BGH Beschluss v. - 1 StR 110/20

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Unterbreitung eines verbindliches Kaufangebots; Konkurrenzverhältnis bei Anbau von Betäubungsmitteln und bei Ansammlung der Ernten vor Abverkauf

Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 Abs 1 Alt 2 StGB, § 53 StGB

Instanzenzug: LG Tübingen Az: 42 Js 24801/18 - 10 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts richtete der Angeklagte Anfang des Jahres 2018 im Keller seiner Werkstatt eine Indoor-Plantage zum Anbau von Cannabis ein, das gewinnbringend verkauft werden sollte. Bei dem ersten Anbau- und Erntevorgang wurden 1,8 Kilogramm (Fall II. 8. der Urteilsgründe) erzielt, bei dem zweiten 2,2 Kilogramm Marihuana (Fall II. 9. der Urteilsgründe). Diese Ernten (Wirkstoffgehalt 12 % THC) und einen weiteren mit vier Kilogramm Marihuana gefüllten Plastikfoliensack (Wirkstoffgehalt 15,21 % THC) lagerte der Angeklagte auf dem Dachboden seines Wohnhauses.

3b) Aus der in einem Kellerraum dieses Wohnhauses errichteten weiteren professionellen Aufzuchtanlage mit ebenfalls zwei Anbau- und Erntevorgängen (UA S. 11) erzielte der Angeklagte bei der ersten Ernte 700 Gramm (Fall II. 10. der Urteilsgründe), bei der zweiten 800 Gramm Marihuana (Fall II. 11. der Urteilsgründe). Auch diese Erträge (Wirkstoffgehalt 12 % THC) lagerte er auf seinem Dachboden.

4c) Bei zwei Abverkäufen aus dem Lagerbestand seines Dachbodens entnahm er das Marihuana jeweils den Erträgen aller vier Ernten und dem Plastikfoliensack und ließ es in Folien zu je 250 Gramm vakuumieren. Beim ersten Abverkauf am übergab der Angeklagte dem Käufer, einem verdeckten Ermittler (VE), ein Kilogramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 13,85 % THC) und erhielt den Kaufpreis von 5.500 €.

5Am teilte der VE dem Angeklagten im Rahmen eines verabredeten Treffens mit, er benötige zwei Kilogramm Marihuana und werde danach eine größere Menge für jemand anderen kaufen. Der Angeklagte stimmte dem Verkauf von zwei Kilogramm Marihuana zu 5.500 € zu. Über den Preis für die größere Menge von 20 Kilogramm verhandelten sie und einigten sich auf einen Preis von 5.000 € je Kilogramm. Am übergab der Angeklagte dem VE die zwei Kilogramm (Wirkstoffgehalt 14,82 % THC) und erhielt den vereinbarten Kaufpreis.

6d) Am erhielt der Angeklagte 20 Kilogramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 15,21 % THC) zu 4.000 € je Kilogramm von dem Mitangeklagten B.      . Am verhandelte der Angeklagte mit dem VE erneut über den Kaufpreis für die 20 Kilogramm. Sie einigten sich auf 5.500 € je Kilogramm zuzüglich 1.000 € „Vermittlungsgebühr“. Bei der Übergabe wurde der Angeklagte festgenommen (Fall II. 12.).

72. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung des rechtsfehlerfrei festgestellten Geschehens als fünf tatmehrheitlich begangene Fälle (§ 53 Abs. 1 StGB) des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Schuldspruch ist auf eine Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge umzustellen.

8a) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (BGH, Beschlüsse vom - GSSt 4/17 BGHSt 63, 1 Rn. 19 f. mwN und vom - 3 StR 340/14 Rn. 5 mwN; vgl. zur normativ bestimmten tatbestandlichen Handlungs- bzw. Bewertungseinheit Rn. 37, 53; Beschlüsse vom - GSSt 4/17 Rn. 17 f.; vom - GSSt 2 und 3/93 Rn. 62 und vom - 2 StR 618/80 Rn. 9).

9Dem Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Überlassung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen, sondern auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz vorangehende (ernsthafte) Verkaufsverhandlungen. Vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegt damit bereits vor, wenn der Verkäufer dem Kaufinteressenten ein verbindliches und ernsthaftes Verkaufsangebot unterbreitet (st. Rspr.; vgl. etwa Rn. 6 mwN). Auch Anbau zum Zweck der gewinnbringenden Veräußerung ist Handeltreiben, wobei gesonderte Anbauvorgänge, die auf die gewinnbringende Veräußerung der dadurch erzeugten Betäubungsmittel abzielen, grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten sind. Anderes gilt indes, soweit der Täter mehrere der durch die einzelnen Anbauvorgänge erzielten Erträge in einem einheitlichen Umsatzgeschäft veräußert. Dies führt zu einer Teilidentität der jeweiligen tatbestandlichen Ausführungshandlungen und verknüpft so die einzelnen Fälle des Handeltreibens zur Tateinheit nach § 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB. Bei Ansammlung der Ernten zu einem Gesamtvorrat vor Abverkauf ist eine Bewertungseinheit anzunehmen (vgl. etwa Rn. 5 mwN).

10b) Gemessen an diesem Maßstab ist für die Fälle II. 8. bis 11. von einer Tat auszugehen.

11c) Auf der Grundlage der Feststellungen erweisen sich jedoch auch die dem Fall II. 12. zugrundeliegenden Handlungen des Angeklagten nicht als zu den „Fällen II. 8. bis 11.“ im Verhältnis der Tatmehrheit stehendes Delikt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; denn nach dem o.g. Maßstab trafen die auf den Verkauf der zwei Kilogramm Marihuana ausgerichteten Aktivitäten des Angeklagten mit den Verhandlungen über den Verkauf der 20 Kilogramm Marihuana (Fall II. 12.) am zeitlich und räumlich zusammen; die Fälle II. 12. und II. 8. bis 11. stehen damit zueinander in natürlicher Handlungseinheit.

123. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

13Die Schuldspruchänderung bedingt die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs; denn der Senat kann nicht ausschließen, dass die Kammer bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Beurteilung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

14Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler bei den Konkurrenzen nicht betroffen; sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Gleiches gilt für die Einziehungsentscheidung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB; BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 641/19 Rn. 18 und vom - 1 StR 570/19 Rn. 12).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:170620B1STR110.20.0

Fundstelle(n):
KAAAH-68495