BFH Urteil v. - I R 58/17 BStBl 2021 II S. 945

Verpachtungsbetrieb gewerblicher Art: wirtschaftliche Betrachtungsweise

Leitsatz

1. Der Begriff der „Verpachtung“ in § 4 Abs. 4 KStG setzt eine entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten voraus.

2. Entgeltlichkeit in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht der Pächter, sondern der Verpächter die wirtschaftliche Last des vereinbarten Pachtzinses zu tragen hat. [1]

Gesetze: FGO § 118 Abs. 2; FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1; KStG i.d.F. des JStG 2009 § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, Abs. 4; KStG i.d.F. des JStG 2009 § 8 Abs. 7;

Instanzenzug: ,

Tatbestand

I.

1 Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Stadt. Sie unterhielt ein städtisches Freizeitzentrum, bestehend aus einem Hallenbad, einer Sauna sowie einer Bowlingbahn. Die Einrichtung wurde von der Klägerin steuerlich als Betrieb gewerblicher Art (BgA) behandelt.

2 Im Jahr 2007 verpachtete die Klägerin das Hallenbad mit sämtlichem Inventar (ausgenommen die Bowlingbahn) für zunächst drei Jahre an die B GmbH (GmbH), an der sie selbst nicht beteiligt war. Die GmbH verpflichtete sich, die gepachtete Einrichtung für öffentliche Zwecke zu betreiben. Die Nutzung durch Schulen und Vereine war sicherzustellen; im Übrigen unterlag der Badebetrieb der freien Gestaltung der Pächterin. Die GmbH verpflichtete sich ferner zur Zahlung einer Pacht in Höhe von jährlich ... € zuzüglich Umsatzsteuer; außerdem oblagen ihr erforderliche Ausbesserungen und Reparaturen der Pachtsache bis zu einer Höhe von jährlich ... €. Die Klägerin als Verpächterin verpflichtete sich ihrerseits, der GmbH in monatlichen Raten einen fortlaufenden Betriebskostenzuschuss zu zahlen, der sich im ersten Vertragsjahr auf ... €, im zweiten Vertragsjahr auf ... € und im dritten Vertragsjahr auf ... € belief. Zu den vom Betriebskostenzuschuss zu deckenden Kosten gehörten auch die Pacht sowie die Aufwendungen für Ausbesserungen und Reparaturen. Die Klägerin war berechtigt, den Betriebskostenzuschuss einzubehalten, wenn die GmbH ihre vertraglichen Verpflichtungen schuldhaft nicht erfüllte; die GmbH war ihrerseits zur fristlosen Kündigung des Pachtvertrages berechtigt, falls die Klägerin mit der Zahlung des Zuschusses in Höhe von zwei Monatsbeträgen in Verzug geraten sollte.

3 Für den anschließenden Zeitraum ( bis ) schlossen die Klägerin und die GmbH im Jahr 2010 einen im Wesentlichen inhaltsgleichen Pachtvertrag, der sich bei ausbleibender Kündigung um jeweils zwei weitere Jahre verlängerte. Die jährlich zu zahlende Pacht betrug weiterhin ... €, der Betriebskostenzuschuss wurde mit jährlich ... € vereinbart.

4 Die GmbH erwirtschaftete aus der verpachteten Einrichtung jährliche Einnahmen (ohne Betriebskostenzuschüsse) im Betrag zwischen ... € (2010) und ... € (2012).

5 Die Klägerin erklärte für 2008 einen Verlust in Höhe von ... € aus einem „Verpachtungsbetrieb gewerblicher Art“. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) folgte dem zunächst und setzte die Körperschaftsteuer 2008 mit 0 € fest. Der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum wurde (unter Berücksichtigung vorgetragener Verluste aus 2007) auf ... € festgesetzt. Nachfolgend hob das FA diese Bescheide jedoch wieder auf und lehnte gleichzeitig eine Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2009, 2010, 2011 sowie 2012 ab. Es war nunmehr der Auffassung, das Hallenbad der Klägerin sei angesichts des geringen Pachtentgelts bei gleichzeitigen höheren Betriebskostenzuschüssen unentgeltlich überlassen worden; ein Verpachtungsbetrieb gewerblicher Art (Verpachtungs-BgA) liege demnach nicht vor.

