Online-Nachricht - Freitag, 14.05.2021

Einkommensteuer | Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer in einem betrügerischen Schneeballsystem II (BFH)

Die Bemessungsgrundlage der von dem Steuerpflichtigen aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte mindert sich nicht um die einbehaltene Abgeltungsteuer (Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag), wenn der Einbehalt nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG mit abgeltender Wirkung für Rechnung des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge erfolgt ist (anderer Ansicht ) (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Beim FA ging eine Kontrollmitteilung der Fahndungsstelle ein, laut der der Kläger bei der von B geführten Firma Scheinrenditen aus Aktienverkäufen erzielte, die tatsächlich nie stattgefunden hätten. B habe ein Schneeballsystem unterhalten. Im Rahmen des "Verkaufs" habe B den Verkaufsbetrag und - nach Abzug verschiedener Kosten (darunter Abgeltungssteuer) - das Ergebnis ausgewiesen. Die ausgewiesene Kapitalertragsteuer sei weder angemeldet noch abgeführt worden. Nach Meinung der Fahndungsprüfung haben die Kapitalerträge damit keinem Steuerabzug unterlegen.

Das FA änderte daraufhin nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Steuerbescheide für die Streitjahre. Hiergegen wandte sich der Kläger. Er führte im Wesentlichen aus, dass die auf die Scheinrenditen entfallende Kapitalertragsteuer mit dem ordnungsgemäßen Einbehalt durch den Schuldner der Kapitalerträge (B) auch dann i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erhoben wurde, wenn sie tatsächlich nicht an das FA abgeführt wurde.

Der BFH führte aus:

  • Nach ständiger Rechtsprechung des BFH unterliegen auch Kapitaleinkünfte aus vorgetäuschten Gewinnen im Rahmen eines Schneeballsystems der Besteuerung, wenn der Anleger über diese, z.B. durch eine Wiederanlage (Novation), verfügen kann und der Schuldner der Kapitalerträge zu diesem Zeitpunkt leistungsbereit und leistungsfähig ist. Dies gilt auch dann, wenn das Schneeballsystem zu einem späteren Zeitpunkt zusammenbricht und der Anleger sein Geld verliert.

  • Es ist jedoch nicht nur bei der Besteuerung der Scheinrenditen auf die subjektive Sicht des Anlegers abzustellen, sondern auch bei der Frage, ob die Abgeltungswirkung für die von dem Betreiber des Schneeballsystems einbehaltene Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG) eintritt. Konnte der Anleger davon ausgehen, dass die Scheinrenditen dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die Einkommensteuer abgegolten.

  • Dies gilt auch dann, wenn die Kapitalertragsteuer von dem Betrüger nicht beim FA angemeldet und abgeführt wurde und dieser keine Genehmigung nach § 32 des Kreditwesengesetzes hatte. Die Scheinrenditen sind dem Anleger in diesem Fall allerdings in voller Höhe, also auch unter Berücksichtigung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer zugeflossen, da der Einbehalt für Rechnung des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge erfolgte.

  • Dies hat zur Folge, dass Kapitaleinkünfte aus einem betrügerischen Schneeballsystem in diesem Fall grundsätzlich nicht mehr der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde zu legen sind.

Quelle: BFH, Pressemitteilung v. ; ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
EAAAH-78593