Umsatzsteuer | Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung im Gründungsjahr (BFH)
Der für die Gestattung der sog. Ist-Besteuerung maßgebende Gesamtumsatz (§ 20 Satz 1 Nr. 1 UStG) ist nach den voraussichtlichen Verhältnissen des Gründungsjahres zu bestimmen, wenn der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit erst im laufenden Jahr begonnen hat. Für diese Prognose ist ein Gesamtumsatz nach den Grundsätzen der sog. Soll-Besteuerung zu schätzen (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die maßgebliche Umsatzgrenze für die umsatzsteuerliche Ist-Besteuerung im Gründungsjahr des Unternehmens (zur Vorinstanz s. ).
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Der für die Gestattung der sog. Ist-Besteuerung maßgebende Gesamtumsatz (§ 20 Satz 1 Nr. 1 UStG) ist nach den voraussichtlichen Verhältnissen des Gründungsjahres zu bestimmen, wenn der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit erst im laufenden Jahr begonnen hat.
Für diese Prognose ist ein Gesamtumsatz nach den Grundsätzen der sog. Soll-Besteuerung zu schätzen.
§ 130 Abs. 2 Nr. 3 AO enthält ermessenslenkende Vorgaben; eine abwägende Stellungnahme des Finanzamts zur Rücknahme des durch falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist nicht erforderlich, wenn der Begünstigte von der Unrichtigkeit seiner Angaben wusste oder zumindest hätte wissen können und müssen.
Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:
Die Entscheidung betrifft eine Problematik, die nicht gerade alltäglich ist. Es geht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem Unternehmen, dass sich im Veranlagungszeitraum in Gründung befindet, ein Wechsel von der Soll-Besteuerung zur Ist-Besteuerung möglich ist. Der Senat hatte sich in diesem Zusammenhang mit mehreren Fragen auseinander zu setzen.
So hat er höchstrichterlich entschieden, dass es nicht darauf ankommt, wie hoch die Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr waren (da in diesem Jahr keine Umsätze getätigt wurden, hatte die Klägerin einen Null-Umsatz angenommen), sondern auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz des laufenden Jahres. Soweit in ertragssteuerlichen Vorschriften eine andere Sichtweise eingenommen wird, lässt sich diese nicht auf die Entscheidung beim Wechsel von der Soll- zur Ist-Besteuerung übertragen. Ebenso hebt der BFH hervor, dass bei der Schätzung die Grundsätze der Soll-Besteuerung zu berücksichtigen sind.
Entscheidend für den Fall war vor allem, dass im Zeitpunkt der Gestattung der Ist-Besteuerung ein zu hoher Gesamtumsatz zu erwarten war. Maßgeblich ist also der Zeitpunkt des Erlasses des Gestattungsbescheides. Spätere Erkenntnisse sind unbeachtlich. So war auch im Besprechungsfall unbeachtlich, dass im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen wurde, dass der Gesamtumsatz im Gründungsjahr letztlich keinesfalls sicher war.
Auch verfahrensrechtlich war die Rücknahme des Bescheides über die Gestattung durch das Finanzamt (nach § 130 Abs. 1 AO – eine Ermessensvorschrift) nicht rechtswidrig, da ein sog. „intendiertes Ermessen“ die Rücknahme durch das Finanzamt rechtfertigte. Wenn der Begünstigte von der Unrichtigkeit seiner Angaben Kenntnis hatte bzw. hätte haben können und müssen – das war im Besprechungsfall gegeben – bedurfte es keiner besonderen Begründung mehr für das Ermessen.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
YAAAH-74739