Lehrereingruppierung - ausländischer Hochschulabschluss
Gesetze: Art 13 EGRL 36/2005, Art 51 EGRL 36/2005, § 1 TVG
Instanzenzug: Az: 11 Ca 130/17 E Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 7 Sa 1042/17 E Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und sich hieraus ergebende Entgeltdifferenzansprüche.
2Der Kläger schloss im Juli 2000 in Rumänien eine fünfjährige kombinierte Ausbildung zum Erzieher und Grundschullehrer mit dem „Diploma de Bacalaureat“ ab. Im Jahr 2005 beendete er an einer rumänischen Universität mit dem „Diploma de Licenta“ erfolgreich ein Studium der Geschichte sowie der deutschen Sprache und Literatur. Damit war der Kläger berechtigt, in Rumänien an deutschsprachigen Gymnasien bis einschließlich der zwölften Jahrgangsstufe die Fächer Geschichte und Deutsch zu unterrichten. Bis Januar 2015 war er mehrere Jahre als Lehrkraft an einem rumänischen Gymnasium tätig.
3Auf seinen Antrag auf Anerkennung der in Rumänien absolvierten Lehrerausbildung teilte das Niedersächsische Kultusministerium dem Kläger mit Schreiben vom auszugsweise Folgendes mit:
4Vom bis zum war der Kläger als sog. Ortslehrkraft an einer kooperativen Gesamtschule in Niedersachsen beschäftigt. Ab unterrichtete er zunächst an einer Hauptschule und dann an einer Oberschule. Der Arbeitsvertrag vom lautet auszugsweise wie folgt:
5§ 12 TV-L lautet nach Maßgabe des § 3 TV EntgO-L vom wie folgt:
6Die Anlage Entgeltordnung Lehrkräfte zum TV EntgO-L (im Folgenden Anlage zum TV EntgO-L) sieht idF des Änderungstarifvertrags Nr. 1 vom mit Wirkung ab dem ua. folgende Regelungen vor:
7Der Kläger wurde seit entsprechend § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags nach Entgeltgruppe 9 TV-L vergütet. Das beklagte Land geht von einer Eingruppierung nach Abschn. 2 Ziff. 4 der Anlage zum TV EntgO-L aus. Der Kläger hat demgegenüber mit Schreiben vom 4. und bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde erfolglos die rückwirkende Eingruppierung in die Entgeltgruppe 10 TV-L verlangt.
8Mit seiner Klage hat er zuletzt für die Zeit vom bis einschließlich die Zahlung einer Entgeltdifferenz zwischen der Entgeltgruppe 9 TV-L und der Entgeltgruppe 10 TV-L von insgesamt 3.774,21 Euro brutto nebst Zinsen verlangt. Die zeitliche Begrenzung resultiert aus dem Umstand, dass der Kläger erfolgreich einen Anpassungslehrgang absolviert hat und das Niedersächsische Kultusministerium daraufhin mit Schreiben vom die in Rumänien abgeschlossene Lehrerausbildung als Befähigung für die Laufbahn der Laufbahngruppe 2 der Fachrichtung Bildung anerkannt hat. Die Anerkennung entspricht einer Lehrbefähigung für das Lehramt an Haupt- und Realschulen - Schwerpunkt Realschule - in den Unterrichtsfächern Deutsch und Geschichte. Ab erhielt der Kläger deshalb zunächst Entgelt nach Entgeltgruppe 11 TV-L, bevor er schließlich in das Beamtenverhältnis übernommen wurde.
9Bezüglich der Zeit vom bis einschließlich hat der Kläger die Ansicht vertreten, er habe die Voraussetzungen einer Vergütung nach Entgeltgruppe 10 TV-L nach Abschn. 2 Ziff. 2 oder 3 der Anlage zum TV EntgO-L erfüllt. Mit Schreiben des Niedersächsischen Kultusministeriums vom sei bezogen auf das Fach Deutsch eine Gleichstellung seines ausländischen Hochschulabschlusses iSd. Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L erfolgt, auch wenn dieses Schreiben im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens nach §§ 35 ff. der Niedersächsischen Laufbahnverordnung (NLVO) vom ergangen sei. Er habe damit die fachlichen Voraussetzungen zum Unterrichten in mindestens einem Schulfach, nämlich Deutsch, gehabt. Wegen der in der Protokollerklärung vorgesehenen Fiktion („… gilt als…“) dürfe keine weitere gerichtliche Überprüfung stattfinden. Die Befähigung zum Unterrichten eines zweiten Fachs sei nicht erforderlich gewesen.
10Unterstelle man, das Schreiben des Niedersächsischen Kultusministeriums vom beinhalte keine Gleichstellung, so könne er dennoch den Nachweis eines gleichzustellenden Hochschulabschlusses erbringen. Nach der Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L sei ein förmliches Verfahren bei einer Landesbehörde nicht zwingend erforderlich. Entscheidend sei die tatsächliche Qualifikation. Anderenfalls habe der Arbeitgeber es in der Hand, eine Gleichstellung anzuerkennen oder zu verweigern, ohne dass eine Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen eine ablehnende Entscheidung bestehe.
