BGH Beschluss v. - 4 StR 20/21

Körperverletzung mit Todesfolge: Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot durch isolierte strafschärfende Berücksichtigung direkten Vorsatzes

Gesetze: § 46 Abs 3 StGB, § 223 Abs 1 StGB, § 224 Abs 1 StGB, § 227 StGB

Instanzenzug: LG Detmold Az: 21 KLs - 31 Js 145/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung im engeren Sinne isoliert strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte „mit direktem Vorsatz“ handelte. Der Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1, 227 StGB) setzt vorsätzliches Handeln im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundtatbestandes der Körperverletzung voraus. Die isolierte strafschärfende Wertung von dolus directus (Wissentlichkeit) verstößt ungeachtet der Frage, ob direkt vorsätzliches Handeln als (normativer) Regelfall (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 355/15, NStZ-RR 2016, 8; vom - 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3; jeweils für § 212 StGB; ablehnend , NStZ-RR 2017, 238) oder als typischer Fall der Tatbestandsverwirklichung (vgl. BGH, Beschlüsse vom - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351; vom - 4 StR 409/96 Rn. 8; vom - 2 StR 483/92, StV 1993, 72 und vom - 3 StR 425/77 Rn. 3) anzusehen ist, gegen § 46 Abs. 3 StGB (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ-RR 2016, 8; Urteil vom - 4 StR 223/08, NStZ 2008, 624 und Beschluss vom - 3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4).

4Auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe vermag der Senat die im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne isoliert hervorgehobene strafschärfende Erwägung, dass der Angeklagte die Körperverletzungshandlung - das heftige Schütteln des Säuglings - mit direktem Vorsatz beging, nicht dahin zu verstehen, dass das Tatgericht mit dieser Wendung lediglich die konkrete Tatausführung näher umschrieben hat.

5Der Senat vermag ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesem Rechtsfehler nicht auszuschließen.

6Die getroffenen Feststellungen werden durch den Wertungsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

7Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

8Der Schriftsatz des Verteidigers vom hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:240321B4STR20.21.0

Fundstelle(n):
IAAAH-80938