BGH Urteil v. - VIII ZR 200/18

Langjähriger Energielieferungsvertrag: Ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel; Berücksichtigung von Widerspruchsgründen des Kunden gegen die Preiserhöhung

Leitsatz

1. Zur ergänzenden Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel in einem langjährigen Energielieferungsvertrag (hier: Fernwärmelieferungsvertrag) (Bestätigung der , NJW 2014, 3639 Rn. 16; vom - VIII ZR 209/18, NJW 2020, 1205 Rn. 40 [jeweils zu Fernwärme]; vom - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 21 ff.; vom - VIII ZR 59/14, BGHZ 205, 43 Rn. 12 [jeweils zu Gas]; vom - VIII ZR 80/13, NJW 2014, 1877 Rn. 20, 23 [Strom] und vom - VIII ZR 370/13, NJW 2015, 1167 Rn. 28 ff. [zur fehlenden Einbeziehung einer Preisanpassungsklausel]).

2. Auf die tatsächlichen oder von dem Energieversorger vermuteten Gründe für den Widerspruch des Kunden gegen die Preiserhöhung kommt es nicht an. Gründe müssen vom Kunden weder mitgeteilt werden, noch führte deren Nennung dazu, dass sich der Widerspruch auf diese beschränken würde. Auch sind Angaben dazu entbehrlich, ob und inwieweit der Kunde mit dem Widerspruch (auch) frühere Preiserhöhungen beanstanden will (Bestätigung von Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 14/11, juris Rn. 7; vom - VIII ZR 5/11 und VIII ZR 12/11, juris Rn. 6; vom - VIII ZR 224/11, juris Rn. 6; , NJW-RR 2012, 690 Rn. 31 und vom - VIII ZR 80/13, NJW 2014, 1877 Rn. 22).

Gesetze: § 133 BGB, § 134 BGB, § 157 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 24 Abs 3 AVBFernwärmeV vom , § 24 Abs 4 S 1 AVBFernwärmeV vom

Instanzenzug: LG Lübeck Az: 14 S 28/17vorgehend AG Ahrensburg Az: 49c C 1470/14

Tatbestand

1Die Beklagte, Rechtsnachfolgerin der W.                       GmbH, ist ein Energieversorgungsunternehmen, das im Bebauungsplangebiet R.       in A.          Kunden mit Fernwärme beliefert. Die Fernwärme wird in einem Blockheizkraftwerk erzeugt, das ausschließlich mit Erdgas betrieben wird, welches die Beklagte von einem Lieferanten bezieht. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte mit der Stadt A.         einen Vertrag geschlossen, der ihr die Versorgung mit Fernwärme in dem Bebauungsplangebiet gestattete. Dem Vertrag war als Anlage ein Mustervertrag über die Bedingungen für die Fernwärmeversorgung der Endkunden beigefügt; dieser enthält in § 7 dieselben vorformulierten Preisbestimmungen für Arbeits-, Mess- und Grundpreise, die der Beurteilung des Senats im Urteil vom (VIII ZR 209/18, NJW 2020,1205; zum Wortlaut der Preisbestimmungen in § 7 des Mustervertrags dort Seite 1206) unterlagen, das einen Rechtsstreit zwischen der hiesigen Beklagten und einem anderen Fernwärmekunden betraf.

2Die im Liefergebiet der Beklagten wohnhaften Kläger nahmen seit dem von der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin Fernwärme ab. Zum Abschluss eines schriftlichen Vertrags über die Energielieferung kam es dabei nicht.

3Die Abrechnungen für die von den Klägern abgenommene Fernwärme erstellte die Beklagte für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von 2010 bis 2013 auf Grundlage von in § 7 des oben genannten Mustervertrags vorformulierten Preisbestimmungen für Arbeits-, Grund- und Messpreise. Diese Preisbestimmungen hat der Senat in der oben zitierten Entscheidung vom für unwirksam erachtet (Senatsurteil vom - VIII ZR 209/18, aaO Rn. 16, 19 ff., 28 ff.).

4Die Kläger zahlten für die von ihnen abgenommene Fernwärme die ihnen von der Beklagten in Rechnung gestellten Entgelte, welche die Beklagte nach Maßgabe der Preisanpassungsklauseln gemäß der (unwirksamen) Regelung in § 7 des Mustervertrags alle sechs Monate angepasst hatte. Den mit der - den Klägern am zugegangenen - Jahresabrechnung für das Jahr 2009 zuletzt verlangten Arbeitspreis von 56,19 € netto/MWh erhöhte die Beklagte im Jahr 2010 schrittweise auf zuletzt 73,05 € netto/MWh. Diese Preiserhöhungen berücksichtigte die Beklagte in der Jahresabrechnung für das Jahr 2010, die den Klägern am zuging. In den Jahresabrechnungen für die Jahre 2011 bis 2013 berücksichtigte die Beklagte weitere Erhöhungen des Arbeitspreises.

