Vertretung durch den Arbeitgeberverband - Erstattungsfähigkeit der Kosten
Gesetze: § 91 Abs 1 S 1 ZPO, § 12 ArbGG
Instanzenzug: Az: 6 Ca 4912/15 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 13 Ta 457/18 Beschluss
Gründe
1I. Die Beklagte verlangt von dem Kläger die Erstattung von Kosten, die ihr durch die Beauftragung eines Arbeitgeberverbands als Prozessbevollmächtigten entstanden sind.
2Die Beklagte ist Mitglied des agv e.V. (im Folgenden Arbeitgeberverband), zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben ua. die Vertretung seiner Mitglieder in arbeits- und beamtenrechtlichen Angelegenheiten gehört. In der Satzung des Arbeitgeberverbands (im Folgenden Satzung) ist ua. Folgendes geregelt:
3Die in § 8 Nr. 3 der Satzung in Bezug genommene Beitragsordnung sieht ua. folgende Regelungen vor:
4Der Arbeitgeberverband hat die Beklagte ua. im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht vertreten, in dem der Kläger erfolglos die nachträgliche Zulassung der Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts begehrt hat.
5Mit Beschluss vom hat das Arbeitsgericht die vom Kläger „nach dem … der Beklagten zu erstattenden … Kosten“ auf 990,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem festgesetzt. Gegen die Festsetzung hat der Kläger mit Schriftsatz vom sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen. Mit Beschluss vom hat das Landesarbeitsgericht die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, mittels deren er geltend macht, das Kostenfestsetzungsverfahren erlaube außerhalb der Kostentatbestände des RVG keine typisierende Betrachtungsweise. Die Beklagte habe die Aufwendungen ihres Vertreters, deren Erstattung sie verlange, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die diesbezügliche Versicherung an Eides statt sei unbehelflich. Es sei nicht nachvollziehbar, wie sich ein Stundensatz iHv. 180,00 Euro netto errechne und für welche Tätigkeiten dieser Satz maßgebend sei. Der nach § 3 Nr. 4 der Satzung seitens des Arbeitgeberverbands zu gewährende Rechtsschutz sei durch die Mitgliedsbeiträge abgedeckt, ohne dass die Satzung eine gesonderte Vergütung für die Tätigkeit in gerichtlichen Angelegenheiten vorsehe.
6II. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die durch den Beschluss vom erfolgte Festsetzung der zu erstattenden Kosten auf 990,00 Euro nebst Zinsen ist nicht zu beanstanden. Insbesondere kann die Beklagte vom Kläger Erstattung der Kosten verlangen, die ihr durch die Beauftragung des Arbeitgeberverbands für das Beschwerdeverfahren entstanden sind. Es handelt sich um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung iSv. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
71. Der Umfang der Kosten, die die in einem Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen unterliegende Partei zu erstatten hat, ergibt sich grundsätzlich aus den Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO. Die in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG normierte Ausnahme, der zufolge im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten besteht, gilt weder in den Rechtsmittelinstanzen (vgl. - Rn. 7) noch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht nach § 72a ArbGG.
82. Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Sie hat danach die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich sind. Unterliegt ein Beschwerdeführer im Verfahren über die nachträgliche Zulassung der Revision, erstreckt sich die Erstattungspflicht unter den in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Voraussetzungen auf die Kosten, die dem Gegner infolge der Beauftragung eines Arbeitgeberverbands entstehen.
9a) In dem Verfahren über die nachträgliche Zulassung der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht müssen sich die Parteien vertreten lassen (§ 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG). Da das Gesetz die Vertretung durch eine Vereinigung von Arbeitgebern zulässt (§ 11 Abs. 4 Satz 2 iVm. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ArbGG) und die Bestimmungen in § 64 Abs. 6, § 72 Abs. 5 ArbGG uneingeschränkt auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung verweisen, kann eine Partei, zu deren Gunsten eine Kostenentscheidung ergangen ist, im Regelfall die Aufwendungen, die ihr durch die Beauftragung eines Arbeitgeberverbands entstanden sind, im Wege der Erstattung geltend machen (vgl. GK-ArbGG/Schleusener § 12a Rn. 85; GMP/Germelmann/Künzl ArbGG 9. Aufl. § 12a Rn. 40; Hauck/Helml/Biebl/Helml ArbGG 4. Aufl. § 12a Rn. 18; Schwab/Weth/Vollstädt ArbGG 5. Aufl. § 12a Rn. 55; ebenso - unter 3 b der Gründe). Die Möglichkeit einer Kostenerstattung in diesem Fall wird im Übrigen von der Vorschrift des § 12a Abs. 2 Satz 2 ArbGG vorausgesetzt, die infolge des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom (BGBl. 2013 I S. 2586) auch die Vertretung durch einen Verbandsvertreter in Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht erfasst.
