Konkurrenzverhältnis zwischen gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln und unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Gesetze: § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 2 BtMG
Instanzenzug: LG Stade Az: 101 KLs 19/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Fall II. 1. der Urteilsgründe), wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in zwei Fällen (Fälle II. 2. und II. 4. der Urteilsgründe), davon im Fall II. 4. der Urteilsgründe in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, sowie wegen unerlaubten Besitzes einer verbotenen Waffe (Fall II. 3. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Der Senat hat den Schuldspruch in den Fällen II. 2. und II. 4. der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte anstelle der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren (Fall II. 2. der Urteilsgründe) sowie anstelle der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Fall II. 4. der Urteilsgründe) jeweils der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2Nach den für die rechtliche Bewertung der Fälle II. 2. und II. 4. der Urteilsgründe relevanten Feststellungen verfügte der über 21 Jahre alte Angeklagte in beiden Fällen jeweils über eine größere Menge Marihuana, das er sukzessive an Personen unter 18 Jahren veräußerte, um sich dadurch eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen; im Fall II. 4. der Urteilsgründe veräußerte er Teile des Rauschgifts auch an Personen über 18 Jahren. In beiden Fällen bezog sich die Tat auf eine nicht geringe Menge Marihuana.
3Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom ausgeführt:
"Der Senat wird [...] erwägen können, den Schuldspruch dahingehend zu berichtigen, dass sich der Angeklagte in den Fällen II.2 und II.4 neben der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren tateinheitlich jeweils auch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht hat. Zwar verdrängt die Strafbarkeit wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG die Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG, soweit der Verkauf allein an Minderjährige erfolgt, weil der im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegende Unrechtsgehalt in diesem Fall bereits von der Verurteilung nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfasst wird (vgl. Senat, Beschluss vom , 3 StR 353/10, Rn. 6, juris; BGH, NStZ 2018, 227). Dies gilt indes, unabhängig von der Frage des Verkaufes auch an Erwachsene, nicht für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, da bei Zurücktreten dieses Tatbestands das besondere Unrecht, das sich aus der Größe der gehandelten Menge ergibt, nicht zum Ausdruck käme (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, 9. Auflage, § 30 Rn. 81 unter Verweis auf ; ebenso Weber, 5. Auflage, § 30 Rn. 132; Oğlakcioğlu in MüKo StGB, 3. Auflage, § 30 BtMG Rn. 118; Becker in BeckOK BtMG, 2. Edition, § 30 Rn. 16; offen gelassen bei Senat, Beschluss vom , 3 StR 353/10, Rn. 6, juris)."
4Dem schließt sich der Senat an und ändert den Schuldspruch entsprechend.
5Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO hindert den Senat an einer Verschärfung des Schuldspruchs nicht (vgl. , BGHSt 37, 5, 8 f.; KK-Gericke, StPO, 8. Aufl., § 358 Rn. 18). Auch § 265 StPO steht der Änderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:240719B3STR257.19.0
Fundstelle(n):
ZAAAH-39657