BGH Beschluss v. - III ZR 282/18

(Anforderungen an die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags)

Gesetze: § 234 Abs 1 S 1 ZPO, § 236 Abs 2 S 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 14 U 121/17 Urteilvorgehend Az: 10 O 271/16 Urteil

Gründe

I.

1Die Klägerin nimmt die beklagte Partnerschaft von Rechtsanwälten unter dem Vorwurf der Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Hypothekenanleihen auf Schadensersatz in Anspruch.

2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß Empfangsbekenntnis am zugestellt. Die Zustellung von acht weiteren, in Parallelsachen ergangenen, Beschlüssen des erfolgte am . Mit Schriftsatz vom , eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und beantragt, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung dieses Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung trägt sie - unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung - vor, dass der für die Fristenkontrolle zuständigen Fachangestellten ihrer Prozessbevollmächtigten ein Büroversehen unterlaufen sei. Der Ablauf der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sei - zunächst im Fristenkalender und sodann in einem Stempelaufdruck auf dem Beschluss des Oberlandesgerichts - irrtümlich, ebenso wie für die acht Parallelsachen, erst für den eingetragen worden. Entsprechendes gelte für die kanzleiübliche einwöchige Vorfrist.

II.

31. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg.

4a) Es fehlt bereits an der erforderlichen Darlegung der Einhaltung der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist, die mit dem Tage der Behebung des Hindernisses beginnt (§ 234 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

5aa) Gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO müssen alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden. Zu diesen Tatsachen zählen auch diejenigen, die die Einhaltung der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergeben. Zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs gehört damit Sachvortrag, demzufolge der Antrag rechtzeitig nach der Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 2 ZPO) gestellt wurde (s. z.B. BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 10/98, NJW 1998, 2678, 2679; vom - II ZR 225/98, NJW 2000, 592; vom - V ZB 107/07, NJW-RR 2008, 1084, 1085 Rn. 11 und vom - IX ZB 214/09, NJW-RR 2011, 490, 491 Rn. 14). Von einer entsprechenden Darlegung und Glaubhaftmachung kann nur dann abgesehen werden, wenn die Wiedereinsetzungsfrist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom aaO und vom aaO).

6bb) Die Klägerin hat nicht dargelegt, wann das Hindernis behoben wurde, und es ist auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich, dass die Wiedereinsetzungsfrist offensichtlich eingehalten worden ist.

7Die Klägerin hat nicht vorgetragen, durch wen und wann die fehlerhafte Notierung der Rechtsmittelfrist bemerkt wurde oder dies hätte bemerkt werden müssen und somit das Hindernis für die fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde behoben worden ist. Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags beschränkt sich auf die Darlegung der allgemeinen Fristenkontrolle in der Anwaltskanzlei sowie die irrtümliche Berechnung und entsprechende Eintragung der Fristen im vorliegenden Fall. Hieraus ergibt sich nicht, dass der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist. In Anbetracht der einwöchigen Vorfrist ist davon auszugehen, dass die Akte dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt bereits am vorgelegt worden ist. Ob ihm die fehlerhafte Fristberechnung bereits an diesem Tage oder einem bestimmten späteren Tag erkennbar war, teilt die Klägerin nicht mit. Der am eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre nur dann fristgerecht gewesen, wenn das Hindernis ab dem behoben worden, nicht jedoch, wenn dies zuvor geschehen wäre. Zwar lief die Monatsfrist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erst am (Montag) ab. Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist wird jedoch auch dann in Gang gesetzt, wenn das Hindernis vor Ablauf der zu wahrenden Notfrist behoben wird (BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 44/89, NJW-RR 1990, 830; vom - VIII ZB 12/94, NJW 1994, 2831, 2832 und vom aaO Rn. 10).

8b) Zudem hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die Fristversäumung unverschuldet war (§§ 233, 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

9aa) Zwar darf die Berechnung und Notierung einfacher Fristen grundsätzlich dem gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Büropersonal des Rechtsanwalts überlassen werden (s. nur Senat, Urteil vom - III ZR 47/14, NJW 2014, 3452, 3453 Rn. 8 und Beschluss vom - III ZR 202/13, NJOZ 2014, 953 Rn. 4). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es aber, wenn - wie regelmäßig und auch hier - eine gerichtliche Entscheidung gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wird, eines besonderen Vermerks in den Handakten oder auf der Entscheidung, wann die Zustellung erfolgt ist, da nicht der Eingangsstempel, sondern das Datum, unter dem das Empfangsbekenntnis unterzeichnet ist, für den Beginn einer Rechtsmittelfrist maßgeblich ist (Senat, Beschluss vom aaO mwN). Um zu gewährleisten, dass ein solcher Vermerk angefertigt wird und das maßgebende Datum zutreffend wiedergibt, darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass diese im Fristenkalender notiert worden ist (Senat, Beschluss vom aaO mwN). Hierbei und allgemein stets dann, wenn ihm die Sache im Zusammenhang mit einer (künftigen) fristgebundenen Prozess- oder Verfahrenshandlung vorgelegt wird, hat der Rechtsanwalt zu prüfen, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist. Er hat die Einhaltung seiner Anweisung zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf (Senat, Urteil vom aaO sowie Beschlüsse vom - III ZB 25/11, BeckRS 2011, 24117 Rn. 8; vom - III ZB 47/12, BeckRS 2013, 02649 Rn. 7; vom aaO S. 954 Rn. 7; vom - III ZB 29/13, NJOZ 2014, 411, 412 Rn. 8 und vom - III ZB 95/16, NJOZ 2018, 609, 610 Rn. 7, jeweils mwN). Liegt die Handakte nicht vor, so muss sich der Rechtsanwalt diese sogleich nachreichen lassen (vgl. Senat, Urteil vom aaO sowie Beschlüsse vom aaO; vom aaO; vom aaO S. 953 Rn. 4; vom aaO und vom aaO).

10bb) Nach diesen Maßgaben hat die Klägerin ein - ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes - Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Rechtsmittelfrist nicht ausgeräumt. Dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt anlässlich der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses oder nach Vorlage der Sache zur Vorfrist am die gebotene eigenverantwortliche Prüfung der Berechnung und Eintragung der Rechtsmittelfrist vorgenommen hat, trägt die Klägerin nicht vor. Hierfür sprechen auch keine Anhaltspunkte. Sowohl bei der Vorlage zur Unterzeichnung des auf den datierten Empfangsbekenntnisses als auch bei der Vorlage der Sache zur notierten Vorfrist am hätte der Rechtsanwalt nach einer Überprüfung der Fristberechnung seiner Fachangestellten (Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am ) erkennen müssen, dass diese offensichtlich unrichtig war. In diesem Falle hätte er noch rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist (am ) die Berichtigung der Fristberechnung und die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof veranlassen können.

112. Da die Klägerin die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt hat und ihr diesbezüglich auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, ist ihr Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:260919BIIIZR282.18.0

Fundstelle(n):
EAAAH-39907