeiter iSd. TVLohngrV und hat eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf abgeschlossen. Er erfüllt deshalb das Tätigkeitsmerkmal der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 TVLohngrV. Darüber hinaus ist er dazu bestellt, Auszubildenden Unterweisungen zu erteilen und ist damit Lehrgeselle iSd. Lohngruppe 6 Fallgruppe 5.1 TVLohngrV. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
24c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist er auch in einer Lehrwerkstatt bei der Erteilung des theoretischen Unterrichts sowie mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht iSd. Lohngruppe 9 TVLohngrV beschäftigt.
25aa) Eine Lehr- oder Ausbildungswerkstatt im tariflichen Sinne ist gegeben, wenn deren Zweckbestimmung allein oder jedenfalls in erster Linie in der Wahrnehmung von Ausbildungsaufgaben liegt. Das entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch, der ebenfalls davon ausgeht, dass eine Ausbildungswerkstatt Ausbildungszwecken dient. Diese Anforderung ist nicht erfüllt, wenn in einer Werkstatt mit anderem arbeitsorganisatorischen Zweck im Sinne einer Nebenfunktion auch Auszubildende ausgebildet werden ( - Rn. 20; ausführlich bereits - 4 AZR 782/87 -).
26(1) Soweit der Senat in den genannten Entscheidungen ausgeführt hat, die Lehr- oder Ausbildungswerkstatt müsse „alleine“ Ausbildungszwecken dienen, bedarf dies der Präzisierung. Ziel dieser Formulierung war die Abgrenzung einer Lehr- oder Ausbildungswerkstatt von Werkstätten, in denen mit der Beschäftigung einer überwiegenden Anzahl anderer Mitarbeiter von Ausbildungszielen unabhängige arbeitsorganisatorische Zwecke verfolgt wurden. In den zu entscheidenden Fallkonstellationen wurden in einer solchen Werkstatt in einem durch einen „weißen Strich“ am Boden abgegrenzten Bereich Auszubildende unterwiesen ( -) oder die Ausbildung erfolgte grundsätzlich neben den normalen Tätigkeiten in einem Bauhof, wobei lediglich ein gesonderter Raum vorhanden war ( - Rn. 3). Deshalb hat der Senat auch maßgeblich darauf abgestellt, dass die Ausbildung keine bloße Nebenfunktion sein dürfe. Eine Abgrenzung zwischen einer Werkstatt, die Ausbildungszwecken dient und praktisch verwertbare Arbeitsergebnisse hervorbringt, und einer Ausbildungswerkstatt, in der Unterricht nur an Ausbildungsmaterialien stattfindet, ging damit nicht einher.
27(2) Eine Lehr- oder Ausbildungswerkstatt im Tarifsinn liegt auch dann vor, wenn die Werkstatt (nur) im Hauptzweck den Ausbildungsaufgaben dient. Ein solches Verständnis entspricht dem Sinn der Tarifregelung, die Ausbildungstätigkeiten in einer Ausbildungswerkstatt höher zu vergüten als die entsprechenden Tätigkeiten an anderer Stelle (vgl. dazu - Rn. 21). Dafür ist unerheblich, ob die von den Auszubildenden im Rahmen ihrer Ausbildung durchzuführenden Arbeiten oder Aufträge für die Arbeitgeberin verwertbar sind und insoweit auch Nebenzwecke erfüllt werden. Die Verwertbarkeit der Arbeitsergebnisse kann sogar - wie hier nach dem Konzept der Juniorwerkstatt - gerade deswegen gewollt sein, weil sich so die praktische Ausbildung besonders effektiv gestalten lässt und damit ihrerseits dem Ausbildungszweck dienlich ist.
28bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Juniorwerkstatt um eine Lehrwerkstatt im Tarifsinn.
29(1) Die Juniorwerkstatt wurde nach dem ihrer Errichtung zugrundeliegenden Konzept eigens geschaffen, um in ihr Auszubildende des dritten und vierten Lehrjahres projektbezogen unter weitgehend realen Bedingungen praktisch auszubilden. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Sie dient damit in erster Linie Ausbildungszwecken. Die Verwertbarkeit der in der Juniorwerkstatt erzielten Arbeitsergebnisse steht dem nicht entgegen. Vielmehr liegt es nahe, Auszubildende in fortgeschrittenen Ausbildungsjahren nicht nur im Zusammenhang mit der Erstellung von Werkstücken „für den Schrottcontainer“ auszubilden, sondern anhand von Aufgaben mit tatsächlich nutz- und verwertbaren Ergebnissen. Geschieht dies nicht - sozusagen nebenbei - im laufenden Arbeitsprozess, sondern in einer eigenständigen, ausbildungsorientierten Struktur, ist die Schaffung verwertbarer Arbeitsergebnisse lediglich ein Nebenziel und nach dem Konzept der Juniorwerkstatt dem Ausbildungsziel klar untergeordnet. Primär dient die Abarbeitung der Projektaufträge - wie nach § 1 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BBiG vorgesehen - dem Ausbildungszweck.
