BAG Urteil v. - 6 AZR 146/20

Stufenzuordnung nach Höhergruppierung auf Antrag nach § 29b TVÜ-VKA - mittelbare Altersdiskriminierung

Gesetze: § 29b TVÜ-VKA, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 17 Abs 4 TVöD-K

Instanzenzug: Az: 6 Ca 2026/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 710/19 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Stufenzuordnung des Klägers nach einem Höhergruppierungsantrag.

2Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die Durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) vom Anwendung.

3Dem zunächst als Krankenpfleger beschäftigten Kläger wurde im Oktober 2009 die Funktion der Bereichsleitung übertragen. Am erhielt er in dieser Tätigkeit Vergütung nach der Entgeltgruppe Kr 9c Stufe 6 TVöD (VKA).

4Am trat die Entgeltordnung (VKA) als Anlage 1 zum TVöD (im Folgenden EGO) in Kraft. Zur Überleitung in die EGO bestimmt der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom Folgendes:

5§ 17 Abs. 4 TVöD-K in der bis zum geltenden Fassung lautete auszugsweise:

6Seit dem sieht § 17 Abs. 4 TVöD-K idF der Änderungsvereinbarung Nr. 8 vom zum TVöD-K (im Folgenden nF) die Mitnahme der bisherigen Stufe bei Höhergruppierungen vor.

7Für die Überleitung der Pflegekräfte in die EGO bestimmt § 29d TVÜ-VKA ua. Folgendes:

8Ende Dezember 2016 unterrichtete die Beklagte den Kläger über seine Überleitung zum in die Entgeltgruppe P 11 Stufe 6 TVöD (VKA). Der Kläger erzielte hiernach ein monatliches Entgelt von 4.045,53 Euro brutto. Auf seinen fristgerecht gestellten Höhergruppierungsantrag gemäß § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA war er rückwirkend zum in die Entgeltgruppe P 14 TVöD (VKA) eingruppiert. Die Beklagte ordnete ihn der Stufe 4 dieser Entgeltgruppe zu, aus der er ein monatliches Entgelt von zunächst 4.311,74 Euro brutto erhielt.

9Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung eines Anspruchs auf die Vergütung nach Entgeltgruppe P 14 Stufe 6 TVöD (VKA) ab dem sowie die Nachzahlung der sich ab diesem Zeitpunkt bis zum ergebenden Differenzbeträge verlangt.

10Er hat die Auffassung vertreten, seine betragsgemäße Stufenzuordnung nach § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA iVm. § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD-K in der bis zum geltenden Fassung über diesen Zeitpunkt hinaus verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Er sei ab dem gemäß § 17 Abs. 4 TVöD-K nF stufengleich zugeordnet. Für die unterschiedliche Stufenzuordnung bei Höhergruppierungen nach § 29b TVÜ-VKA und nach § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD-K nF gebe es keinen sachlichen, insbesondere keinen anzuerkennenden finanziellen Grund. Die betragsgemäße Stufenzuordnung bewirke zudem eine mittelbare Altersdiskriminierung. Im Übrigen sei § 29b Abs. 2 TVÜ-VKA unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rückwirkung unwirksam.

11Der Kläger hat zuletzt - in der gebotenen Auslegung - beantragt,

12Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

13Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Gründe

14Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe P 14 Stufe 6 TVöD (VKA) ab dem .

15I. Die Klage ist teilweise unzulässig.

161. Der Zahlungsantrag zu 1. ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Nach gebotener Auslegung (vgl. zu den Grundsätzen der Auslegung  - Rn. 13) verlangt der Kläger eine Bruttozahlung.

172. Der Klageantrag zu 2. zielt trotz der ungenauen Formulierung in der Revisionsbegründung offensichtlich wie in den Vorinstanzen auf die Feststellung einer Vergütungspflicht. Dem so verstandenen Feststellungsantrag fehlt allerdings das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, soweit er sich für die Zeit vom bis zum mit der Leistungsklage überschneidet. Der Kläger hat nicht vorgetragen, welches über die mit der Leistungsklage verfolgte Zahlung hinausgehende Interesse für diesen Zeitraum an der begehrten Feststellung besteht. Deshalb ist die Klage auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig (vgl.  - Rn. 24 mwN).

18II. Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat den Kläger nach fristgerechter Antragstellung gemäß § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA tarifgerecht der Stufe 4 der Entgeltgruppe P 14 TVöD (VKA) zugeordnet. Dies beruht auf § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA als Spezialvorschrift des Überleitungsrechts und der in dieser enthaltenen Rechtsfolgenverweisung auf § 17 Abs. 4 TVöD-K in der bis zum geltenden Fassung. § 17 Abs. 4 TVöD-K nF findet insoweit keine Anwendung (sh.  - Rn. 18 f. mwN). Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht vor.

191. Die Beschränkung des Anspruchs auf stufengleiche Höhergruppierung auf Höhergruppierungen ab dem Inkrafttreten der Neuregelung in § 17 Abs. 4 TVöD-K verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dies gilt zum einen für den Stichtag, zu dem die stufengleiche Höhergruppierung eingeführt worden ist. Das gilt aber auch, soweit Beschäftigte, die aufgrund eines Antrags nach § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA höhergruppiert sind, anders als die Beschäftigten, die nach dem anlässlich der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit höhergruppiert werden, an der stufengleichen Höhergruppierung nicht teilhaben.

