BVerwG Beschluss v. - 8 B 32/19

Prozessrechtswidrige Klageabweisung als unzulässig und "zudem" unbegründet

Gesetze: § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 Abs 6 VwGO, § 144 Abs 4 VwGO

Instanzenzug: VG Dresden Az: 6 K 2870/16 Urteil

Gründe

1Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie rügt zu Recht, die Vorinstanz habe die Klage verfahrensfehlerhaft für unzulässig gehalten (1.). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung, da die Divergenz- und die Grundsatzrüge keine Revisionszulassung rechtfertigen (2.).

21. Die Beschwerdebegründung macht unter B. I. 1a. geltend, das Verwaltungsgericht habe die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen. Darin liegt eine Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil der Kläger eine unzutreffende Anwendung der prozessrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Bescheidungsanträgen beanstandet. Die unter B. I. 1b. der Beschwerdebegründung gerügte Divergenz wird unter B. I. 1a. lediglich als Argument für die Unrichtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Zulässigkeitsbeurteilung herangezogen.

3Die Annahme, die haupt- und hilfsweise gestellten Bescheidungsanträge seien unzulässig, ist in zweifacher Hinsicht prozessual fehlerhaft. Zum einen geht sie unzutreffend davon aus, ein Bescheidungsantrag dürfe nur gestellt werden, wenn der Kläger eine Ermessensentscheidung begehre oder das Gericht aus anderen Gründen gehindert oder zumindest nicht verpflichtet sei, die Sache spruchreif zu machen. Zwar sind Ansprüche auf Erlass gebundener Verwaltungsakte grundsätzlich mit der Verpflichtungsklage geltend zu machen. Dies gilt aber nicht ausnahmslos. Maßgeblich ist vielmehr, ob im konkreten Fall ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschränkung auf einen Bescheidungsantrag besteht ( 3 C 63.86 - Buchholz 427.6 § 4 BFG Nr. 46 und vom - 1 C 18.17 - BVerwGE 162, 331 Rn. 23 ff., 30 f.). Das ist hier der Fall, weil der Kläger die Gleichheitswidrigkeit der einschlägigen Regelungen zur Entschädigungsberechnung geltend macht und nicht absehen kann, in welcher Weise die geltend gemachte verfassungswidrige Ungleichbehandlung - falls sie vorliegen sollte - aufzulösen wäre. Eine gegenteilige Beurteilung kann nicht auf die von der Vorinstanz in die Zulässigkeitsprüfung vorgezogenen Erwägungen zur Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschriften gestützt werden. Sachentscheidungsvoraussetzungen sind prozessrechtlich vor und unabhängig von der Begründetheit der Klage zu klären.

4Das angegriffene Urteil beruht auf dem Verfahrensmangel, weil es nicht durch eine andere, revisionsrechtlich fehlerfreie Erwägung getragen wird. Eine solche Alternativbegründung liegt nicht in den Ausführungen zur Unbegründetheit der Klage. Zum einen können solche Erwägungen kein Prozessurteil, sondern nur ein Sachurteil tragen. Zum anderen hat das angegriffene Urteil die Klage als unzulässig und "zudem" unbegründet abgewiesen (UA S. 11). Damit hat es prozessrechtswidrig trotz Verneinens der Zulässigkeit in der Sache entschieden.

5Eine entsprechende Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO kommt nicht in Betracht. Anders als in Fällen, in denen die Zulässigkeit der Klage zu Recht verneint wurde, kann hier nicht von einer Ergebnisrichtigkeit mit der Maßgabe ausgegangen werden, dass ein Prozessurteil vorliegt und die Begründetheitserwägungen als nicht geschrieben gelten (dazu vgl. 6 B 133.18 - NVwZ 2019, 649). Andere als die vom Verwaltungsgericht - fehlerhaft - angenommenen Gründe für eine Unzulässigkeit von Haupt- oder Hilfsanträgen sind nicht erkennbar. Die Entscheidung kann folglich als Prozessurteil keinen Bestand haben. Ebenso wenig kann die zusätzliche, prozessrechtswidrige Abweisung der Klage als ("zudem") unbegründet in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO bestätigt werden. Eine Sachentscheidung, die nach dem Prozessrecht nicht hätte ergehen dürfen, kann sich nicht aus anderen Gründen als richtig erweisen.

62. Da die Divergenz- und die Grundsatzrüge nicht durchgreifen und noch keine prozessordnungsgemäße tatrichterliche Sachentscheidung vorliegt, macht der Senat gemäß § 133 Abs. 6 VwGO von der Möglichkeit Gebrauch, das angegriffene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Divergenzrüge des Klägers rechtfertigt keine Revisionszulassung, weil sie keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, der einem die angebliche Divergenzentscheidung ( 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216) tragenden Rechtssatz widerspräche. Gerügt wird lediglich, die Vorinstanz habe einen dort aufgestellten Rechtssatz unrichtig angewendet. Gleiches gilt für die Rüge, die vorinstanzliche Tatsachenwürdigung entspreche nicht den Vorgaben im -. Mit der Grundsatzrüge bezeichnet der Kläger keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die angestrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der fallübergreifende Bedeutung zukäme. Seine Ausführungen zum - und dem Sondervotum arbeiten keine bestimmte Rechtsfrage heraus. Seine weiteren verfassungsrechtlichen Einwände kritisieren die Anwendung des § 7 EntschG im konkreten Fall, ohne rechtsgrundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen zu formulieren.

7Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:271119B8B32.19.0

Fundstelle(n):
HAAAH-40109