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NWB-EV Nr. 5 vom Seite 146

Immobilienübertragung unter Nießbrauchvorbehalt bei bestehenden Verbindlichkeiten

Steuerliche Folgen und Bewertungsfragen

Benedikt Weber

Nach wie vor ist die Übertragung von Grundstücken unter Nießbrauchvorbehalt eine der wichtigsten und gängigsten Gestaltungsmodelle in der Nachfolgeberatung. Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung Verbindlichkeiten aus der Anschaffung des Grundstücks vorhanden sind. Im vorliegenden Beitrag werden die steuerlichen Folgen aus der Zurückbehaltung bzw. Übertragung einer Verbindlichkeit im Rahmen einer Grundstücksübertragung unter Vorbehaltsnießbrauch näher betrachtet. Dabei wird auch auf Bewertungsfragen eingegangen.

Kernaussagen
  • Der Verbleib von Verbindlichkeiten bei einer Grundstücksübertragung unter Vorbehalt des Nießbrauchs ist im Vorfeld der Übertragung zu klären.

  • Wird eine mit einer Grundstücksübertragung in Zusammenhang stehende Verbindlichkeit auf den Beschenkten übertragen, übernimmt der Schenker aber weiterhin (im Innenverhältnis) die Zins- und Tilgungslast, kann die Verbindlichkeit nicht bereicherungsmindernd berücksichtigt werden.

  • Vom Schenker übernommene Schuldzinsen können zu einer Verminderung der Nießbrauchlast und somit zu einer höheren Bereicherung beim Beschenkten führen.

  • Werden Verbindlichkeiten vom Schenker zurückbehalten, können sich steuerliche Nachteile bei Beendigung des Nießbrauchs ergeben.

I. Allgemeines und Einführung

Die zivilrechtlichen Grundlagen des Nießbrauchs an Grundstücken sind in den §§ 1030 bis 1067 BGB geregelt. Zwischen Grundstückseigentümer und Nießbraucher wird ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet, nach welchem der Nießbraucher berechtigt ist, sämtliche Nutzungen der Sache zu ziehen (Goetze, RNotz 2013 S. 147). Das vorbehaltene Nießbrauchrecht vermindert die für die Erbschaftsteuer maßgebende Bereicherung als Bemessungsgrundlage beim Beschenkten. Aus einkommensteuerlicher Sicht bewirkt der Nießbrauch, dass fortan dem Nießbraucher etwaige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem belasteten Grundstück zuzurechnen sind (siehe hierzu ausführlich BStBl 2013 I S. 1184).

Im Folgenden soll die Ausprägung des sogenannten Vorbehaltsnießbrauchs, bei dem sich der Schenker den Nießbrauch an einem Grundstück vorbehält, näher betrachtet werden. Zu den einzelnen Nießbrauchvarianten und deren steuerlichen Folgen siehe auch Demuth/Haag, .

Bestehen aus der Anschaffung für ein Grundstück Verbindlichkeiten, die ggf. über Grundpfandrechte besichert sind, sollte im Rahmen einer Grundstücksübertragung unter Nießbrauchvorbehalt, der Verbleib dieser Verbindlichkeiten im Vorfeld geklärt werden. Je nachdem, ob eine Übernahme oder Zurückbehaltung der Schuld gewünscht ist, ergeben sich unterschiedliche erbschaft- und einkommensteuerliche Auswirkungen. Auch hinsichtlich der Bewertung des Nießbrauchrechts können sich Unterschiede ergeben.

Die nachfolgenden Ausführungen sollen an folgendem Beispiel veranschaulicht werden:

Beispiel

Der Vater (V) möchte seiner Tochter (T) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück übertragen. Das Grundstück befindet sich bereits seit über zehn Jahren im Besitz des V. Auf dem Grundstück lasten noch Restschulden, die durch eine Grundschuld besichert sind. V möchte sich den lebenslangen Nießbrauch an dem Grundstück vorbehalten.

II. Bewertung des Nießbrauchrechts

1. Berechnung des Kapitalwerts

Der Wert eines Nießbrauchrechts richtet sich grundsätzlich nach den Erträgen, die dem Nießbraucher über die gesamte Laufzeit des Nießbrauchs zustehen. Für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke ist dies der sogenannte Kapitalwert des Nießbrauchs (§ 12 Abs. 1 ErbStG, §§ 13 bis 16 BewG). Der Kapitalwert des Nießbrauchs wird anhand des sogenannten Jahreswerts der Erträge, welcher mit einem Vervielfältiger multipliziert wird, berechnet.S. 147

Der maßgebliche Vervielfältiger ist von der Laufzeit des Nießbrauchrechts abhängig. Wird der Nießbrauch für einen bestimmten Zeitraum eingeräumt, so ergibt sich der Vervielfältiger aus § 13 Abs. 1 Satz 1 i. V. mit Anlage 9a BewG. Bei lebenslanger Einräumung des Nießbrauchs ist der Vervielfältiger wiederum von Alter und Geschlecht des Nießbrauchers abhängig und bestimmt sich nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG anhand der veröffentlichten Sterbetafeln des Statistischen Bundesamts, welche von der Finanzverwaltung regelmäßig ausgegeben werden (zuletzt BStBl 2019 I S. 1288).

Beispiel (Fortsetzung)

V hat zum Übertragungszeitpunkt das 65. Lebensjahr vollendet. V möchte sich den lebenslangen Nießbrauch vorbehalten, so dass sich nach der einschlägigen Tabelle i. S. von § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG ein Vervielfältiger von 11,506 ergibt.

2. Ermittlung des Jahreswerts

a) Allgemeines

Der für die Berechnung des Kapitalwerts maßgebliche Jahreswert, richtet sich nach der Höhe der aus dem nießbrauchbelasteten Grundstück herrührenden jährlichen Erträge. Bei ungewissen oder schwankenden Erträgen ist als Jahreswert ein voraussichtlicher zukünftiger Durchschnittswert anzusetzen (§ 15 Abs. 3 BewG). Hierfür können die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der vorangegangenen drei Jahre herangezogen werden (, BStBl 1970 II S. 594). Wurden in der Vergangenheit keine Mieteinkünfte z. B. aufgrund Leerstand oder Eigennutzung erzielt, so ist eine ortsübliche Miete maßgebend.

Der ermittelte Jahreswert ist auf den 18,6ten Teil des Grundstückswerts (Steuerwert) begrenzt (§ 16 BewG).

Beispiel (Fortsetzung)

Das im Eigentum von V stehende Grundstück hat einen steuerlichen Wert i. H. 1.500.000 €. Die in der Vergangenheit von V erzielten Erträge aus der Vermietung – vor Abzug etwaiger Werbungskosten – betragen 100.000 €. Nach Berücksichtigung etwaiger Kosten, kann der anzusetzende Jahreswert nach § 16 BewG höchstens 80.645 € betragen.

Praxishinweis

Die Nießbrauchbelastung stellt für Grunderwerbsteuerzwecke eine steuerpflichtige Gegenleistung dar, die bei nicht in gerade Linie verwandten Personen, Grunderwerbsteuer auslösen kann (§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG). Hierbei gilt zu beachten, dass nach § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG, die Begrenzung nach § 16 BewG nicht anzuwenden ist.

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Seiten: 6
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