6 Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2018, 56) stattgegeben.

7 Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung materiellen Rechts geltend. Es beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage als unbegründet zurückzuweisen.

8 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

9 Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage als unbegründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Vorinstanz hat zu Unrecht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und das FA verpflichtet, die Klägerin für die Jahre 2008 bis 2012 zur Körperschaftsteuer zu veranlagen. Bei der Verpachtung des Hallenbads (samt Inventar, ausgenommen die Bowlingbahn) handelt es sich nicht um einen BgA der Klägerin, mit dem diese der Körperschaftsteuer unterliegt.

10 1. Die Vorinstanz ist zu Unrecht von der Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf die Aufhebung des Körperschaftsteuerbescheids für das Jahr 2008 sowie die Ablehnung der Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer für das Jahr 2009 ausgegangen. Die Revision des FA ist bereits deshalb insoweit begründet. Bei sog. Nullbescheiden fehlt es regelmäßig an der Beschwer (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91; vom  - I R 76/14, BFHE 256, 314, BStBl II 2017, 704; vom  - I R 25/16, BFH/NV 2018, 838, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn —wie für das Streitjahr 2008— ein Nullbescheid aufgehoben und dagegen Klage erhoben wird. Die gesetzliche Neukonzeption des § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) bewirkt zwar eine inhaltliche Bindung an den Einkommen-/Körperschaftsteuerbescheid bzw. Gewerbesteuermessbescheid und führt damit regelmäßig zu einer Beschwer auch im Fall einer Nullfestsetzung, sie greift aber vorliegend nicht, da die Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer für das Streitjahr 2008 am und damit jedenfalls vor dem in § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 geforderten Zeitpunkt () abgegeben worden ist. Die Klägerin kann sich zudem nicht darauf berufen, dass die Ablehnung einer Veranlagung zur Körperschaftsteuer jedenfalls für Veranlagungszeiträume vor der Neukonzeption des § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 zu einer Beschwer führt, da eine „Nichtveranlagung“ ohne Hinzutreten weiterer Umstände für die Klägerin nicht begünstigend ist. Durch die Ablehnung der Veranlagung zur Körperschaftsteuer für das Streitjahr 2009 (Abgabe Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer vom ) ist die Klägerin nicht beschwert.

11 2. Die Revision ist im Hinblick auf die weiteren angefochtenen Bescheide ebenfalls begründet. Die Klägerin unterliegt mangels eines BgA mit ihren Einkünften aus der Verpachtung des Hallenbads (samt Inventar, ausgenommen die Bowlingbahn) nicht der Körperschaftsteuer.

12 a) Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (KStG). Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG sind BgA von Körperschaften des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist damit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Hinblick auf den einzelnen oder einzelne BgA Zuordnungssubjekt des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG (ständige Rechtsprechung seit Senatsurteil vom  - I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391).

13 b) Bei der Verpachtung des Hallenbads handelt es sich nicht um einen BgA der Klägerin, mit dem diese der Körperschaftsteuer unterliegt.

14 aa) Unter einem BgA sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG alle Einrichtungen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts —mit Ausnahme von Hoheitsbetrieben (§ 4 Abs. 5 KStG)— zu verstehen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KStG). Die Verpachtung eines BgA gilt gemäß § 4 Abs. 4 KStG selbst als BgA der verpachtenden Körperschaft. Ein BgA kann danach Gegenstand eines Pachtvertrages sein. Dies allerdings nur dann, wenn er in der Hand der verpachtenden Körperschaft ein BgA wäre (Senatsurteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391, unter Hinweis auf Urteile des Reichsfinanzhofs —RFH— vom  - I 390/38, RFHE 46, 88, RStBl 1939, 560; vom  - I 143/36, RFHE 47, 220, RStBl 1939, 1039).