11Der Kläger hat beantragt,
12Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe zwar bereits die fachlichen Voraussetzungen zum Unterrichten im Fach Deutsch aufgewiesen. Sowohl Abschn. 2 Ziff. 2 als auch Ziff. 3 der Anlage zum TV EntgO-L verlangten jedoch zudem („und“) den Abschluss einer (wissenschaftlichen) Hochschulbildung. Im Falle eines Abschlusses an einer ausländischen Hochschule bedürfe es nach der Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L einer Gleichstellung durch die zuständige Landesbehörde nach Durchführung eines förmlichen Verfahrens. Eine solche Gleichstellung sei hier zunächst nicht erfolgt. Das Schreiben des Niedersächsischen Kultusministeriums vom habe nur die Berechtigung zum Unterrichten im Fach Deutsch anerkannt.
13Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Gründe
14Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat für die Zeit vom bis einschließlich keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 10 TV-L.
15I. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass sich der Vergütungsanspruch des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 12 Abs. 1 TV-L idF des § 3 TV EntgO-L iVm. der Anlage zum TV EntgO-L richtete. Der Kläger unterfiel dabei nicht Abschn. 1 der Anlage zum TV EntgO-L, da er die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis noch nicht erfüllte. Nach den damit einschlägigen Bestimmungen in Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L wurde der Kläger nach Entgeltgruppe 9 TV-L tarifgerecht vergütet.
161. Die Voraussetzungen der in Anspruch genommenen Ziff. 2 Satz 1 Buchst. a bzw. Ziff. 3 Satz 1 Buchst. a des Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L sind nicht erfüllt.
17a) Beide Tatbestände setzen den Abschluss einer (wissenschaftlichen) Hochschulbildung „und“ die fachlichen Voraussetzungen zum Unterrichten in mindestens einem Schulfach aufgrund des Studiums voraus. Nach dem eindeutigen Wortlaut sind beide Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ zu erfüllen.
18b) Die Anlage zum TV EntgO-L unterscheidet zwischen inländischen und ausländischen Hochschulabschlüssen. Wurde der Abschluss an einer ausländischen Hochschule erworben, gilt er nach der Protokollerklärung Nr. 10 Buchst. a zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L nur dann als abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung, wenn er von der zuständigen Landesbehörde dem deutschen Hochschulabschluss gleichgestellt ist (ebenso Protokollerklärung Nr. 1 Abs. 4 zu Teil I der Entgeltordnung zum TV-L). Die Protokollerklärung Nr. 10 Buchst. a zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L ist angesichts ihres eigenständigen Regelungsgehalts ein normativer Teil der Anlage zum TV EntgO-L (vgl. - Rn. 15). Entgegen der Revision setzt sie eine Gleichstellungsentscheidung voraus, welche nach dem einschlägigen Landesrecht in einem förmlichen Verwaltungsverfahren getroffen wurde. In Niedersachsen wird dies durch §§ 35 ff. NLVO geregelt.
19aa) Die Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L verlangt eine Entscheidung der „zuständigen“ Landesbehörde, dh. es müssen die jeweiligen landesrechtlichen Vorgaben auch in formeller Hinsicht beachtet sein. Die Tarifvertragsparteien nehmen insoweit auf das jeweilige Landesrecht Bezug. Dies ermöglicht eine länderübergreifende tarifliche Regelung ohne Anpassungsbedarf bei Änderungen im Landesrecht.
20bb) Das niedersächsische Landesrecht sieht ein förmliches Verwaltungsverfahren bzgl. der Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen vor.
21(1) Grundsätzlich gilt das Niedersächsische Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (Niedersächsisches Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz - NBQFG) vom . Dieses Gesetz findet jedoch keine Anwendung, soweit berufsrechtliche Regelungen des Landes unter Bezugnahme auf dieses Gesetz etwas anderes bestimmen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 NBQFG).
22(2) Gemäß § 16 Abs. 2 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (NBG) vom findet das NBQFG bis auf hier nicht interessierende Ausnahmen keine Anwendung bzgl. der Laufbahnbefähigung durch Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen nach § 16 Abs. 1 NBG. Wer die Staatsangehörigkeit ua. eines Mitgliedstaats der Europäischen Union besitzt, kann demnach die Befähigung für eine Laufbahn auch durch Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen aufgrund der Richtlinie 2005/36/EG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/55/EU, erwerben. Die Anerkennung der Berufsqualifikationen kann unter den in Art. 14 der Richtlinie 2005/36/EG genannten Voraussetzungen von der erfolgreichen Ableistung eines Anpassungslehrgangs oder Ablegung einer Eignungsprüfung abhängig gemacht werden. Nach § 16 Abs. 1 Satz 3 NBG bestimmt die Landesregierung durch Verordnung das Nähere zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG.
