Örtliche Zuständigkeit für den Billigkeitserlass von zurückgefordertem Kindergeld
Leitsatz
1. Eine Klage ist gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO auch dann gegen die Behörde zu richten, welche die Einspruchsentscheidung erlassen
hat, wenn diese Behörde schon von Anfang an für den Steuerfall örtlich und sachlich zuständig war und der zugrundeliegende
Verwaltungsakt von einer örtlich oder sachlich unzuständigen Behörde erlassen wurde.
2. Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund der Konzentrationsermächtigung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 4 FVG
befugt, durch den Beschluss 21/2013 vom (ANBA Mai 2013 Seite 5/17 bis 5/18) bzw. ab dem durch den Beschluss
33/2019 vom (ANBA Ausgabe April 2020, S. 3) die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen
des sog. Inkasso Services im Bereich des steuerlichen Kindergeldes abweichend von der Regelzuständigkeit nach dem Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindergeldberechtigten bei regionalen Familienkassen zu zentralisieren. Diese Übertragung
der Zuständigkeit für die Bearbeitung der Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen des Inkasso Services schließt die Übertragung
der Zuständigkeit für die zugrundeliegenden Entscheidungen im Bereich des Inkasso Services und damit die Zuständigkeit für
eine Erlassentscheidung gemäß § 227 AO ein.
3. Es liegt keine Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 AO oder § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG vor, wenn ein
Kindergeldberechtigter in der nach amtlichem Vordruck abgegebenen „Erklärung zum Ausbildungsverhältnis”, in der lediglich
die Alternativen eines beendeten oder nicht beendeten Ausbildungsverhältnisses vorgesehen sind, die Elternzeit seines Kind
wegen Betreuung des eigenen Kindes nicht angibt, weil er davon ausgeht, dass die Elternzeit am Fortbestand des Berufsausbildungsverhältnisses
seines Kindes nichts ändert. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit darf der rechtlich nicht vorgebildete Kindergeldberechtigte
darauf vertrauen, dass ihm in einem Antragsvordruck alle für den konkreten Sachverhalt relevante Fragen (hier: Berufsausbildung
eines über 18 Jahre alten Kindes) gestellt werden, zumal die Rechtslage zu den Auswirkungen der Elternzeit auf ein Ausbildungsverhältnis
bereits seit mehreren Jahren durch ein BFH-Urteil geklärt war und der Erklärungsvordruck dennoch nicht entsprechend aktualisiert
wurde.
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