Nichtzulassungsbeschwerde - Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz - Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Kontextes der einander gegenübergestellten Entscheidungen - vertieftes Eingehen auf bewusstes Entgegensetzen eines eigenen Rechtssatzes
Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Instanzenzug: SG Stade Az: S 3 SB 97/15 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 13 SB 135 /17 Urteil
Gründe
1I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 statt 40. Diesen Anspruch hat das LSG verneint. Die Feststellung eines Gesamt-GdB von 40 sei zutreffend. Die Bewertung des Einzel-GdB für das Augenleiden des Klägers von 30 sei nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägers komme hierfür ein Einzel-GdB von 40 nicht in Betracht. Denn dies erfordere bei Verlust eines Auges eine dauernde, einer Behandlung nicht zugängliche Eiterung der Augenhöhle (Hinweis auf Teil B Nr 4.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze <VMG, Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung>). Ein solcher Sachverhalt sei nicht durch belastbare ärztliche Feststellungen belegt. Auch eine höhere Bewertung der psychischen Störung des Klägers als mit einem Einzel-GdB von 20 sei nicht angemessen (Urteil vom ).
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht das Vorliegen einer Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.
3II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.
41. Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die in zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.
5Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, zB Senatsbeschluss vom - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 8 mwN).
6Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
7Der Kläger benennt weder einen abstrakten Rechtssatz aus einer der von ihm zitierten Entscheidungen des BSG, noch stellt er einem solchen höchstrichterlichen Rechtssatz einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des LSG aus dem angefochtenen Urteil gegenüber. Er referiert in seiner Beschwerdebegründung lediglich Aussagen des BSG zu den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" und den VMG. Der Kläger zeigt allein mit diesen Angaben aber nicht auf, dass das BSG in den genannten Entscheidungen eine Fallkonstellation, die mit derjenigen des Klägers vergleichbar ist, tragend anders entschieden hat. Dafür genügt es nicht, isoliert einzelne aus Entscheidungen des BSG abgeleitete Passagen zu referieren und - völlig losgelöst von ihrem Bezugsrahmen - zu behaupten, es handele sich um tragende höchstrichterliche Rechtssätze, von denen das LSG in der angefochtenen Entscheidung tragend abgewichen sei. Stattdessen ist der tatsächliche und rechtliche Kontext darzustellen, in dem zum einen der herangezogene bundesgerichtliche Rechtssatz und zum anderen der vom LSG in der angefochtenen Entscheidung aufgestellte divergierende Rechtssatz steht. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben Rechtsnormen anzuwenden sind (vgl - juris RdNr 14 mwN). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung aber nichts.
8Auch im Übrigen ist eine Divergenz vom Kläger nicht nachvollziehbar dargestellt. Denn die Bezeichnung einer Abweichung iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt die Darlegung voraus, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG im angefochtenen Urteil infrage stellt, was nicht der Fall ist, wenn es einen höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewendet haben sollte (stRspr, zB - juris RdNr 51; - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73). Deshalb hätte der Kläger vertieft darauf eingehen müssen, dass das LSG im angefochtenen Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkannt, sondern dieser Rechtsprechung bewusst einen eigenen Rechtssatz entgegengesetzt hat (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom - B 9 V 48/16 B - juris RdNr 23; Senatsbeschluss vom - B 9 SB 10/15 B - juris RdNr 6; - juris RdNr 4; - juris RdNr 4; - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73; - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f). Daran fehlt es. Im Kern kritisiert der Kläger letztlich nur eine - vermeintlich - falsche Rechtsanwendung des LSG in seinem Fall, in dem er meint, das Urteil widerspreche Teil B Nr 4.1 VMG. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist aber nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl stRspr, zB - juris RdNr 14).
92. Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) des LSG in Gestalt einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt, weil das Berufungsgericht kein Sachverständigengutachten insbesondere zu seinen "psychischen Erkrankungen und deren Folgen" eingeholt habe, erfüllt sein Vorbringen nicht die notwendigen Darlegungsanforderungen einer Sachaufklärungsrüge (s hierzu allgemein Senatsbeschluss vom - B 9 SB 70/17 B - juris RdNr 3). Auf den Verfahrensmangel einer unterlassenen Sachaufklärung (§ 103 SGG) kann sich der Kläger schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er nicht dargetan hat, einen entsprechenden prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am zu Protokoll aufrechterhalten zu haben (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom - B 9 V 5/19 B - juris RdNr 6; - juris RdNr 10). Ebenso wenig behauptet er, dass das LSG in dem angefochtenen Urteil einen solchen Beweisantrag wiedergegeben hat.
10Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
113. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
124. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:251019BB9SB4019B0
Fundstelle(n):
DAAAH-36225