15 bb) Hiernach ist die Vorinstanz zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Betrieb „Hallenbad“ —würde er von der Klägerin selbst unmittelbar betrieben— um einen BgA i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG handeln würde. Insbesondere ist dem FG darin zuzustimmen, dass der Betrieb des Hallenbads sich von der übrigen Tätigkeit der Klägerin in ausreichendem Maße abhebt.

16 Das Schwimmbad wird ferner mit Einnahmeerzielungsabsicht i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG betrieben. Nach dieser Vorschrift ist die Absicht, Gewinn zu erzielen, nicht erforderlich. Soweit in der Literatur hierzu die Auffassung vertreten wird, dass über den Verweis in § 8 Abs. 1 KStG auf die allgemeine Einkommensermittlung nach § 2 Abs. 1 EStG abzustellen sei und damit die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden müsse, was zur Folge hätte, dass Tätigkeiten, die auf Dauer gesehen nur Verluste erwirtschaften können, von der Besteuerung auszunehmen sind (vgl. Hüttemann, Der Betrieb —DB— 2007, 1603; Gosch/Märtens, KStG, 3. Aufl., § 4 Rz 55; Döring in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 4 Rz 85; vgl. auch Senatsurteil vom  - I R 32/06, BFHE 218, 523, BStBl II 2007, 961), ist dem durch das Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) vom (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) vorgenommene gesetzliche Änderungen die Grundlage entzogen worden. Denn mit dem Jahressteuergesetz 2009 wurde nicht nur die Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 KStG geschaffen, nach der bei BgA die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) nicht bereits deshalb zu ziehen sind, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben, was wiederum voraussetzt, dass auch das Betreiben eines Dauerverlustgeschäfts —unter den sonstigen Voraussetzungen— einen BgA begründet, sondern auch in § 8 Abs. 1 KStG ein Satz 2 angefügt, der inhaltsgleich mit § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG bestimmt, dass bei den BgA die „Absicht, Gewinn zu erzielen . nicht erforderlich“ ist. Damit hat der Gesetzgeber die Unbeachtlichkeit des Fehlens einer Gewinnerzielungsabsicht ausdrücklich auch für die Ebene der Einkommensermittlung angeordnet.

17 Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des BFH entgegen, wonach es an der für die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erforderlichen Grundvoraussetzung der wirtschaftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit fehlt, wenn eine Gemeinde über die von ihr vereinnahmten Beiträge nur einen kleinen Teil ihrer Kosten deckt (, BFHE 256, 557). Die Vorinstanz verweist zutreffend darauf, dass diese Rechtsprechung die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft eines BgA betrifft, bei deren Beurteilung nicht entscheidend auf § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG, § 8 Abs. 1 Satz 2 KStG oder § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 KStG, sondern vielmehr auf eine richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes i.V.m. § 4 KStG abzustellen ist (so ausdrücklich BFH-Urteil in BFHE 256, 557, unter II.3. der Gründe).

18 cc) Die Verpachtung des Hallenbades führt im Streitfall jedoch —entgegen der Auffassung der Vorinstanz— nicht dazu, dass ein sog. Verpachtungs-BgA anzunehmen wäre.

19 aaa) Die Verpachtung eines BgA gilt gemäß § 4 Abs. 4 KStG selbst als BgA der verpachtenden Körperschaft. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Fiktion ist es zu verhindern, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts sich der Körperschaftsteuer dadurch entziehen, dass sie Einrichtungen nicht selbst betreiben, sondern verpachten (vgl. Senatsurteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391). Die Fiktion eines BgA hat letztlich auch zur Folge, dass die Voraussetzungen eines BgA in der Person der Klägerin und insbesondere das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht nicht mehr zu prüfen sind (vgl. etwa , BFHE 162, 94, BStBl II 1990, 1100, betreffend Vermögensteuer). Voraussetzung der gesetzlichen Fiktion ist jedoch, dass der Verpächter die Einrichtungen, Anlagen oder Rechte entgeltlich überlässt. Dies ist im Streitfall nicht gegeben.

