BGH Beschluss v. - II ZB 19/18

Zulässigkeit der Berufung: Beschwer bei der Kostentragungspflicht und Spielabsetzung eines Schiedsrichters

Gesetze: § 3 ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO

Instanzenzug: LG Duisburg Az: 7 S 54/18vorgehend AG Duisburg Az: 49 C 2811/17nachgehend Az: 2 BvR 847/19 Nichtannahmebeschluss

Gründe

I.

1Der Kläger war Schiedsrichter im Spielbetrieb des Beklagten, eines eingetragenen Vereins. Mit E-Mail vom zog ein Vizepräsident der Beklagten den Kläger wegen fehlender Kader-Kleidung bis zum Besitznachweis der korrekten Hemden von allen Spielen ab. Wegen einer Beschwerde der Vereine B.     und M.            kündigte der Vizepräsident weiter an, den Kläger bis zur endgültigen Klärung bei allen Spielen dieser Vereine nicht mehr einzusetzen.

2Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung beim Rechtsausschuss des Beklagten ein. Im laufenden Verfahren wurde die angegriffene Entscheidung insoweit aufgehoben, als der Kläger wegen fehlender Kader-Kleidung bis auf weiteres von allen Spielen abgesetzt worden ist. Mit Entscheidung vom stellte der Rechtsausschuss des Beklagten fest, dass der Antrag des Klägers in der Hauptsache teilweise erledigt ist, wies seine weitergehende Berufung zurück und erlegte dem Kläger die Verfahrenskosten in Höhe von 104 € auf.

3Der Kläger hat sich vor dem Amtsgericht gegen die Entscheidung des Rechtsausschusses gewandt und, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, die Feststellung der Nichtigkeit der Entscheidung sowie Zahlung von 104 € begehrt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf bis 2.000 € festgesetzt. Die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht wegen Nichterreichens der Berufungssumme als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

4Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Klägers (§ 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 3 ZPO) ist nicht zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).

5Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft, aber unzulässig. Es fehlt an dem nach § 574 Abs. 2 ZPO erforderlichen Zulassungsgrund. Die Rechtsbeschwerde macht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) eine Verletzung der Verfahrensgrundrechte auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend. Solche Rechtsverletzungen liegen jedoch nicht vor.

61. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7Die in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bestimmte Berufungssumme von 600 € sei nicht erreicht. Die Beschwer aus der Abweisung einer Nichtigkeitsklage entspreche der Beschwer, die sich für die klagende Partei aus den ihr nachteiligen Entscheidungen des Vorprozesses ergebe. Die Entscheidung des Vizepräsidenten vom sei im laufenden Verfahren durch den Schiedsrichterwart teilweise aufgehoben worden, so dass insoweit abgesehen von den Kosten in Höhe von 104 € keine konkrete Beschwer ersichtlich sei. Die weitere Entscheidung lasse eine über 175 € hinausgehende Beschwer nicht erkennen. Dies sei der Betrag, den der Kläger selbst für die ihm entzogenen acht Spiele angesetzt habe. Eine höhere Beschwer des Klägers ergebe sich weder aus dem Umstand, dass er nach eigenen Angaben eine bekannte Person im Basketball sei, noch aus seiner Behauptung, er sei noch immer teilweise gesperrt, nämlich für Spiele, an denen bestimmte Teams beteiligt seien. Eine Sperre für Spiele von bestimmten Teams sei weder in diesem Zivilverfahren noch im Verfahren vor dem Rechtsausschuss des Beklagten gegenständlich gewesen. Auch eine über acht Spiele hinausgehende Sperre sei weder ausgesprochen noch vom Kläger zur Überprüfung gestellt worden. Ein Zulassungsgrund nach § 511 Abs. 4 ZPO sei nicht gegeben. Die Sache habe keine grundsätzliche Bedeutung.

82. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers rechtsfehlerfrei als unzulässig verworfen.

9Zutreffend hat das Berufungsgericht die mit der Berufung geltend gemachte Beschwer des Klägers mit 104 € und 175 €, mithin insgesamt 279 € bestimmt und insoweit die Grenzen des ihm nach § 3 ZPO eingeräumten tatrichterlichen Ermessens nicht überschritten.

