BGH Beschluss v. - 1 StR 239/20

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Erfordernis ausreichender Feststellungen zur Tatzeit und zum Vollstreckungsstand früherer Urteile

Gesetze: § 267 StPO, § 55 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 2 KLs 6/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wovon sechs Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Schuldspruch, die Einzelstrafaussprüche und die Kompensationsentscheidung weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

32. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat hingegen keinen Bestand. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die Prüfung unterlassen, ob die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom in die Gesamtfreiheitsstrafe einzubeziehen waren. Nachdem der Angeklagte die vorliegenden Taten vor dieser Verurteilung verübt hatte (Februar bzw. April 2010), lagen die Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB grundsätzlich vor. Auch die Verurteilungen des Amtsgerichts Halle (Saale) vom und des waren bereits erledigt und entfalteten daher keine Zäsurwirkung (vgl. Rn. 6), die einer möglichen Gesamtstrafenbildung entgegen gestanden hätte.

4Die Wirtschaftsstrafkammer hat aber keine ausreichenden Feststellungen zu den Tatzeiten und dem Vollstreckungsstand der Verurteilung des Amtsgerichts Halle (Saale) vom getroffen. Insbesondere hätte mitgeteilt werden müssen, ob die verhängte Bewährungsstrafe etwa durch Straferlass vor Urteilserlass im vorliegenden Verfahren erledigt war und deshalb eine Einbeziehung der Einzelstrafen des amtsgerichtlichen Urteils in die Gesamtstrafe zu unterbleiben hatte. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dabei ist der Vollstreckungsstand zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils () maßgebend (vgl. nur Rn. 16).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:200820B1STR239.20.0

Fundstelle(n):
JAAAH-69035