10b) Die Entscheidung des - 10 AZB 43/15 - Rn. 25, BAGE 153, 261) steht dem nicht entgegen. Im damaligen Fall verlangte eine Partei die Erstattung von Kosten, die ihr durch die Inanspruchnahme eines Prozessvertreters entstanden waren, der in dem Streitverfahren - anders als im vorliegenden Fall - als Rechtsanwalt aufgetreten war. Soweit das Bundesarbeitsgericht nicht tragend angenommen hat, ein Rechtsanwalt, der nicht in dieser Funktion, sondern als Verbandsvertreter vor Gericht auftrete, könne „keine Gebühren liquidieren“, bezieht sich dies - wie aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidung ersichtlich wird - auf die Abrechnung der Tätigkeit nach den Vorschriften des RVG, nicht aber auf die Erstattungsfähigkeit von Kosten aufgrund anderer Rechtsgrundlagen.
113. Eine Erstattung kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Partei die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachten Kosten tatsächlich erwachsen (vgl. - Rn. 30, BAGE 153, 261). Dies setzt voraus, dass die Partei, die sich durch einen Verband vertreten lässt, dem Verband nach dessen Satzung die Erstattung von Aufwendungen schuldet (vgl. GK-ArbGG/Schleusener § 12a Rn. 85). Nicht zu den Vertretungskosten zählt der Beitrag, den das Mitglied eines Verbands nach der Verbandssatzung allein aufgrund seiner Mitgliedschaft zu entrichten hat (vgl. Brill DB 1966, 1354, 1355). Denn der Mitgliedsbeitrag stellt kein Entgelt für die konkrete Tätigkeit des Verbandsvertreters in dem gerichtlichen Verfahren dar (vgl. Tschischgale/Satzky Das Kostenrecht in Arbeitssachen 3. Aufl. S. 174).
124. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht die seitens der Beklagten geltend gemachten Kosten zu Recht gegen den Kläger festgesetzt.
13a) Die Beklagte schuldet dem Arbeitgeberverband die in Rede stehenden Kosten gemäß § 8 Nr. 3 der Satzung iVm. § 4 der Beitragsordnung.
14aa) Der Arbeitgeberverband, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Gewährung von Rechtsschutz vor den Arbeitsgerichten gehört (§ 3 Nr. 4 Buchst. a der Satzung), bringt seine Mittel ua. durch „Einzelverrechnung“ von festgelegten Leistungen gegenüber seinen Mitgliedsunternehmen auf (§ 8 Nr. 1 der Satzung). Die Einzelheiten der Leistungen und deren Abrechnung sind in der Beitragsordnung geregelt. Diese sieht in ihrem § 2 neben einem pauschalen Grundbeitrag die „Verrechnung“ der gegenüber einem Mitgliedsunternehmen erbrachten Leistungen des Rechtsservices vor. Während der Grundbeitrag der Deckung der Kosten dient, die nicht aus Leistungen resultieren, die nach Kosten- bzw. Stundensätzen abrechenbar sind (§ 3 Abs. 4 der Beitragsordnung), erfolgt die Abrechnung von Leistungen des Rechtsservices nach Maßgabe eines Verrechnungssatzes (§ 4 Abs. 1 der Beitragsordnung), der sich auf einen Nettobetrag in Höhe von 180,00 Euro (§ 4 Abs. 3 der Beitragsordnung) zuzüglich Umsatzsteuer (§ 5 der Beitragsordnung) belief.
