StuB Nr. 6 vom Seite 1

Das geplante Lieferkettengesetz als „Bürokratiemonster“?

Prof. Dr. Patrick Velte, Leuphana Universität Lüneburg

Das Bundeskabinett hat am den Entwurf eines Gesetzes „über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ (sog. Lieferkettengesetz) beschlossen. Unabhängig von der Rechtsform sollen ab dem zunächst Unternehmen mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern das Lieferkettengesetz befolgen. Ein Jahr später soll der Anwendungsbereich auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern ausgedehnt werden. Die betreffenden Unternehmen sollen künftig bestimmte menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in „angemessener Weise“ beachten. Im Fokus soll die Einrichtung eines „angemessenen und wirksamen Risikomanagements“ stehen, um menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen. Mittelbare Zulieferer sind grds. nicht Gegenstand der in Rede stehenden unternehmerischen Sorgfaltspflichten. Die einzurichtenden Beschwerdeverfahren sollen allerdings auch für Betroffene eines mittelbaren Zulieferers offen sein. Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten soll Gegenstand einer jährlichen Berichtspflicht auf der Internetseite sein.

Der Gesetzentwurf sieht gestaffelte Geldbußen bis zu 100.000 €, 500.000 € oder 800.000 € vor. Bei Unternehmen mit mehr als 400 Mio. € Umsatz könnten Geldbußen bis zu 2 % des weltweiten Umsatzes anfallen. Des Weiteren sollen Unternehmen mit einer Geldbuße von mind. 175.000 € für drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden können. Die Interessen von Beschäftigten ausländischer Unternehmen gegenüber deutschen Auftraggebern sollen künftig Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen wahrnehmen dürfen als neue „Prozessstandschaft“.

Bei Unternehmen des öffentlichen Interesses (PIEs) stellt sich die Frage nach der Verknüpfung der neuen Berichts- und Risikomanagementpflichten aus dem geplanten Lieferkettengesetz mit den aktienrechtlichen Leitungs- und Überwachungspflichten des Vorstands und Aufsichtsrats (z. B. §§ 91 Abs. 2, 107 Abs. 3 AktG, 171 Abs. 1 AktG) und den handelsrechtlichen Regelungen zur Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung (§§ 289b-e HGB). Für diejenigen PIEs, welche eine nichtfinanzielle Erklärung seit dem Geschäftsjahr 2017 erstellen müssen, ist eine Integration der Berichtsanforderungen aus dem geplanten Lieferkettengesetz in die nichtfinanzielle Erklärung ausdrücklich zu empfehlen. Ansonsten droht eine weitere „Zersplitterung“ der Unternehmensberichterstattung.

Die geplante Verabschiedung des Lieferkettengesetzes als „Wahlkampfschlager“ ist zu kritisieren, da die EU-Kommission parallel ebenfalls an einer entsprechenden Regulierung arbeitet, die wesentlich weiter reichen soll als der deutsche Gesetzentwurf. Hierbei sind keine größenabhängigen Schwellenwerte, keine Sorgfaltsbeschränkungen auf den unmittelbaren Zulieferer, eine stärkere Einbeziehung von Umweltschutzmaßnahmen in der Lieferkette sowie zivilrechtliche Haftungsmaßnahmen geplant. Insofern könnte sich das geplante deutsche Lieferkettengesetz als Bürokratiemonster entpuppen, das zeitnah an die künftigen Vorgaben aus Brüssel angepasst werden müsste.

Patrick Velte

Fundstelle(n):
StuB 6/2021 Seite 1
UAAAH-73683