5Mit Schreiben vom erklärte der Kläger zu 2, er widerspreche der Festsetzung des "aktuellen" Arbeitspreises der Beklagten und leiste bis auf weiteres die geforderten Abschläge unter Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Die Koppelung der Arbeitspreise an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl sei für ihn nicht begründbar; er halte sie für unbillig im Sinne des § 315 BGB. Mit weiteren Schreiben vom widersprachen die Kläger allen seit dem Jahr 2010 von der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin vorgenommenen Preisanpassungen. Die Beklagte hat sich gegenüber den für das Jahr 2010 geltend gemachten Ansprüchen auf Verjährung berufen.

6Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger die Beklagte zuletzt als Gesamtgläubiger auf Rückzahlung für die Jahre 2010 bis 2013 geleisteter Fernwärmeentgelte in Höhe von 1.345,59 € nebst Zinsen - unter Zugrundelegung des mit der Jahresabrechnung für das Jahr 2009 zuletzt geforderten Arbeitspreises von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) - in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Beklagte - für den Zeitraum von 2011 bis 2013 unter Zugrundelegung des letzten mit der Jahresabrechnung für das Jahr 2010 geltend gemachten Arbeitspreises von 73,05 €/MWh netto (86,93 €/MWh brutto) - verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 655,56 € nebst Zinsen zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Berufung der Kläger - den zuerkannten Betrag auf 644,20 € nebst Zinsen verringert.

7Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter. Die Kläger wollen mit ihrer Revision die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 701,39 € erreichen.

Gründe

8Die Revision der Beklagten ist überwiegend unbegründet, die Revision der Kläger hat Erfolg.

A.

9Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

10Den Klägern stehe nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Rückzahlung der auf die Arbeitspreisanpassung entfallenden Entgeltanteile zu, da die Preisanpassungsklausel in § 7 Abs. 2 des zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrags, auf die sich die Beklagte zur Begründung ihrer Entgeltansprüche stütze, unwirksam sei; die Klausel verstoße gegen das Gebot der Kostenorientierung des § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBFernwämeV aF/§ 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV.

11Der Höhe nach bestimme sich der den Klägern zustehende Rückzahlungsanspruch unter Zugrundelegung des mit der Jahresabrechnung für das Jahr 2010 zuletzt geforderten Arbeitspreises von 73,05 €/MWh netto (86,93 €/MWh brutto). Denn hierbei handele es sich um die letzte Preiserhöhung, der die Kläger nicht binnen drei Jahren ab Zugang der maßgeblichen Jahresabrechnung widersprochen hätten.

12Wie der Bundesgerichtshof wiederholt zu unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Gas- beziehungsweise Fernwärmelieferungsverträgen entschieden habe, sei die in Energielieferungsverträgen durch die Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel eingetretene Lücke im Regelungsplan der Parteien im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB zu schließen, wenn es sich um ein langjähriges Versorgungsverhältnis handele, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen habe und er nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend mache. In diesen Fällen führe eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen könne, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden sei, beanstandet habe.

13Danach könne im Streitfall offenbleiben, ob Rückerstattungsansprüche für das Jahr 2010 verjährt seien. Erstattungsansprüche der Kläger für das Jahr 2010 scheiterten schon daran, dass es für den Lieferzeitraum 2010 mangels rechtzeitigen Widerspruchs gegen die Preiserhöhungen in der Jahresabrechnung 2010 an einer Überzahlung fehle.

14Die Kläger hätten erstmals mit Schreiben vom allen seit dem Jahr 2010 erfolgten Arbeitspreiserhöhungen widersprochen. Dieser Widerspruch sei jedoch über drei Jahre nach Zugang der Jahresabrechnung für das Jahr 2010 erfolgt. Den in der am zugegangenen Jahresabrechnung für das Jahr 2011 berücksichtigten - sowie allen nachfolgenden - Arbeitspreiserhöhungen hätten die Kläger jedoch mit ihrem Schreiben vom rechtzeitig widersprochen.