30(2) Der Einordnung als „Lehrwerkstatt“ steht nicht entgegen, dass in der Juniorwerkstatt nach den getroffenen Feststellungen bis zu fünf Jungfacharbeiter, zeitweise zwei dual Studierende und ein Facharbeiter beschäftigt werden. In Bezug auf die dual Studierenden werden ebenfalls Ausbildungszwecke verfolgt. Dagegen handelt es sich bei den (Jung-)Facharbeitern nicht mehr um Auszubildende und es fehlt auch an Feststellungen dazu, ob deren Einsatz vorrangig dem Ausbildungszweck dient. Dies kommt durchaus in Betracht, da die Abarbeitung realer Aufträge im Rahmen der projektbezogenen Ausbildung alleine mit Auszubildenden im Hinblick auf deren Qualifikation und Kapazität wohl nicht möglich sein dürfte. Auch wenn hinsichtlich dieser Beschäftigten andere Zielrichtungen hinzukommen oder überwiegen sollten, ändert sich dadurch nicht die vorwiegend ausbildungsorientierte Zielsetzung der Juniorwerkstatt als arbeitsorganisatorischer Einheit.
31(3) Dass die Projektarbeit teilweise außerhalb der Räumlichkeiten der Juniorwerkstatt und der Ausbildungswerkstatt stattfindet, ist entgegen der Auffassung der Beklagten unschädlich. Der Außeneinsatz ist der Art der zu bearbeitenden realen Aufträge geschuldet und findet im Rahmen der ausbildungsorientierten Projektarbeit statt.
32cc) Der Kläger ist sowohl mit der Unterweisung beim praktischen Unterricht als auch mit der Erteilung theoretischen Unterrichts beschäftigt.
33(1) Unterricht ist die eigenverantwortliche Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten (vgl. - Rn. 34). Diese ist nicht nur im Rahmen eines schulischen Unterrichtsbetriebs möglich. Sie kann - anders als das Landesarbeitsgericht annimmt - auch während der „Befassung mit Arbeiten“ erfolgen, etwa bei der Herstellung von Werkstücken oder der Durchführung praktischer Übungen. Dies ist für den Berufsschulunterricht und für die betriebliche Ausbildung anerkannt (vgl. - Rn. 17; - 10 AZR 672/14 - Rn. 34; - 4 AZR 42/82 - BAGE 45, 233).
34(2) Nach diesen Grundsätzen unterweist der Kläger die Auszubildenden beim praktischen Unterricht. Nach seinem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag, der den Angaben im Konzept Juniorwerkstatt entspricht, vermittelt er den Auszubildenden im Rahmen der Projektarbeit, dh. der praktischen Durchführung der der Juniorwerkstatt zugewiesenen Aufträge, Inhalte nach dem Ausbildungsrahmenplan und festigt darüber hinaus die in den ersten beiden Ausbildungsjahren erworbenen theoretischen Kenntnisse in der Praxis.
35(3) Darüber hinaus ist der Kläger mit der Erteilung theoretischen Unterrichts beschäftigt. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit die maßgeblichen Auftragsunterlagen, auf die sich der Kläger unter anderem stützt, ausdrücklich in Bezug genommen. Gegen diese Feststellungen hat sich die Beklagte nicht gewandt. Danach vermittelt der Kläger den mit den Projekten zusammenhängenden Lernstoff selbst in Lehrvorträgen oder mit Hilfe von Auszubildendenvorträgen, die entsprechend vorzubereiten sind. Dies deckt sich wiederum mit dem Konzept Juniorwerkstatt, in dem ebenfalls das Lehrgespräch, das Referat und die Präsentation als zum Einsatz kommende Lehrmethoden aufgeführt sind. Dabei handelt es sich um Methoden zur Vermittlung auch theoretischen Wissens. Hinzu kommt, dass die Vermittlung von Fertigkeiten durch praktischen Unterricht häufig ohne die gleichzeitige Vermittlung von theoretischen Kenntnissen kaum möglich ist. So sind zur Herstellung eines Werkstücks zumindest Kenntnisse über die Zusammensetzung des Materials und die Handhabung der Werkzeuge notwendig (vgl. - BAGE 45, 233). Die in der Juniorwerkstatt vermittelten Fertigkeiten im Zusammenhang mit der vollständigen Bearbeitung eines Projekts von der Planung bis zur Berichtserstellung erfordern theoretische Kenntnisse nicht nur zu den einzelnen Arbeitsschritten, sondern auch zur Projektarbeit als solcher. Dass die Auszubildenden weiterhin am theoretischen Unterricht der Ausbildungswerkstatt teilnehmen, steht dem nicht entgegen.
364. Danach ist der Zahlungsantrag, der den Zeitraum vom bis einschließlich umfasst, ebenso begründet wie der Feststellungantrag für die Zeit ab dem . Die Ausschlussfrist des § 37 TVöD hat der Kläger mit seinem Schreiben vom gewahrt (vgl. dazu - Rn. 26 ff., BAGE 168, 13). Die Höhe der geltend gemachten Differenzvergütungsansprüche steht zwischen den Parteien nicht im Streit und beträgt für den Streitzeitraum 21.709,73 Euro brutto. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
37III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten erster Instanz anteilig zu tragen, soweit die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts im Hinblick auf Ansprüche aus dem Jahr 2014 rechtskräftig geworden ist. Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten zu tragen. Soweit der Kläger seine Revision hinsichtlich des Feststellungsantrags zeitlich beschränkt hat, sind ihm im Hinblick auf die wirtschaftliche Identität mit dem Zahlungsantrag keine Kosten aufzuerlegen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2021:020621.U.4AZR274.20.0
Fundstelle(n):
SAAAH-86431