Online-Nachricht - Mittwoch, 04.03.2020

Investmentsteuer | Besteuerung von ausländischen Investmentfonds (FG)

Bezieht ein in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässiger und im Inland nicht niedergelassener Investmentfonds Dividenden inländischer Aktiengesellschaften, unterliegt er mit diesen Dividenden der beschränkten Steuerpflicht. Die nur auf inländische Investmentfonds anwendbare Steuerbefreiungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. ist mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren (; Revision eingelegt, BFH Az. I R 1/20).

Hintergrundwissen: Reform des InvStG

Das InvStG unterscheidet ab 2018 zwischen zwei voneinander unabhängigen Besteuerungssystemen. Die Basis bildet ein einfaches, leicht administrierbares und gestaltungssicheres „intransparentes” Besteuerungssystem für Investmentfonds, das wie bei anderen Körperschaften auf der getrennten Besteuerung von Investmentfonds und Anleger basiert. Diesem System unterfallen mit Ausnahme von Personengesellschaften zunächst alle geschlossenen und offenen Fonds unabhängig von ihrer rechtlichen Ausgestaltung oder ihrem Anlegerkreis. Für Spezial-Investmentfonds wird unter den gleichen Voraussetzungen wie bisher das heutige semi-transparente Besteuerungsverfahren fortgeführt.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob § 11 InvStG in den in den Jahren 2009 bis 2013 gültigen Fassungen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.

Geklagt hatte eine in Luxemburg ansässige Société d’Investissiment á Capital Variable (SICAV) in der Rechtsform einer Société Anonyme (S.A.). Sie hielt Aktien deutscher Unternehmen und bezog, ohne über eine Niederlassung in Deutschland zu verfügen, in den Streitjahren 2009 bis 2013 Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften, auf die – unter Berücksichtigung des auf das DBA-Luxemburg gestützten und von der Depotbank der Klägerin durchgeführten Erstattungsverfahrens – im Ergebnis 15 % Kapitalertragsteuer entfielen. Die Klägerin beantragte erfolglos die Erstattung dieser Kapitalertragsteuern. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass § 11 InvStG in europarechtswidriger Weise nur inländische Investmentfonds steuerfrei stelle.

Das Hessische FG wies die Klage als unbegründet ab:

  • Der Klägerin steht kein (Kapitalertragsteuer-)Erstattungsanspruch zu. Sie fällt als ausländischer Investmentfonds nicht unter die nationale nur für inländische Investmentfonds geltende Steuerbefreiungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG.

  • Die unterschiedliche Behandlung von in- und ausländischen Investmentfonds stellt keinen Verstoß gegen die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit dar. Zwar liegt eine Ungleichbehandlung von ausländischen und inländischen Investmentfonds durch die Regelung des § 11 Abs. 1 InvStG vor, doch ist diese durch Kohärenz und die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt.

  • Kohärenz setzt den Ausgleich von Vor- und Nachteilen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung des Anteilseigners voraus, wobei der Ausgleich weder mathematisch zu verstehen ist noch in derselben Person eintreten muss. Aufgrund des bei der inländischen Fondsbesteuerung geltenden Transparenzprinzips besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Besteuerung des Investmentfonds und des Anteilseigners, so dass bei der Vergleichsbetrachtung der Steuerbelastung die Besteuerung des Anteilseigners mit einzubeziehen ist. Unter Berücksichtigung der Besteuerung des Anteilseigners wird im Rahmen einer Gesamtbetrachtung durch die nationale Befreiungsvorschrift eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gewahrt. Denn die Einheit von Fonds und Anteilsinhaber wird unter Einbeziehung der Anrechnungsvorschriften im Ergebnis nur einmal belastet.

  • Im Rahmen der Vergleichsbetrachtung ist dabei nicht nur eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds, sondern auch eine Unterscheidung danach vorzunehmen, ob es sich beim Anteilsinhaber um einen Steuerinländer oder einen Steuerausländer handelt und ob er an einem inländischen oder ausländischen Investmentfonds beteiligt ist.

  • Eine verbleibende Ungleichbehandlung bei der Steueranrechnung ist entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vorrangig durch eine europarechtskonforme Auslegung, hier des § 4 Abs. 2 InvStG, auszugleichen.

  • Die Regelung ist nach Auffassung des Senats auch vor dem Hintergrund der neueren EuGH-Rechtsprechung europarechtskonform.

Hinweis:

Das Urteil vom ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 1/20 anhängig.

Das Hessische FG hat am über einen weiteren Fall zur Vereinbarkeit der Steuerfreiheit nach § 11 InvStG mit der europarechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit entschieden ().

Quelle: Hessisches FG Pressemitteilung vom 4.3.2020, NWB Datenbank (ImA)

Fundstelle(n):
QAAAH-43661