BVerwG Beschluss v. - 2 WDB 4/19

Berufungsfrist; Wiedereinsetzung; Voraussetzung des fristgerechten Antrags

Leitsatz

Ist die Berufungsfrist nach § 115 Abs. 1 Satz 1 WDO nach der Aktenlage nicht offensichtlich gewahrt, muss in einem Wiedereinsetzungsantrag angegeben werden, wann der Antragsteller selbst - nicht sein Verteidiger - Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses, das der Fristwahrung entgegenstand, erlangt hat.

Gesetze: § 115 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 116 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 116 Abs 1 S 2 WDO 2002, § 117 S 1 WDO 2002, § 120 Abs 1 Nr 1 WDO 2002, § 43 Abs 1 StPO, § 45 Abs 1 S 1 StPO, § 45 Abs 2 S 1 StPO, § 46 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Truppendienstgericht Süd Az: S 4 VL 27/18 Urteil

Tatbestand

1Das Truppendienstgericht hat dem früheren Soldaten mit einem ihm am zugestellten Urteil vom wegen eines Dienstvergehens das Ruhegehalt aberkannt. Der Verteidiger des früheren Soldaten hat am beim Truppendienstgericht unter Vorlage einer vom datierenden Berufungsschrift die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er unter anwaltlicher Versicherung seiner Angaben ausgeführt, er habe unter dem für den früheren Soldaten Berufung eingelegt. Am habe er erfahren, dass die Berufungsschrift beim Truppendienstgericht nicht eingegangen sei. Der frühere Soldat habe von einer ordnungsgemäßen Berufungseinlegung ausgehen können, weil er eine Kopie der Berufungsschrift erhalten habe. Erst nachdem die Übergangsgebührnisse nicht ausgezahlt worden seien, habe der frühere Soldat durch einen Anruf beim Truppendienstgericht erfahren, dass die Berufungsschrift dort nicht vorliege, und daraufhin ihn, den Verteidiger, angerufen. Der Vorsitzende der 4. Kammer des Truppendienstgerichts ... hat die Sache mit Verfügung vom unter Hinweis darauf, dass er die Berufung für unzulässig halte, dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat von einer Stellungnahme abgesehen.

Gründe

21. Die Berufung ist unzulässig, weil der frühere Soldat die Berufungsfrist versäumt hat. Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und 2 WDO ist die Berufung gegen das Urteil des Truppendienstgerichts bis zum Ablauf eines Monats nach seiner Zustellung beim Truppendienstgericht oder beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Darauf ist der frühere Soldat in der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung hingewiesen worden. Da ihm das Urteil am zugestellt worden ist, hat die Berufungsfrist mit Ablauf des geendet (vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 43 Abs. 1 StPO). Seine Berufung ist erst am beim Truppendienstgericht eingegangen.

32. Zwar hätte der Vorsitzende der Truppendienstkammer wegen der Fristversäumnis die Berufung zunächst nach § 117 Satz 1 WDO durch Beschluss als unzulässig verwerfen müssen und erst dann den Wiedereinsetzungsantrag zur Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht weiterleiten dürfen. Aus prozessökonomischen Gründen und wegen des Beschleunigungsgebots (§ 17 Abs. 1 WDO) ist aber das Fehlen einer solchen formalisierten Entscheidung nach § 117 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 WDO, § 46 Abs. 1 StPO unschädlich und die sachliche Zuständigkeit des Senats nach § 120 Abs. 1 Nr. 1 WDO gegeben (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 WDB 7.13 - juris Rn. 6 und vom - 2 WDB 3.18 - BVerwGE 163, 89 Rn. 11).

43. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Der frühere Soldat hat nicht glaubhaft gemacht, den Antrag fristgerecht gestellt zu haben.

5Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 und 2 WDO i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses - hier der Kenntnis vom Nichteingang der Berufungsschrift vom beim Truppendienstgericht - zu stellen. Die Frist beginnt zu laufen, wenn der Betroffene persönlich Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses erlangt hat; auf die Kenntnis seines Verteidigers kommt es hingegen nicht an (vgl. Dau/Schütz, WDO, Kommentar 7. Aufl. 2017, § 91 Rn. 18; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Kommentar 62. Aufl. 2019, § 45 Rn. 3). Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.

6Jedenfalls in den Fällen, in denen - wie hier - die Frist des § 91 Abs. 1 Satz 1 und 2 WDO i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO nach der Aktenlage nicht offensichtlich gewahrt ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Antragsteller nicht zuzurechnen wäre (vgl. - StraFo 2017, 66 Rn. 3). Die Angaben zu dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller selbst vom Wegfall des Hindernisses erfahren hat, müssen innerhalb der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags gemacht werden, weil sie Voraussetzung für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags sind; später können nur noch rechtzeitig vorgetragene Zulässigkeitsvoraussetzungen ergänzt und verdeutlicht werden (vgl. - StraFo 2017, 66 Rn. 5).

7Aus den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich nicht, wann genau der frühere Soldat selbst erfahren hat, dass die Berufungsschrift beim Truppendienstgericht nicht eingegangen ist. Es heißt darin lediglich, der frühere Soldat habe "erst jetzt, nachdem die Übergangsgebührnisse nicht ausgezahlt worden sind", durch einen Anruf beim Truppendienstgericht erfahren, dass die Berufungsschrift dort nicht eingegangen sei; daraufhin habe er seinen Verteidiger, angerufen, der am erfahren habe, dass die Berufungsschrift nicht beim Truppendienstgericht eingegangen sei. Diesen Angaben ist nicht zu entnehmen, wann genau der frühere Soldat beim Truppendienstgericht angerufen und Kenntnis von der dort nicht vorliegenden Berufungsschrift erlangt hat. Auch aus den vorliegenden Akten ist dies nicht ersichtlich. Der Verteidiger des früheren Soldaten ist daher mit Verfügung vom unter Fristsetzung bis zum um entsprechende Ergänzung und Glaubhaftmachung der Angaben im Wiedereinsetzungsantrag gebeten worden. Die Frist ist am antragsgemäß bis einschließlich verlängert worden. Eine Antwort ist nicht erfolgt.

84. Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:080120B2WDB4.19.0

Fundstelle(n):
SAAAH-42055