23(3) Auf dieser Grundlage sieht die NLVO in den §§ 35 bis 42 Regelungen vor, die auch der Umsetzung der Richtlinienvorgaben dienen. Über einen Antrag auf Anerkennung der Berufsqualifikation entscheidet das für die angestrebte Laufbahn zuständige Ministerium oder die von ihm bestimmte Stelle (§ 40 Abs. 1 NLVO) nach den in der NLVO vorgesehenen Kriterien (vgl. §§ 36 ff. NLVO).
24(4) Die Durchführung eines solchen förmlichen Verwaltungsverfahrens durch die zuständige Behörde entspricht den Vorgaben des Unionsrechts nach Art. 13, 51 der Richtlinie 2005/36/EG (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand September 2015 Teil IIIb Anlage zum TV EntgO-L 3/2 - Nichterfüller, Lehramtslehrkräfte Rn. 500 ff.). Bereits die Vorgängerrichtlinie 89/48/EWG verlangte ein Verwaltungsverfahren mit der Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine ablehnende Entscheidung (vgl. - zu B II 3 b bb (4) der Gründe; - 10 AZR 209/99 - zu II 1 b der Gründe). Die Ablehnung der Anerkennung einer Laufbahnbefähigung nach §§ 35 ff. NLVO kann vor dem zuständigen Verwaltungsgericht angefochten werden.
25cc) Das nach §§ 35 ff. NLVO durchgeführte Verfahren ist zugleich das von der Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L verlangte förmliche Verwaltungsverfahren der „zuständigen Landesbehörde“. Es ist zwar auf die Prüfung der „Anerkennung“ einer im Ausland erworbenen Qualifikation und nicht auf deren „Gleichstellung“ ausgerichtet. Unter Gleichstellung iSd. Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L ist jedoch eine Anerkennung zu verstehen, wenn das maßgebliche Landesrecht entsprechend der Richtlinie 2005/36/EG diesen Begriff verwendet. Das nach unionsrechtlichen Vorgaben ausgestaltete Anerkennungsverfahren ist dann auch das „Gleichstellungsverfahren“ iSd. Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Tarifvertragsparteien keine eigenen Kriterien für die Gleichstellung benannt haben. Es besteht daher kein Zwang zur Durchführung eines gesonderten Verfahrens.
26c) Im streitgegenständlichen Zeitraum war der in Rumänien erworbene Hochschulabschluss des Klägers einem deutschen Hochschulabschluss nicht gleichgestellt.
27aa) Die Protokollerklärung Nr. 10 zu Abschn. 2 der Anlage zum TV EntgO-L verlangt die Gleichstellung eines Abschlusses an einer ausländischen Hochschule mit dem deutschen Hochschulabschluss. Die Tarifregelung stellt auf die formale Qualifikation des Hochschulabschlusses ab. Ein solcher ist nicht teilbar. Nicht ausreichend ist damit eine teilweise Gleichstellung in dem Sinne, dass die im Ausland erworbene Qualifikation bzgl. einzelner Ausbildungsinhalte anerkannt wird. Dies gilt auch dann, wenn diese von anderen Ausbildungsinhalten abgrenzbar sind.
28bb) Das Niedersächsische Kultusministerium war für das Verfahren nach §§ 35 ff. NLVO zuständig und hat mit seinem Schreiben vom das „Lizenziatendiplom“ des Klägers noch nicht vollständig dem deutschen Hochschulabschluss gleichgestellt. Es wurde nur die Berechtigung zur Erteilung von Unterricht im Fach Deutsch an Haupt- und Realschulen oder Oberschulen bzw. der entsprechenden Zweige der Gesamtschulen anerkannt. Im Übrigen wurde eine Ausgleichsmaßnahme verlangt. Es handelte sich mithin nur um eine Teilanerkennung der rumänischen Ausbildung des Klägers und nicht um eine vollständige Gleichstellung seines Hochschulabschlusses mit dem deutschen Hochschulabschluss. Diese Entscheidung hat der Kläger nicht im Verwaltungsrechtsweg angegriffen. Sie ist damit auch für die Gerichte für Arbeitssachen bindend (vgl. - zu II 1 b der Gründe).
292. Der Kläger wurde für den streitgegenständlichen Zeitraum daher gemäß Abschn. 2 Ziff. 4 der Anlage zum TV EntgO-L zutreffend nach Entgeltgruppe 9 TV-L vergütet. Als Lehrer an einer Haupt- bzw. Oberschule wäre er als Beamter im Eingangsamt nach Besoldungsgruppe A 12 vergütet worden (vgl. Anlage 1 zum Niedersächsischen Besoldungsgesetz). Nach Abschn. 2 Ziff. 4 der Anlage zum TV EntgO-L entspricht dies Entgeltgruppe 9 TV-L.
30II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:050919.U.6AZR454.18.0
Fundstelle(n):
FAAAH-39279