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Die Schuldenkonsolidierung nach § 303 HGB und die damit verbundene Abgrenzung latenter Steuern
Eine vielschichtige Herausforderung für Bilanztheorie und -praxis
Das Schrifttum hat sich seit der Reform der §§ 274, 306 HGB im Zuge des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) ausgiebig mit den Einzelfragen der Abgrenzung latenter Steuern befasst. Die Abbildung von Steuerlatenzen infolge der Durchführung der konzernbilanziellen Schuldenkonsolidierung nach § 303 HGB wurde freilich etwas stiefmütterlich behandelt und nur vereinzelt knapp gewürdigt. Der vorliegende Beitrag soll diesen Rückstand aufarbeiten. Die herrschende, langjährig verfestigte Lehre der Bilanzierung latenter Steuern aus der Schuldenkonsolidierung wird im Verlauf der nachfolgenden Abhandlung wiedergegeben, zugleich jedoch kritisch hinterfragt.
Theile, Schuldenkonsolidierung (HGB, IFRS), infoCenter NWB AAAAE-65846
Welchen Grundsätzen folgt die Schuldenkonsolidierung nach § 303 HGB sowie die Steuerabgrenzung nach §§ 274, 306 HGB?
Welche Konsequenzen hat die Schuldenkonsolidierung für die Bilanzierung latenter Steuern?
In welchen konkreten Fällen wird durch die Schuldenkonsolidierung eine Abgrenzung latenter Steuern erforderlich?
I. Einleitung
[i]Hoffmann/Lüdenbach, NWB
Kommentar Bilanzierung, 11. Aufl. 2020, § 303
NWB FAAAH-36447
Hoffmann/Lüdenbach,
NWB Kommentar Bilanzierung, 11. Aufl. 2020, § 306
NWB WAAAH-36450 Zusätzlich zu den sog.
klassischen Bilanztheorien, die bereits für den Einzelabschluss einschlägig
sind, ist für den Konzernabschluss ein praktisch zeitloser
Widerstreit unterschiedlicher
Konzernbilanztheorien festzustellen.
Insbesondere die
Einheitstheorie hat sich hinsichtlich des
handelsrechtlichen Konzernabschlusses als einflussreich erwiesen. In § 297
Abs. 3 Satz 1 HGB hat der handelsrechtliche Gesetzgeber den sog.
Einheitsgrundsatz normiert, der besagt: „Im Konzernabschluss ist die
Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der einbezogenen Unternehmen so
darzustellen, als ob diese Unternehmen insgesamt ein einziges Unternehmen
wären.“ Um einen Unternehmensverbund bestmöglich als (fiktive)
wirtschaftliche Einheit darzustellen, bedarf es zum einen einer
Vereinheitlichung der in den Konzernabschluss einbezogenen Einzelabschlüsse,
zum anderen gilt es, Effekte aus existierenden konzerninternen Verflechtungen
– u. a. in Form von Beteiligungsverhältnissen, schuldrechtlichen
Beziehungen sowie Lieferungen und Leistungen – aus dem Summenabschluss zu
eliminieren. Dem Erfordernis der Eliminierung konzerninterner
Verflechtungen tragen die vier gängigen
Konsolidierungsmaßnahmen
(Kapitalkonsolidierung, Schuldenkonsolidierung, Zwischenergebniseliminierung
sowie Aufwands- und Ertragskonsolidierung) Rechnung.
Die nachfolgende Abhandlung fokussiert die Schuldenkonsolidierung (§ 303 HGB), der es im Grundsatz um die Bereinigung des Summenabschlusses um konzerninterne Schuldbeziehungen sowie jeglicher bilanzieller Konsequenzen dieser Schuldbeziehungen geht. Intention des Beitrags ist es, die Konsequenzen aufzuzeigen, die infolge der konzernbilanziellen Schuldenkonsolidierung hinsichtlich der Abgrenzung latenter Steuern nach § 306 HGB erwachsen. Das Problemfeld der Steuerabgrenzung im Zusammenhang mit der Schuldenkonsolidierung wurde in der Literatur bislang (bis auf Ausnahmen) eher oberflächlich behandelt. Diesen Rückstand aufzuarbeiten ist Ziel des vorliegenden Beitrags. S. 795
Einleitend werden zunächst jeweils die Grundzüge der Schuldenkonsolidierung (Kap. II) sowie der Bilanzierung latenter Steuern im Konzernabschluss (Kap. III) in gebotener Kürze nachgezeichnet. Im Anschluss werden die beiden Themengebiete zusammengeführt, indem die herrschende Lehre der Bilanzierung latenter Steuern im Zusammenhang mit der Schuldenkonsolidierung wiedergegeben wird. Des Weiteren soll diese herrschende Lehre kritisch hinterfragt werden. Im Schrifttum regt sich zunehmend Kritik an der herrschenden Auffassung, die lediglich eine Bilanzierung latenter Steuern „auf Aufrechnungsdifferenzen“ vorsieht (Kap. V).
Die Ausführungen des vorliegenden Beitrags sind – dies wurde bereits deutlich – in einen handelsrechtlichen Kontext eingebettet. Die nach HGB und IFRS zu praktizierenden Vorgehensweisen der Schuldenkonsolidierung sowie der damit verbundenen Steuerabgrenzung stimmen allerdings in wesentlichen Punkten überein, so dass es der Leserin/dem Leser weitgehend unbenommen bleibt, das Gesagte mutatis mutandis auf die internationale Rechnungslegung zu übertragen.
II. Grundlagen der Schuldenkonsolidierung
1. Vorbemerkungen
Wie einleitend bereits betont, ergibt sich die Notwendigkeit der Durchführung einer konzernbilanziellen Schuldenkonsolidierung unmittelbar aus dem Einheitsgrundsatz des § 297 Abs. 3 Satz 1 HGB. Ausgangsidee der Schuldenkonsolidierung (§ 303 HGB) ist, dass der Konzernabschluss von konzerninternen Schuldbeziehungen sowie jeglichen bilanziellen Konsequenzen dieser Schuldbeziehungen bereinigt werden muss. Plastisch ausgedrückt, trägt die Schuldenkonsolidierung dem Umstand Rechnung, dass der Konzern als wirtschaftliche Einheit keine Schulden oder Forderungen „gegenüber sich selbst“ haben kann. Eine Schuldenkonsolidierung ist verpflichtend für alle Mutter-Tochter-Verhältnisse im engeren Sinne, sprich im Fall der Vollkonsolidierung, vorzunehmen. Auch wenn Gemeinschaftsunternehmen mittels Quotenkonsolidierung in den Konzernabschluss aufgenommen werden, ist eine (quotale) Schuldenkonsolidierung obligatorisch (§ 310 Abs. 2 HGB). Bei Anwendung der equity-Methode ist eine Beachtung des § 303 HGB nicht erforderlich. Gleichwohl darf eine Konsolidierung der Schuldverhältnisse auf freiwilliger Basis erfolgen.
Eine ansonsten gebotene Schuldenkonsolidierung darf gem. § 303 Abs. 2 HGB grds. lediglich dann unterbleiben, wenn die Gesamtheit der zu eliminierenden Beträge unwesentlich ist.