15bb) Die Vertretung der Beklagten in dem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht stellte eine abrechnungsfähige Leistung des Rechtsservices dar. Soweit der Kläger meint, diese Tätigkeit des Arbeitgeberverbands sei durch die Mitgliedsbeiträge nach § 8 Nr. 1 der Satzung bzw. den Grundbeitrag nach § 3 der Beitragsordnung abgedeckt, verkennt er, dass das Mitgliedsunternehmen die Leistungen des Rechtsservices nach § 8 Nr. 3 der Satzung iVm. § 4 der Beitragsordnung neben den genannten Beiträgen gesondert zu vergüten haben.
16b) Dass der Arbeitgeberverband seinen Mitgliedsunternehmen die Leistungen des Rechtsservices auf der Grundlage eines Stundensatzes in Rechnung stellt, ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur rechtlich unbedenklich, sondern entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Kostenfestsetzung. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist auf eine rasche, vereinfachte gebührenrechtliche Überprüfung zugeschnitten (vgl. - unter II 2 b der Gründe).
17c) In rechtlicher Hinsicht nicht von Belang ist, ob die Beklagte dem Arbeitgeberverband die geltend gemachten Kosten tatsächlich bereits erstattet hat. Es genügt, dass der Kostengläubiger für die Kosten haftet und eine Rechtspflicht zur Zahlung besteht (vgl. - Rn. 30, BAGE 153, 261; missverständlich insoweit GMP/Germelmann/Künzl ArbGG 9. Aufl. § 12a Rn. 41).
18d) Die Höhe der von dem Arbeitsgericht festgesetzten Kosten begegnet keinen Bedenken.
19aa) Die Rechtsausübung im Zivilverfahren und damit auch die Durchsetzung des Anspruchs aus § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO unterliegt dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot. Nach diesem Grundsatz trifft jede Prozesspartei die Verpflichtung, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (vgl. - Rn. 13). Die Kosten, die eine Partei für die Beauftragung eines Verbandsvertreters erstattet verlangt, dürfen deshalb nicht höher sein als diejenigen Kosten, die aufgrund der Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden wären (vgl. Hauck/Helml/Biebl/Helml ArbGG 4. Aufl. § 12a Rn. 18), da sie andernfalls regelmäßig nicht als „notwendig“ iSd. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen sind. Zur Gebührenerhebung nach dem RVG ist der Verbandsvertreter - sofern er nicht im Verfahren als Rechtsanwalt auftritt (siehe hierzu - Rn. 25, BAGE 153, 261) - nicht befugt (vgl. Schwab/Weth/Vollstädt ArbGG 5. Aufl. § 12a Rn. 55).
20bb) Die von der Beklagten geltend gemachten Kosten liegen nicht höher als die Kosten, die entstanden wären, wenn die Beklagte sich im damaligen Beschwerdeverfahren von einem Rechtsanwalt hätte vertreten lassen. Nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts umfasst die Kostenerstattung nur etwa die Hälfte des Betrags, der bei einer Berechnung nach dem RVG entstanden wäre. Deshalb ist der Einwand des Klägers, der mit der Prozessvertretung beauftragte Mitarbeiter des Arbeitgeberverbands, Herr R, sei nicht Volljurist, unerheblich.
21cc) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist (§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Gemäß § 294 Abs. 1 ZPO kann der, der eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, ua. zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden (vgl. hierzu auch - Rn. 40). Der mit der Vertretung der Beklagten betraute Mitarbeiter des Arbeitgeberverbands, Herr R, hat die Umstände, aus denen die von ihm geltend gemachten Kosten resultieren, an Eides statt versichert. Der Einwand des Klägers, diese Versicherung sei unbehelflich, ist nicht geeignet, den angefochtenen Beschluss in Frage zu stellen. Das Bundesarbeitsgericht als Revisionsgericht kann die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung nur daraufhin überprüfen, ob diese in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist, ob sie rechtlich möglich ist und ob das Berufungsgericht alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (vgl. - Rn. 25). Diesbezügliche Fehler zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.
22III. Der Kläger hat die Kosten der Beschwerde zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:020920.B.9AZB41.20.0
Fundstelle(n):
BB 2020 S. 2547 Nr. 45
NJW 2020 S. 3612 Nr. 49
NJW 2020 S. 9 Nr. 47
UAAAH-62631