20 bbb) Die Vorinstanz ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass als Verpachtung i.S. von § 4 Abs. 4 KStG jede entgeltliche Überlassung von Einrichtungen, Anlagen oder Rechten, die beim Verpächter einen BgA darstellen würden, anzusehen ist. Diese Formulierung geht zwar auf eine ausdrückliche gesetzliche Definition in § 1 Abs. 3 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV 1955/KStDV 1961) zurück, die wiederum inhaltlich § 1 Abs. 3 Satz 2 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes vom (RGBl I 1935, 163) entspricht (vgl. Senatsurteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391), sie hat aber gleichbleibende Bedeutung für den Begriff der „Verpachtung“ in § 4 Abs. 4 KStG. Dies ergibt sich zunächst aus der Wortbedeutung des Begriffs „Verpachtung“. Ausgehend von einem zivilrechtlichen Begriffsverständnis ist der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu entnehmen, dass der Begriff des Mietvertrages voraussetzt, dass ein vereinbartes Entgelt entrichtet wird, während bei (nahezu) unentgeltlicher Überlassung von Wohnraum von anderen Gebrauchsüberlassungsverhältnissen auszugehen ist (vgl. z.B. , Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2017, 1479). Entsprechendes muss für den streitgegenständlichen Pachtvertrag gelten. Und diese Auslegung entspricht nicht nur dem Sinn und Zweck der ursprünglichen Regelung, die sicherstellen soll, dass die aus der Verpachtung solcher Betriebe erzielten Einnahmen der Körperschaftsteuer unterworfen werden (Senatsurteil in BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391), sondern auch der streitgegenständlichen Regelung in § 4 Abs. 4 KStG.

21 ccc) Zu Unrecht ist die Vorinstanz allerdings im Weiteren davon ausgegangen, dass im Streitfall eine entgeltliche Überlassung des Hallenbadbetriebs vorliege und die Gewährung eines fest und im Voraus vereinbarten monatlichen Betriebskostenzuschusses nicht mit dem jährlich zu zahlenden Pachtentgelt saldiert werden könne. Soweit die Vorinstanz zu der rechtlichen Würdigung gelangt, dass im Streitfall eine gegenseitige Abhängigkeit der Zahlungen nicht erkennbar sei, weil die Zahlungen der Pacht und des Zuschusses zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig waren und nach dem Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung das Pachtentgelt unveränderlich mit jährlich ... € vereinbart worden ist, während der Betriebskostenzuschuss hiervon unabhängig einer Erhöhung unterlag, hält dies einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