15In dem Schreiben des Klägers zu 2 vom sei ein wirksamer Widerspruch der Kläger gegen die in der Jahresabrechnung für das Jahr 2010 berücksichtigten Preiserhöhungen - mit der Folge, dass der mit der Jahresabrechnung für das Jahr 2009 zuletzt geforderte Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) maßgeblich wäre - nicht zu sehen. Zwar sei dieses Schreiben der Beklagten binnen drei Jahren ab dem Zugang der Jahresabrechnung 2010 bei den Klägern zugegangen. Es könne jedoch deshalb nicht als Widerspruch gegen die im Jahr 2010 erfolgten Preiserhöhungen gewertet werden, da in dem Schreiben nur dem "aktuellen" Arbeitspreis, nicht aber den Jahre zurückliegenden Erhöhungen des Jahres 2010 widersprochen worden sei.

16Damit stünden den Klägern im Wesentlichen die ihnen bereits durch das Amtsgericht zuerkannten Beträge zu. Insgesamt hätten die Kläger daher einen Anspruch auf Zahlung von 644,20 € nebst Zinsen.

B.

17Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

18Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei angenommen, dass die auch im Vertragsverhältnis mit den Klägern verwendete Preisanpassungsklausel in § 7 des Mustervertrags wegen Verstoßes gegen das Gebot der Kostenorientierung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBFernwärmeV aF beziehungsweise § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist und den Klägern deshalb für die Jahre 2011 bis 2013 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Lieferentgelte - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts indes nicht als Gesamtgläubiger, sondern als Mitgläubiger - zusteht.

19Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht einen Rückforderungsanspruch der Kläger für das Jahr 2010 verneint und überdies die Rückforderungsansprüche für die Jahre 2011 bis 2013 zu niedrig bemessen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt allein die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Preis - ohne Rücksicht auf die dafür angegebene Begründung - zur Anwendung der Dreijahresfrist im Rahmen der nach der Rechtsprechung des Senats vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung. Aufgrund des Widerspruchs des Klägers zu 2 vom umfassten deshalb die Rückforderungsansprüche der Kläger auch das Jahr 2010 und war für den gesamten Rückforderungszeitraum der mit der Jahresabrechnung für das Jahr 2009 zuletzt geforderte Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) zugrunde zu legen. Denn der Zugang aller späteren Jahresabrechnungen lag innerhalb eines Dreijahreszeitraums vor dem genannten Widerspruch des Klägers zu 2. Unter Berücksichtigung dessen beläuft sich der Rückzahlungsanspruch der Kläger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf den von ihnen begehrten Betrag von insgesamt 1.345,59 € nebst Zinsen.

20I. Zur Revision der Beklagten:

21Die Revision der Beklagten ist nur insoweit begründet, als das Berufungsgericht die Kläger zu Unrecht als Gesamtgläubiger und nicht als Mitgläubiger angesehen hat. Ansonsten ist die Revision unbegründet. Den Klägern steht der ihnen vom Berufungsgericht zuerkannte Anspruch auf Rückerstattung der auf die Anpassung des Arbeitspreises entfallenden Lieferentgelte für die Jahre 2011 bis 2013 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu, denn sie haben für die Belieferung mit Fernwärme einen höheren als den nach dem Vertrag geschuldeten Preis entrichtet.

221. Die Preisanpassungsklausel für den Arbeitspreis in § 7 Abs. 2 des - konkludent nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) vom (BGBl. I S. 742) geschlossenen - Fernwärmelieferungsvertrags der Parteien ist gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 AVBFernwärmeV aF beziehungsweise § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB nichtig. Sie verstößt gegen das in den vorgenannten Normen verankerte Gebot der Kostenorientierung, da der gewählte Preisänderungsparameter die tatsächlichen Brennstoffbezugskosten der Beklagten nicht ausreichend abbildet. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das auf der Grundlage derselben Preisanpassungsklausel der Beklagten ergangene Senatsurteil vom (VIII ZR 209/18, NJW 2020, 1205 Rn. 19 ff.) Bezug genommen.

232. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stehen die Rückforderungsansprüche den Klägern jedoch nicht als Gesamtgläubiger (§ 428 BGB), sondern nur als Mitgläubiger (§ 432 BGB) zu. Zwar haften die Kläger für die aus § 433 Abs. 2 BGB begründeten Kaufpreisforderungen der Beklagten aus dem Fernwärmelieferungsvertrag gemäß §§ 421, 427 BGB als Gesamtschuldner (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 313/13, NJW 2014, 3150 Rn. 10 f.). Daraus folgt aber nicht, dass im Falle der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung überzahlter Entgelte die Kunden nun Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB würden. Denn das Gesetz ordnet zwar für die Zahlungspflichten des Kunden im Zweifel eine Gesamtschuld an (§ 427 BGB); es besteht aber im Falle einer Rückforderung keine entsprechende Regelung dahin, dass die früheren Gesamtschuldner im Zweifel nun Gesamtgläubiger nach § 428 BGB werden. Vielmehr ist die Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB die Regel, während die Gesamtgläubigerschaft die Ausnahme bildet (, NZM 2020, 551 Rn. 39, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vom - XI ZR 555/16, NJW 2018, 225 Rn. 20 mwN). Umstände, die im Streitfall für eine solche Ausnahme sprächen, hat das Berufungsgericht weder festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

