BGH Beschluss v. - 5 StR 595/19

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt: Überwachungspflichten des formellen Strohmann-Geschäftsführers hinsichtlich der Tätigkeiten des faktischen GmbH-Geschäftsführers

Gesetze: § 14 Abs 1 Nr 1 StGB, § 266a StGB

Instanzenzug: Az: 536 KLs 1/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten K.    wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und von der ein Monat wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt; daneben hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 8.500 Euro angeordnet. Den Angeklagten S.       hat es wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt; daneben hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.000 Euro angeordnet. Den Angeklagten P.    hat es wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 34 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und davon einen Monat wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt; daneben hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.446.026,40 Euro angeordnet. Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren auf Rügen der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten S.     hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind seine Revision und die Rechtsmittel der Angeklagten P.    und K.      im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

21. Der Senat stellt das Verfahren, soweit es sich gegen den Angeklagten S.       richtet, auf Antrag des Generalbundesanwalts in den Fällen 1 bis 8 sowie 15 der Urteilsgründe zu V.3. gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen ein.

3Dieser Angeklagte war nach den Feststellungen vom bis zum als Strohmanngeschäftsführer eingesetzt. Eine verjährungsunterbrechende Maßnahme lag bei ihm erst am mit dem Erlass eines Haftbefehls vor. Ginge man von der vom Senat geteilten (vgl. Beschluss vom - 5 ARs 1/20) Rechtsauffassung aus, die dem Anfragebeschluss des 1. Strafsenats vom zum Verjährungsbeginn bei § 266a Abs. 1 StGB zugrunde liegt (1 StR 58/19), begänne die Verjährung jeder Tat mit dem Verstreichen des Fälligkeitszeitpunktes für jeden Beitragsmonat (§ 23 Abs. 1 SGB IV). Nach dieser Ansicht wären die Taten in den Fällen 1 bis 8 verjährt. Hinsichtlich der Beiträge zur Berufsgenossenschaft (Tat 15) käme als Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Verjährungsfrage gemäß § 23 Abs. 3 SGB IV der Erlass eines Beitragsbescheides in Betracht, soweit der       tatsächlich Arbeitsentgelte gemeldet wurden (UA S. 45); diesbezüglich lassen die Feststellungen eine eindeutige Klärung nicht zu.

42. Die Teileinstellung des Verfahrens hat in Bezug auf den Angeklagten S.      die Änderung des Schuldspruchs, den Wegfall der verhängten Einzelfreiheitsstrafen sowie die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge. Insoweit weist der Senat entsprechend § 354 Abs. 1b StPO die Entscheidung über den Gesamtstrafenausspruch dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zu.

53. Betreffend den Angeklagten S.      hat der Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz keinen Bestand. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, erhielt dieser Angeklagte sein einmaliges „Pauschalhonorar“ in Höhe von 2.000 Euro nicht dafür, dass er nach seiner Bestellung zum (Strohmann-)Geschäftsführer seinen gesetzlichen Pflichten nicht nachkam und Sozialversicherungsbeiträge vorenthielt, sondern für sein Auftreten unter falschem Namen anlässlich eines Notarbesuchs und damit für eine den verfahrensgegenständlichen Taten vorausgegangene Urkundenfälschung. Für eine demnach allenfalls in Betracht kommende selbständige Einziehung nach § 76a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Alt. 2, § 73c Satz 1 StGB ist der nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderliche gesonderte Antrag nicht gestellt worden, so dass es insoweit an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (vgl. ).

64. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

7Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

8Die Feststellungen des Landgerichts tragen auch eine vorsätzliche Verletzung der Abführungspflicht durch die Angeklagten K.    und S.     . Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagten zu den jeweiligen Zeiträumen der Beitragsvorenthaltungen „ihre Pflicht als Arbeitgeber zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit“ kannten. Damit kommt auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechungsänderung zum Bezugspunkt des Vorsatzes bei § 266a StGB (, NJW 2019, 3532, 3533; Urteil vom - 5 StR 122/19) ein Tatbestandsirrtum dieser Angeklagten nicht in Betracht.

9Überdies gehen die hierauf abzielenden Revisionsangriffe der Angeklagten K.     und S.        schon im Ausgangspunkt fehl. Denn die Entscheidung des 1. Strafsenats (, aaO) bezog sich auf einen Einzelunternehmer (differenzierend daher auch ). Der formelle Geschäftsführer, der einen faktischen neben sich gewähren lässt, ist nach der Rechtsprechung aber wie ein Delegierender zu behandeln (, BGHSt 47, 318, 325). Hinsichtlich des die operativen Unternehmensaufgaben wahrnehmenden faktischen Geschäftsführers treffen ihn infolgedessen Überwachungspflichten, die er insbesondere dann verletzt, wenn er Anhaltspunkte für dessen Fehlverhalten hatte und nichts unternimmt, wobei sich diese Verdachtsmomente nicht unmittelbar auf die Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten zu beziehen brauchen. Dies begründet seinen Vorsatz (; Beschluss vom - 5 StR 16/02, aaO).

10Auch insoweit tragen die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch. Denn es hat unter anderem festgestellt, dass der Angeklagte K.   wusste, nur als Strohmann zu fungieren und er es für sehr wahrscheinlich hielt, dass der Angeklagte P.    über die K.      B.  GmbH in erheblichem Umfang Arbeitnehmer „schwarz“ beschäftigte, wobei er dies billigte und als formeller Geschäftsführer keinerlei Kontrolle ausübte. Hinsichtlich des Angeklagten S.      hat es unter anderem festgestellt, dass er seinen Pflichten als Geschäftsführer nicht nachkommen wollte und gleichsam damit rechnete, dass mit seiner Bestellung als formeller Geschäftsführer, zumal unter Verwendung einer Aliaspersonalie, die K.    B.  GmbH in der Folge keine Sozialversicherungsbeiträge abführen würde.

11Diese Feststellungen beruhen schließlich auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Insbesondere hat das Landgericht aus einer Reihe tragfähiger Indizien (u.a. Umstände der Zahlung der Geschäftsführergehälter, Firmierung der GmbH am Privatwohnsitz des Angeklagten K.   , Zeichnung der Blankobarschecks, Anwerbung als Firmenbestatter und Auftreten unter falschem Namen) auf das Bewusstsein der Angeklagten K.      und S.       hinsichtlich der für eine nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung des Angeklagten P.    sprechenden Umstände geschlossen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:030320B5STR595.19.0

Fundstelle(n):
PStR 2020 S. 197 Nr. 9
wistra 2020 S. 261 Nr. 6
QAAAH-49983