Beweiswürdigung der Einlassung des Angeklagten
Gesetze: § 261 StPO
Instanzenzug: LG Braunschweig Az: 9 Ks 9/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat Erfolg. Das ebenfalls auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Nebenklägers ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Die Beweiswürdigung weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
3Das Landgericht, das angesichts des unmittelbar tatbezogenen, die Angaben des Nebenklägers bestätigenden rechtsmedizinischen Gutachtens irrig von einer „Aussage-gegen-Aussage“-Konstellation ausgegangen ist (vgl. , NStZ 2004, 635, 636; KK-StPO/Ott, StPO, 8. Aufl., § 261 Rn. 100), hat die auf eine Notwehrlage abzielende Einlassung des Angeklagten unter anderem deshalb als unglaubhaft bewertet, weil er sich trotz monatelanger Untersuchungshaft, „erstmals in der Hauptverhandlung“ geäußert habe. Damit hat das Landgericht in unzulässiger Weise aus dem anfänglichen Schweigen des Angeklagten für diesen nachteilige Schlüsse gezogen (vgl. , NStZ 2014, 666, 667).
42. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Zwar hat das Landgericht gewichtige Umstände aufgeführt, die gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung sprechen. Es hat aber das anfängliche Schweigen an die erste Stelle seiner Würdigung der Angaben des Angeklagten gestellt. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die Strafkammer zu einer anderen Überzeugung bezüglich der vom Angeklagten behaupteten Notwehrlage gelangt wäre, wenn es dessen Einlassung rechtsfehlerfrei gewürdigt hätte. Hinzu kommt, dass in der rechtlichen Würdigung ausgeführt ist, die Einlassung zur Notwehrlage sei lediglich „nicht vollständig hinreichend glaubhaft“.
53. Das Urteil gibt dem Senat Anlass zu folgenden Hinweisen:
6a) Das Urteil genügt nicht den Anforderungen, die an die Darlegung des Ergebnisses eines DNA-Gutachtens zu stellen sind (vgl. , BGHSt 63, 187 zu eindeutigen Einzelspuren; vom - 5 StR 149/17, NStZ 2017, 723 zu Mischspuren).
7b) Die Angaben eines Angeklagten brauchen auch nicht mit Blick auf den - für die tatsächlichen Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen geltenden - Zweifelsgrundsatz als „unwiderlegt“ den Feststellungen zugrunde gelegt werden, wenn es für ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit keine Beweise gibt. Vielmehr sind sie - nicht anders als andere Beweismittel - insbesondere auf ihre Plausibilität und anhand des übrigen Beweisergebnisses auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen (vgl. , NStZ 2006, 652, 653; LR-StPO/Sander, § 261 Rn. 112a).
8c) Der Maßstab der Anrechnung einer wegen der abgeurteilten Tat im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung ist gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB im Urteilstenor wiederzugeben (vgl. , BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 3).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:121119B5STR451.19.0
Fundstelle(n):
CAAAH-41781