24II. Zur Revision der Kläger:

251. Die Revision der Kläger ist zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision zugunsten beider Parteien zugelassen. Im Urteilstenor ist die Revision unbeschränkt zugelassen; eine Eingrenzung der Revisionszulassung auf die Beklagte lässt sich der Begründung in den Entscheidungsgründen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen (vgl. zur Revisionsbeschränkung auf eine Partei: , NJW-RR 2004, 426 unter II; vom - IV ZR 8/19, VersR 2020, 208 Rn. 33; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 11; jeweils mwN). Denn dort heißt es nur, es bestehe Anlass zu klären, ob die teilweise der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Gasgrundversorgung entnommenen Grundsätze auch auf Fernwärmelieferungsverträge zu übertragen seien. Diese Grundsätze betreffen sowohl die zum Nachteil der Beklagten entschiedene Frage des Anspruchsgrundes als auch die zum Nachteil der Kläger entschiedene Frage der Anspruchshöhe.

262. Die Revision der Kläger hat auch in der Sache Erfolg.

27Der den Klägern zustehende Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB bemisst sich - in Anwendung der vom Senat für derartige Konstellationen entwickelten ergänzenden Vertragsauslegung - nach dem mit der am zugegangenen Jahresabrechnung für das Jahr 2009 zuletzt geltend gemachten Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto). Allen nachfolgenden Arbeitspreiserhöhungen haben die Kläger binnen drei Jahren ab Zugang der Jahresrechnung, in der die jeweilige Arbeitspreisanpassung erstmals berücksichtigt worden ist, widersprochen. Denn maßgeblich ist insoweit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht erst das Schreiben der Kläger vom , sondern auch bereits das zeitlich frühere Schreiben des Klägers zu 2 vom . Insbesondere steht die dort von dem Kläger zu 2 verwendete Formulierung, er beanstande den "aktuellen" Arbeitspreis, einer Bestimmung des für die Rückforderung maßgeblichen Preises nach Maßgabe einer von diesem Zeitpunkt aus rückwirkend berechneten Dreijahresfrist nicht entgegen.

28a) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, führt eine unwirksame Preisanpassungsklausel in einem Energielieferungsvertrag zu einer Lücke im Regelungsplan der Parteien, die nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB zu schließen ist, wenn es sich - wie im Streitfall - um ein langjähriges Vertragsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und er nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht.

29Die ergänzende Vertragsauslegung führt dazu, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (, NJW 2014, 3639 Rn. 16 und vom - VIII ZR 209/18, NJW 2020, 1205 Rn. 40 [jeweils zu Fernwärme]; vom - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 21 ff. und vom - VIII ZR 59/14, BGHZ 205, 43 Rn. 12 [jeweils zu Gas]; vom - VIII ZR 80/13, NJW 2014, 1877 Rn. 20, 23 [Strom]; vom - VIII ZR 370/13, NJW 2015, 1167 Rn. 28 ff. [zur fehlenden Einbeziehung einer Preisanpassungsklausel]).

30b) Dabei kommt es auf die tatsächlichen oder von dem Energieversorger vermuteten Gründe für den Widerspruch nicht an. Gründe müssen vom Kunden weder mitgeteilt werden, noch führte deren Nennung dazu, dass sich der Widerspruch auf diese beschränken würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 14/11, juris Rn. 7; vom - VIII ZR 5/11 und VIII ZR 12/11, juris Rn. 6; vom - VIII ZR 224/11, juris Rn. 6; , NJW-RR 2012, Rn. 31; vom - VIII ZR 80/13, aaO Rn. 22).

31Danach bedarf es auch keiner Angaben, ob und inwieweit der Kunde mit dem Widerspruch (auch) frühere Preiserhöhungen beanstanden will. Die ergänzende Vertragsauslegung des Senats in den Fällen langjähriger Versorgungsverhältnisse, in denen der Kunde den Preiserhöhungen über lange Zeit nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen geltend macht, setzt für die Anknüpfung an die Dreijahresfrist lediglich voraus, dass der Kunde dem Energieversorger gegenüber zum Ausdruck bringt, er beanstande den derzeit geforderten (aktuellen) Preis der Höhe nach. Die Rückforderungsansprüche des Kunden werden sodann durch die ergänzende Vertragsauslegung (zugunsten des Versorgers) auf einen Preis begrenzt, der ausgehend von dem Zeitpunkt eines (wie auch immer bezeichneten oder begründeten) Widerspruchs des Kunden gegen den Preis rückwirkend nach der genannten Dreijahresfrist zu ermitteln ist.