10a) Soweit die Zulässigkeit einer Berufung vom Wert des Beschwerdegegenstands abhängt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und das Berufungsgericht diesen zulässigerweise nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) festgesetzt hat, beschränkt sich die Prüfungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts darauf, ob das Berufungsgericht von dem nach § 3 ZPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat; dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn das Gericht bei der Bewertung des Beschwerdegegenstandes maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) nicht festgestellt hat. Denn der Sinn des dem Berufungsgericht eingeräumten Ermessens würde verfehlt, wenn das Rechtsbeschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom Berufungsgericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Diese Beschränkung begrenzt zugleich die Möglichkeit des Rechtsbeschwerdegerichts, Tatsachen zu berücksichtigen, die erstmals im Verfahren der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden (, NJW 2011, 2974 Rn. 4 mwN).

11Für die Festsetzung der Beschwer ist das wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelklägers an dem Erfolg seines Rechtsmittels maßgebend. Dabei ist grundsätzlich auf den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung abzustellen. Der tatsächliche oder rechtliche Einfluss der Entscheidung auf andere Rechtsverhältnisse bleibt außer Betracht (, VersR 2007, 707 Rn. 11 mwN).

12b) Gemessen hieran ist die Bewertung der Beschwer durch das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerhaft. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht alle maßgeblichen Tatsachen verfahrensfehlerfrei berücksichtigt. Die Rechtsbeschwerde verkennt bereits im Ansatz, dass Gegenstand der Entscheidung des Berufungsgerichts allein die Entscheidung des Rechtsausschusses der Beklagten vom über die Entscheidung des Vizepräsidenten vom , soweit sie nicht durch den Schiedsrichterwart aufgehoben worden ist, und die dem Kläger durch die Teilaufhebung entstandenen Kosten sind.

13aa) Der Kläger wird durch die Erledigung der Entscheidung über den Abzug von Kader-Spielen im sportgerichtlichen Verfahren über die ihm dort auferlegten Kosten in Höhe von 104 € hinaus vermögensrechtlich nicht beschwert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zeitraum von drei Tagenzwischen der Entscheidung des Vizepräsidenten am und deren Erledigung am . Es ist vom Kläger weder vorgetragen noch im Übrigen ersichtlich, ob in diesem Zeitraum überhaupt ein Spiel stattgefunden hat, für das eine Ansetzung des Klägers als Schiedsrichter in Betracht gekommen wäre.

14bb) Eine 175 € übersteigende Beschwer ergibt sich auch nicht aus dem Einwand der Rechtsbeschwerde, wonach unberücksichtigt geblieben sei, dass der Kläger nicht nur in den angeführten acht Spielen der Vereine B.     und M.           nicht eingesetzt worden, sondern seine Tätigkeit bei dem Beklagten als Schiedsrichter bis zum heutigen Tage eingeschränkt sei.

15Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde handelt es sich bei der Entscheidung des Vizepräsidenten vom bereits nicht um eine Absetzung und Nichtberücksichtigung des Klägers im gesamten Bereich des Beklagten. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich, dass die Absetzung des Klägers von allen Spielen der beiden beschwerdeführenden Vereine nur bis zur endgültigen Klärung erfolge. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger nur für acht Spiele der Vereine B.     und M.            abgesetzt worden ist, ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Damit ist der Kläger keiner dauerhaften Einschränkung seiner Schiedsrichtertätigkeit beim Beklagten unterworfen worden. Gegenstand der Berufung des Klägers war auch nicht die Verpflichtung des Beklagten, ihn bei weiteren Spielen als Schiedsrichter einzusetzen. Dementsprechend hat das Berufungsgericht zutreffend festgestellt, dass sich das Rechtsschutzbegehren des Klägers insoweit auf den Entzug von acht Spielen und den dadurch eingetretenen, vom Kläger selbst für diese Spiele so bezifferten Vermögensschaden in Höhe von 175 € beschränkt.

16Es sind entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch keine Parallelen zur Wertbemessung bei einem Vereinsausschluss zu ziehen. Der Kläger ist weder aus einem Verein ausgeschlossen worden noch ist er nach den getroffenen Feststellungen dauerhaft für eine Schiedsrichtertätigkeit beim Beklagten gesperrt worden.

17cc) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, dass der Kläger eine bekannte Schiedsrichterpersönlichkeit und die ihn belastende Entscheidung im gesamten Bereich des Beklagten bekannt gegeben worden sei, so dass sämtliche Vereine, Teams und Spieler von dieser Absetzung Kenntnis erhalten hätten, könnte selbst die Berücksichtigung eines Affektionsinteresses des Klägers wegen der vorübergehenden Absetzung von nicht mehr als acht Spielen nicht zu einer Erhöhung der Beschwer über 300 € hinaus führen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:120319BIIZB19.18.0

Fundstelle(n):
ZAAAH-48904