NWB Nr. 46 vom Seite 3369

Lohnversteuerung der virtuellen Weihnachtsfeier?

Dr. Lukas Hilbert | Diplom-Kaufmann, Bonn | Herausgeber des Steuer- Stichwort-Kommentars Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer | www.lhilbert.de

Corona-Pandemie wirft ungeahnte Fragen auf

Es ist wahrlich keine gänzlich neue Erscheinung, dass die Digitalisierung unser aller Leben immer stärker durchdringt. Gleichwohl dürften noch vor Jahresfrist wohl die Allerwenigsten auch nur einen Gedanken an Online-Weihnachtsfeiern oder virtuelle Adventsfeste im Betrieb gehabt haben. Partys vor Ort in geschlossenen Räumen sind jedoch in Zeiten hoher Corona-Fallzahlen fraglos alles andere als angebracht. Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebote, Hygienevorgaben sowie Aspekte des Gesundheits- und Infektionsschutzes werden sie vielfach gar rechtlich und praktisch unmöglich machen. Und selbst wenn nicht, bliebe vielerorts zumindest ein flaues Gefühl. Spätestens mit Herannahen der Adventszeit führt dies oft zur Frage: Gar nichts machen oder doch wenigstens etwas anbieten? Gerade nach den enormen Belastungen des Jahres 2020 möchte man den Mitarbeitern vielleicht auch auf dem Wege eines „Abschlussevents“ wichtige Signale der Wertschätzung senden. Obwohl ungewohnt und sicher kein vergleichbarer Ersatz für „klassische Weihnachtsfeiern“, gibt es immerhin einige Möglichkeiten zu Gemeinschaftserlebnissen via Internet.

Lohnsteuerlich relevant? Für den reinen „Video-Call“ ist dies klar zu verneinen, fehlt es doch an irgendwie gearteten Zuwendungen. Solche können aber schnell ins Spiel kommen, wenn ein aufwendigeres Format gewählt wird. Für einen extern moderierten Online-Koch- oder Showabend, eine Verkostung bzw. gemeinsame Probe, einen virtuellen Festsaal oder einen „Escape-Room“ und andere Spiele-Angebote im Netz sind Gebühren zu entrichten. Mehr noch fällt der Zuwendungscharakter ins Auge, wenn für die Online-Feier vorab „Care-Pakete“ oder „Dinner-Boxen“ mit passenden Zutaten, Weinen, Ausstattung bzw. sonstigen kleinen Präsenten und Beigaben verschickt werden. Spätestens, wenn die 44 €-Freigrenze für Sachbezüge anderweitig verbraucht ist, stellt sich die Frage, ob die Anwendung des 110 €-Freibetrags für Betriebsveranstaltungen in Betracht kommt? Sofern die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG erfüllt werden – wichtig vor allem das „Offenstehen“ für alle Betriebs- oder Abteilungsangehörigen – sollte dies m. E. so gehandhabt und von der Finanzverwaltung unbürokratisch mitgetragen werden. Trotz (zwangsläufig) räumlicher Trennung ist das digitale Beisammensein gleichwohl eine Veranstaltung „auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter“ (vgl. ähnlich Rz. 5 in der Neukommentierung der Betriebsveranstaltungen im Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer).

Außergewöhnliche Zeiten erfordern schlicht neue und bisweilen ungewohnte Konzepte. Der gegebene Rechtsrahmen steht hier m. E. nicht im Wege. Und falls noch nicht vorhanden, können Arbeitgeber zur Teilnahme an der Feier sowie generell zudem ein neues betriebliches Tablet oder Smartphone gestellen (steuerfrei nach § 3 Nr. 45 EStG). Bleibt denn der Spaß am diesjährigen Alternativprogramm tatsächlich steuerlich ungetrübt, kann die Vorfreude auf eine hoffentlich in 2021 wieder möglichst unbefangene Feier „im echten Leben“ mit Glühwein und Cocktails in geselliger Runde vielleicht umso größer werden. Hoffen wir es. Bitte bleiben Sie alle gesund.

Lukas Hilbert

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 3369
EAAAH-63348