32c) Aufgrund des Widerspruchsschreibens vom ist deshalb, wie die Kläger bereits mit der Berufung zu Recht geltend gemacht haben, für den Rückforderungsanspruch der Kläger der Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) maßgeblich, den die Beklagte mit der den Klägern am zugegangenen Jahresabrechnung für 2009 (ab dem ) verlangte. Denn bereits die nachfolgende, auf mehreren schrittweisen Preiserhöhungen basierende Jahresabrechnung für 2010 war den Klägern am und somit innerhalb eines vom Widerspruch rückgerechneten Dreijahreszeitraums zugegangen; an der Geltendmachung der Unwirksamkeit der in dieser und den späteren Jahresabrechnungen enthaltenen Preiserhöhungen sind die Kläger somit nicht gehindert.

33d) Mit Schreiben des Klägers zu 2 vom , dessen Inhalt der Beklagten eine Zuordnung zu dem streitbefangenen Vertragsverhältnis ermöglichte, ist Widerspruch auch für die Klägerin zu 1 erhoben worden. Denn bei einem einheitlichen Fernwärmelieferungsvertrag muss der Widerspruch nicht von allen oder für alle Kunden erklärt werden, um für alle zu wirken (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 45/19, aaO Rn. 95). Eine gegenteilige Sichtweise führte zu unterschiedlichen (gespaltenen) Rückforderungsansprüchen der Kunden, je nachdem, wer zu welchem Zeitpunkt Widerspruch erhoben hat. Dies entspräche weder dem Interesse des Kunden noch demjenigen des Energieversorgers.

34e) Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen (teilweise) als richtig dar (§ 561 ZPO).

35Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch. Die von den Klägern für das Jahr 2010 geltend gemachte Forderung ist nicht verjährt. Denn die Verjährung ist durch die am bei Gericht eingegangene und am zugestellte Klage rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO).

36aa) Der von den Klägern geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

37Fordert der Kunde in einem Energielieferungsverhältnis aufgrund einer unwirksamen Preisänderungsklausel geleistete Zahlungen zurück, entsteht der Rückforderungsanspruch nicht bereits mit der Leistung einzelner Abschlagszahlungen, sondern erst mit Erteilung der (Jahres-)Abrechnung (, NJW 2012, 2647 Rn. 9 ff.; vom - VIII ZR 279/11, NJW 2013, 1077 Rn. 44; vom - VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 46; vom - VIII ZR 243/13, BGHZ 204, 325 Rn. 60).

38bb) Nach den - von den Parteien unbeanstandeten - Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihre Fernwärmelieferungen für das Jahr 2010 mit der am zugegangenen Jahresabrechnung abgerechnet. Die damit hinsichtlich der im Jahr 2011 abgerechneten Gaslieferungen an sich zum endende Verjährungsfrist für die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche ist allerdings durch die am beim Amtsgericht eingegangene und am zugestellten Klage rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO).

C.

39Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

40Dies führt auf die Berufung der Beklagten - als ein Weniger gegenüber einer Verurteilung zur Zahlung an die Kläger als Gesamtgläubiger (vgl. , NJW 1991, 2629 unter 1; vom - XI ZR 311/04, NJW 2005, 2779 unter III; vom - VIII ZR 45/19, aaO Rn. 25 mwN) - zu ihrer Verurteilung zur Zahlung an die Kläger als Mitgläubiger unter Abweisung der weitergehenden Klage, im Übrigen auf die Berufung der Kläger zur Abänderung und Neufassung des erstinstanzlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Denn der den Klägern zustehende Anspruch in Höhe der Differenz zwischen dem für die Jahre 2010 bis 2013 von der Beklagten in den Jahresabrechnungen berechneten und dem auf der Grundlage eines lediglich in Höhe von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) geschuldeten Arbeitspreis beläuft sich auf den von den Klägern in den Rechtsmittelinstanzen noch geltend gemachten Betrag von insgesamt 1.345,59 €.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:100321UVIIIZR200.18.0

Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 10 Nr. 18
NJW-RR 2021 S. 626 Nr. 10
WM 2022 S. 1381 Nr. 28
ZIP 2021 S. 1069 Nr. 20
EAAAH-76075