20a) Von Tarifvertragsparteien bestimmte Stichtagsregelungen sind lediglich daraufhin zu überprüfen, ob der Stichtag willkürlich gewählt ist. Dies ist hinsichtlich der Wahl des Stichtags bzgl. des Inkrafttretens von § 17 Abs. 4 TVöD-K nF - entgegen der Ansicht des Klägers - offenkundig nicht der Fall. Die ausschließlich zukunftsbezogene Umstellung der Regelungen zur Stufenzuordnung ist Teil eines tariflichen Gesamtkompromisses und rechtlich nicht zu beanstanden (ausführlich  - Rn. 24 f. mwN).

21b) Ein Gleichheitsverstoß liegt auch nicht in der unterschiedlichen Behandlung der einerseits § 17 Abs. 4 TVöD-K nF und andererseits § 29b Abs. 1, Abs. 2 TVÜ-VKA, § 17 Abs. 4 TVöD-K in der bis zum geltenden Fassung unterfallenden Beschäftigten. Diese beiden Gruppen sind nicht vergleichbar. Auch das hat der Senat bereits entschieden (sh.  - Rn. 27 f. mwN).

22c) Soweit der Kläger meint, er habe sich nicht wirklich frei für oder gegen einen Höhergruppierungsantrag entscheiden können, verkennt er, dass die Tarifvertragsparteien die Tarifautomatik für die übergeleiteten Beschäftigten mit § 29a TVÜ-VKA gerade außer Kraft gesetzt haben. Die nach den tariflichen Regelungen allein dem Beschäftigten obliegende Entscheidung, keinen Höhergruppierungsantrag nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA zu stellen, führt danach entgegen der Annahme des Klägers nicht zu einer unzutreffenden, weil gegen die Bestimmungen der Entgeltordnung verstoßenden Eingruppierung. Die Tarifautomatik wird erst dadurch und nur in dem Fall wiederhergestellt, dass bereits Beschäftigte nach Einführung der Entgeltordnung innerhalb der dafür eröffneten Frist einen Antrag auf Höhergruppierung stellen (so bereits  - Rn. 29 mwN; - 6 AZR 74/19 - Rn. 16 mwN).

232. Diese Tarifsystematik begründet auch keinen Verstoß gegen das sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergebende Rückwirkungsverbot (grundlegend hierzu  - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 309; vgl. auch  - Rn. 35 mwN, BAGE 169, 163). Das neue, allein in die Zukunft gerichtete Entgeltsystem greift nicht in eine bereits vorhandene Rechtsposition ein. Entgegen der Auffassung des Klägers blieb es den Tarifvertragsparteien unbenommen, die aus seiner Sicht schon seit 2005 zutreffende Höherbewertung der Tätigkeit als Bereichsleitung mit Vergütungsgruppe Kr 11a BAT/Entgeltgruppe P 14 TVöD (VKA) anstatt mit Vergütungsgruppe Kr 9c BAT erst zu dem von ihnen gewählten Stichtag der Einführung einer neuen Entgeltordnung vorzunehmen. Tatsächlich erstrebt der Kläger nicht die Wahrung seines Besitzstandes, sondern die Verknüpfung der Vorteile der Höherbewertung seiner Tätigkeit in der EGO und der unabhängig davon eingeführten Änderung der Regelungen zur Stufenzuordnung nach Höhergruppierung. Hierauf hat er keinen Anspruch. Die Tarifvertragsparteien sind bei einem Systemwechsel nicht verpflichtet, bloßen Erwartungen von Beschäftigten Rechnung zu tragen (vgl. zB  - Rn. 27 mwN; - 6 AZR 752/08 - Rn. 30). Ein diesbezüglich gleichwohl entwickeltes Vertrauen des Klägers ist rechtlich nicht schützenswert.

243. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt offenkundig auch keine mittelbare Altersdiskriminierung darin, dass Beschäftigte, die aufgrund einer Höherbewertung ihrer unverändert gebliebenen Tätigkeit nach ihrer Überleitung in die neue EGO auf ihren Antrag nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA höhergruppiert sind, an der Umstellung auf eine stufengleiche Zuordnung nach Höhergruppierung nicht teilnehmen. Weder die Stichtagsregelung des § 17 Abs. 4 TVöD-K nF noch die Rechtsfolgenverweisung in § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA auf § 17 Abs. 4 TVöD in der bis zum geltenden Fassung stehen in einem Bezug zum Merkmal „Alter“. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Tätigkeitsmerkmale im Entgeltsystem des TVöD (VKA) sowie der unterschiedlichen Berufsverläufe im öffentlichen Dienst gibt es auch keine erkennbaren Zusammenhänge zwischen dem Lebensalter und dem Zeitpunkt einer etwaigen Höhergruppierung und der damit einhergehenden Stufenzuordnung. Entsprechend fehlt es an einem - auch nur mittelbaren - Zusammenhang zwischen etwaigen Privilegierungen bzw. Benachteiligungen und dem Alter der Beschäftigten durch die Umstellung auf eine stufengleiche Höhergruppierung ab dem mit der damit verbundenen Neufassung des § 17 Abs. 4 TVöD-K, zumal diese Systemumstellung für alle Entgeltgruppen und Stufen gleichermaßen gilt.

25III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2021:250321.U.6AZR146.20.0

Fundstelle(n):
BB 2021 S. 1587 Nr. 26
DAAAH-80824