22 Die Auslegung einzelner Abreden und die sich daraus ergebende Gesamtwürdigung der jeweils zu beurteilenden Vereinbarungen obliegt zwar grundsätzlich dem Tatrichter. Dessen Einschätzung kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist oder ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt; ist dies nicht der Fall, so ist die tatrichterliche Würdigung auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn ein abweichendes Verständnis gleichermaßen möglich oder sogar naheliegend ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom  - I R 91/15, BFH/NV 2018, 16, m.w.N.). Das vom FG vertretene rein zivilrechtliche Begriffsverständnis lässt außer Acht, dass sich die steuerrechtliche Beurteilung an den wirtschaftlichen Gegebenheiten zu orientieren hat. Hierzu gehört, dass die formal vereinbarten Pachtzahlungen zwangsläufig bei der Bemessung des Betriebskostenzuschusses berücksichtigt werden müssen, weil es sich um Aufwand in Zusammenhang mit dem übernommenen Bäderbetrieb handelt (im Ergebnis ebenso R 4.3 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 2015). Dies ergibt sich bereits aus den Feststellungen der Vorinstanz, wonach im Streitfall die Pachtzahlungen zu den vom Betriebskostenzuschuss zu deckenden Kosten gehören. Bei der danach gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung der Gegebenheiten kann es —entgegen der Auffassung der Vorinstanz— weder eine Rolle spielen, dass das Pachtentgelt ausdrücklich vertraglich vereinbart worden ist, die Höhe der Pachtzahlung nicht ausdrücklich von den monatlich zu zahlenden Betriebskostenzuschüssen abhängig gemacht worden ist oder der tatsächliche Zahlungszeitpunkt des Pachtentgelts zeitlich von dem Zahlungszeitpunkt für den Betriebskostenzuschuss abweicht. Entscheidend ist bei der im Streitfall gebotenen, an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten Betrachtung, dass sich die Höhe des Betriebskostenzuschusses am Aufwand des Hallenbadbetriebs orientiert und damit im Ergebnis auch an den geleisteten Pachtzahlungen. Damit trägt im Ergebnis die wirtschaftliche Last der Pachtzahlungen nicht die Pächterin, sondern die Klägerin selbst.

23 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz vermag der Senat darin auch keine mit dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 4 KStG nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung von Verpachtungs-BgA auf der einen Seite und solchen BgA auf der anderen Seite zu sehen, die von der juristischen Person des öffentlichen Rechts selbst betrieben werden. Der Fiktion des § 4 Abs. 4 KStG kann nicht die Intention des Gesetzgebers entnommen werden, im Falle der Überlassung des BgA an einen Dritten solle die Trägerkörperschaft steuerlich so behandelt werden, als würde sie den BgA weiterhin selbst betreiben. Steuerobjekt des BgA „Verpachtung“ i.S. des § 4 Abs. 4 KStG ist der Ertrag aus dem Pachtverhältnis, nicht aber der Ertrag des verpachteten Betriebs.

24 Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Hinnahme strukturell bedingter Verluste durch einen BgA „Verpachtung“ als vGA an die Trägerkörperschaft i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu werten wäre, wenn nicht die Voraussetzungen eines Dauerverlustgeschäfts i.S. von § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 2 KStG vorlägen, d.h. das Geschäft aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen ohne kostendeckendes Entgelt betrieben wird. Ein defizitäres Verpachtungsgeschäft als solches wird diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllen können (vgl. zur Verpachtung eines Freibads durch eine kommunale Eigengesellschaft Senatsurteil vom  - I R 56/15, BFHE 256, 75, BStBl II 2017, 498).

25 3. Die Vorinstanz hat eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil ist deswegen aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig ergangen und die Klage ist abzuweisen.

26 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2019:U.101219.IR58.17.0

Fundstelle(n):
BStBl 2021 II Seite 945
BB 2021 S. 149 Nr. 3
BB 2021 S. 421 Nr. 7
BFH/NV 2021 S. 420 Nr. 3
BFH/PR 2021 S. 157 Nr. 4
BStBl II 2021 S. 945 Nr. 25
DB 2021 S. 90 Nr. 3
DStR 2021 S. 151 Nr. 3
DStR 2021 S. 6 Nr. 2
DStRE 2021 S. 182 Nr. 3
DStZ 2021 S. 158 Nr. 5
EStB 2021 S. 70 Nr. 2
FR 2022 S. 37 Nr. 1
GStB 2021 S. 18 Nr. 6
GmbH-StB 2021 S. 73 Nr. 3
HFR 2021 S. 597 Nr. 6
KoR 2021 S. 99 Nr. 2
KÖSDI 2021 S. 22098 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 3/2021 S. 160
StuB-Bilanzreport Nr. 3/2021 S. 133
MAAAH-68519

1Hinweis auf -/- 2021/1292288 - (BStBl 2021 I S. 2483).