Disziplinare Höchstmaßnahme für den Besitz von Kinderpornografie bei einem Lehrer
Gesetze: § 12 DiszG BE, § 13 DiszG BE, § 132 Abs 2 Nr 1 VwGO
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 80 D 4.19 Urteilvorgehend Az: 80 K 9.17 OL Urteil
Gründe
11. Der 1949 geborene Beklagte stand seit 1982 als Lehrer - zuletzt als Studienrat - im Dienst des klagenden Landes. Seit August 2015 ist er nach Erreichen der Altersgrenze im Ruhestand.
2Durch amtsgerichtliches Urteil vom wurde der Beklagte wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen verurteilt. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte der Kläger an mehreren Tagen in den Jahren 2008 und 2009 verschiedene Bilddateien und eine Videodatei gespeichert. Diese zeigten u.a. den Analverkehr eines erwachsenen Mannes mit einem etwa vierjährigen Jungen sowie den vaginalen und oralen Geschlechtsverkehr von Erwachsenen mit Kindern und das Einführen von Gegenständen in die kindliche Scheide. Auf die Berufung des Beklagten wurde die Gesamtgeldstrafe auf 110 Tagessätze herabgesetzt.
3Auf die im Mai 2017 erhobene Disziplinarklage wurde dem Beklagten mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom das Ruhegehalt aberkannt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten mit Urteil vom zurückgewiesen. Mit dem außerdienstlichen Vergehen des Besitzes kinderpornografischen Schriften habe der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig zerstört. Nach dem 2 C 3.18 - (BVerwGE 166, 389) sei angesichts des engen Bezugs der im Besitz kinderpornografischer Schriften liegenden Pflichtverletzung eines Lehrers zu dessen Statusamt der bis zur Höchstmaßnahme reichende Orientierungsrahmen voll auszuschöpfen, ohne dass es auf die konkreten Tatumstände des strafbaren Verhaltens ankomme.
42. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 3 DiszG BE i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
5Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Ein Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom - 2 B 11.19 - juris Rn. 5).
6Die von der Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, nach welchen Kriterien das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände des Einzelfalles" zu beurteilen sei, die nach dem 2 C 3.18 - (BVerwGE 166, 389) ausnahmsweise ein Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme beim strafbaren Besitz kinderpornografischer Schriften von Lehrern rechtfertigen könnten, führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie entzieht sich einer Beantwortung in verallgemeinerungsfähiger Form und damit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.
7Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem von der Beschwerde angeführten Urteil ausgesprochen, dass bei einem beamteten Lehrer der außerdienstliche Besitz kinderpornografischer Schriften - auch bei geringer Anzahl oder niederschwelligem Inhalt - aufgrund des damit verbundenen Vertrauensverlusts beim Dienstherrn und der Allgemeinheit in aller Regel zur disziplinaren Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt ( 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 31 und Leitsatz 1). Das gelte - im Hinblick auf das Schuldprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - nur dann nicht, wenn außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls die Annahme des vollständigen Vertrauensverlusts in die Person des Beamten ausnahmsweise widerlegten ( 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 31).
8Welche außergewöhnlichen Umstände in einem konkreten Fall ausnahmsweise die Annahme des vollständigen Vertrauensverlusts in die Person des betreffenden Beamten widerlegen können, kann nicht in verallgemeinerungsfähiger Form, sondern nur fallbezogen beantwortet werden. Insbesondere lassen sich keine Umstände benennen, die in allen Fällen so außergewöhnlich sind, dass sie stets die Annahme des vollständigen Vertrauensverlusts in die Person des betreffenden Beamten widerlegen könnten.
93. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 DiszG BE, § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtskosten aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 41 DiszG BE und § 78 Satz 1 BDG i.V.m. der Anlage zu § 78 BDG).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:161120B2B67.20.0
Fundstelle(n):
VAAAH-66867