Online-Nachricht - Dienstag, 19.01.2021

Kindergeld | Sperrfrist für EU-Ausländer nach § 62 Abs. 1a EStG (FG)

Die dreimonatige Sperrfrist des § 62 Abs. 1a EStG für zugezogene EU-Ausländer gilt nicht, wenn bereits vor Begründung des inländischen Wohnsitzes ein Kindergeldanspruch bestand (; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Die Klägerin zog im Juli 2020 mit ihren beiden Kindern von Bulgarien nach Deutschland. Ihr Ehemann, der Vater der Kinder, lebte bereits seit Ende 2019 in Deutschland und ging hier einer Vollzeitbeschäftigung nach, während die Klägerin selbst nicht erwerbstätig war.

Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag der Klägerin für die ersten drei Monate (Juli bis September 2020) ab, weil die Klägerin keine laufenden inländischen Einkünfte erzielt habe. Ab Oktober 2020 erhielt die Klägerin Kindergeld.

Das FG Münster gewährte der Klägerin auch für die Monate Juli bis September 2020 Kindergeld:

  • Die in § 62 Abs. 1a EStG vorgesehene dreimonatige Sperrfrist für nicht erwerbstätige EU-Ausländer ab Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland greift im Streitfall nicht ein.

  • Für die Begründung eines Wohnsitzes ist auch ein fiktiver Familienwohnsitz gemäß Art. 67 Satz 1 der EG-Verordnung Nr. 883/2004 ausreichend.

  • Die Klägerin hat einen solchen fiktiven Wohnsitz bereits vor ihrem Zuzug nach Deutschland gehabt, weil ihr Ehemann hier gewohnt und gearbeitet hat.

  • Dieses Verständnis entspricht auch dem Zweck der Sperrfrist, das deutsche Sozialsystem vor einer unangemessenen Inanspruchnahme zu schützen und eine Anreizwirkung des Kindergeldes für den Zuzug nach Deutschland zu vermeiden.

  • Dieser Zweck kann nicht erfüllt werden, wenn bereits vor dem Zuzug ein inländischer Kindergeldanspruch bestanden hat.

  • Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht auf das Differenzkindergeld beschränkt, weil Deutschland wegen der Erwerbstätigkeit des Ehemannes vorrangig zuständig ist und daher kein bulgarischer Kindergeldanspruch besteht.

Hinweis:

Der Senat hat die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Quelle: FG Münster, Newsletter Januar 2021 (il)

Fundstelle(n):
XAAAH-68926